Montag, 2. Oktober 2017

AL- eine unendliche Geschichte und ihre Folgen. Robert Spaemann spricht Klartext. Lesen!

Maike Hickson hat für OnePeterFive Professor Robert Spaemann, den bekannten deutschen Katholischen Philosophen und das frühere Mitglied des Päpstlichen Rates für das Leben interviewt.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"ROBERT SPAEMANN ÜBER JOSEF SEIFERT, AMORIS LAETITIA UND DAS WAHRHEITZEUGNIS"

Maike Hickson (MH): 
"Professor Josef Seifert ist einer Ihrer früheren Studenten, der seine Habilitationsarbeit unter Ihrer Leitung geschrieben hat. Deshalb kennen Sie ihn und seine Arbeit persönlich. Also - Sie beide haben die Stimme zu einer höflichen Kritik des päpstlichen Dokuments Amoris Laetitia erhoben. Wie haben Sie auf die Entscheidung des Erzbishofs von Granada reagiert, Professor Seifert wegen seiner Kritik an Amoris Laetitia zu entlassen?"

Robert Spaemann (RS): 
"Zunächst einmal : Professor Seifert ist nicht mein Student sondern der von Dietrich von Hildebrand. Er ist an der Philosophischen Fakultät der Universität München habilitiert worden. Was die Entlassung Seiferts durch den Erzbischof von Granada betrifft, war ich schockiert. Ich wußte nichts über Seiferts eigene Äußerung. Unsere Reaktionen auf die Entscheidung des Erzbischofs waren völlig unabahängig von einander."

MH
"Wie reagieren Sie auf den Vorwurf Erzbischofs Javier Martinez´, daß Professor Seifert mit seinen kritischen Fragen zu "Amoris Laetitia"  "die Kommunion der Kirche beschädigt, den Glauben der Gläubigen verwirrt und Mißtrauen gegen den Nachfolger Petri sät?"


RS
"Wie gesagt, ich war schockiert. Der Erzbischof schreibt, daß er sicher stellen muß, daß die Gläubigen nicht verwirrt werden, weil Seifert die Einheit der Kirche unterminiert.
Die Einheit der Kirche basiert auf der Wahrheit. Wenn die Katholische Kirche einem gläubigen Professor einen Lehrauftrag erteilt, dann weil sie dem unabhängigen Lehren traut. Solange seine Philosophie nicht der Lehre widerspricht, gibt es ein weites Feld für sein Lehren.

Das Mittelalter war hier Beispiel. Damals gab es äußerst lebhafte und tiefgehende Meinungsverschiedenheiten. Bei diesen Debatten zählte das Argument - nicht die autoritäre Entscheidung. Und es wäre niemandem in den Sinn gekommen, zu fragen, ob ein philosophischer Gedanke  mit der Meinung des damals regierenden Papstes überseinstimme."

MH
"Welches Signal sendet ein solches bischöfliches Urteil im Hinblick auf die akademische Freiheit im Allgemeinen sondern auch auf die Freiheit eines gut ausgebildeten Gewissens des einzelnen Katholiken im Speziellen aus? Kann ein Katholischer Akademiker immer noch Päpstliche Äußerungen auf kritische Weise diskutieren und sollte das möglich sein?"

RS:
"Im Licht des Urteils des Erzbischofs muß sich jetzt jeder Philosoph, der in einer kirchlichen Institution arbeitet, selbst fragen, ob er dort weiterhin arbeiten kann.
Auf jeden Fall ist das Eingreifen des Erzbischofs nicht mit dem  Respekt vor der akademischen Freiheit vereinbar.
Was Seifert kritisiert ist der Bruch mit der fortwährenden Lehre der Kirche und den audrücklichen Lehren der Päpste Pauls VI und Johannes Pauls II. Der Heilige Johannes Paul hat einmal in Veritatis Splendor ausdrücklich betont, daß es keine Ausnahme des Auschlusses wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten gibt. Papst Franziskus widerspricht der Lehre von Veritatis Splendor ebenso ausdrücklich."





MH
"Stimmen Sie Professor Seiferts Argument zu, daß die Behautpung in Amoris Laetitia (303) -nach der Gott manchmal von einem Menschen in einer irregulären ehelichen Situtation verlangen könnte in dieser objektiv sündigen Lage zu verbleiben (wie der, daß wiederverheiratete Geschiedene ihre sexuelle Beziehung beibehalten sollten, um ihre neue Beziehung zum Wohl der Kinder zu bewahren) generell zu moralischer Anarchie führen könnte und daß danach kein Moralgesetz (z.B. gegen Abtreibung und künstliche Empfängnisverhütung) vor liberalisierenden Ausnahmen zu retten ist?"

RS
"Ich kann Professor Seiferts Argument nur zustimmen. Was er verurteilt ist die moral-philosophische Theorie des Konsequentialismus; soll heißen, die Lehre, die besagt, daß die Ethike einer Handlung auf der Gesamtheit der aktuellen und der vorhersehbaren Konsequenzen basiert und daß es keine Handlungen gibt, die immer schlecht sind.
Seifert nennt auch einige Beispiele: Abtreibung, Empfängnisverhütung etc, eingeschlossen Ehebruch.

Übrigens - ich muß einen Fehler in Seiferts  Essay erwähnen: er spricht von Handlungen, die -unabhängig vom Kontext- immer gut sind. Schon der Hl. Thomas widerspricht dieser Ansicht. Und jeder kann Handlungen nennen, die immer schlecht sind, aber keine, die immer gut sind. In diesem Zusammenhng ist es wert, die folgenden Worte von Boethius zu zitieren, auf die sich Thomas oft bezieht: "Bonum ex integra causa, malum ex quoque defectu" ("Eine Handlung ist gut, wenn sie in jeder Hinsicht gut ist, falsch ist sie, wenn nur ein  Aspekt falsch ist")"

MH
"Im April 2016 haben Sie vorhergesagt, daß Amoris Laetitia die Kirche spalten wird. Wie sehen Sie die Situation der Kirche jetzt, mehr als ein Jahr später und nachdem mehrere Bischofskonferenzen ihre eigenen pastoralen Leitlinien zu "Amoris Laetitia" veröffentlicht haben?"

RS
"Die Spaltung der Kirche Amoris Laetitia betreffend hat bereits stattgefunden. Verschiedene Bischofskonferenzen haben sich widersprechende Leitlinien veröffentlicht. Die armen Priester werden allein gelassen."

MH
"Sie und Professor Seifert waren Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben in Rom auf Lebenszeit und sind jetzt beide aus diesem Amt entfernt worden. Haben Sie eine Idee,, warum Sie beide auf diese ungewöhnliche Weise aus diesem wichtigen Amt entfernt wurden?"

RS
"Ich habe die PAV gemäß den Statuten mit dem Erreichen der Altersgrenze von 80 Jahren verlassen. Seifert aber, wurde entgegen den Statuten aus seinem Amt entlassen. Warum? Die Antwort ist einfach.
Seifert ist auch ein Kritiker der Theorie des Konsequentialismus, die der Papst selbst lehrt. Und in Rom werden oppositionelle Meinungen nicht mehr toleriert. Es brauchte keinen Vaticanexperten, um zu sehen, daß Kardinal Müller, Präfekt der Glaubenkongregation, sein Amt innerhalb kurzer Zeit verlassen werden müsse."

MH
"Stimmen Sie als Philosoph im Zusammenhang mit den neuen Lehren, die aus Rom kommen besonders im Kontext mit dem neuen "Johannes Paul II Institut für die Wissenschaft von Ehe und Familie" dem philosophischen und anthropologischen Argument zu, daß neue soziale Entwicklungen Veränderungen der Moralgesetze nach sich ziehen müssen? Im Zusammenhang moderner wissenschaftlicher Erkenntnisse behaupten Leute heute oft, man habe in Biblischen Zeiten nicht gewußt, daß Homosexualität eine biologische Neigung ist, und daß deshalb heute die Morallehre entsprechend angepaßt und liberalisiert werden müsse. Stimmen Sie einem solchen "wissenschafltichen" Argument zu?"

RS
"Nein.
Die Prinzipien des Moralgesetzes sind immer und überall gleich - die Anwendung kann sich ändern. Wenn es ein Staatsgesetz gibt, nach dem alte Menschen mit ernsten Erkrankungen getötet werden dürfen, ist das immer und überall anwendbar. Die Frage wie das Töten durchgeführt wird, hängt von den Gebräuchen und der jeweiligen Zeit ab, hat aber keinen Einfluss auf das Moralgesetz - weil der Mensch immer Mensch bleibt.

Wenn es eine vorherrschende Meinung gibt und diese vorherrschende Meinung dem Moralgesetz, dem Wesen des Menschen widerspricht, ist die gesamte Gesellschaft in einem beklagenswerten Zustand. Die Christen der Frühzeit haben sich nicht der vorherrschenden Sicht der Moral angepaßt.
Ihre Nachbarn haben sie dafür bewundert. Wenn über Chrisgten geprochen wurde, haben die Leute sie dafür gepriesen, ihre Kinder nicht zu töten.

Das Wort des Hl. Petrus: "Man muß Gott mehr gehorchen als dem Menschen"  gilt immer noch. Eine Kirche, die den Weg der Anpassung wählt, wird nicht missionarisch wirken können. Der Ordensgeneral der Jesuiten sagt jetzt, man müsse die Worte Jesu gemäß unserer Zeit neu interpretieren.

Besonders im Hinblick auf die Ehe aber entspricht diese Art der "Kontextualisierung der Worte Jesu" nicht mehr mit der Strenge Jesu überein, weil das Gebot, das Ehebruch verbietet von den Jüngern als sehr schwerwiegend empfunden wird " Wer würde dann noch heiraten wollen?"

MH
"Was ist dann im Kontext dieser laufenden Debatte über das Moralgesetz noch die Wahrheit?"

RS
"Die Frage "Was ist Wahrheit?" ist die Antwort von Pilatus auf das Wort Jesu: "Deshalb bin ich geboren und in die Welt gekommen, damit ich Zeugnis für die Wahrheit ablegen kann," "Ich bin die Wahrheit."

MH
"Welche Kirchenlehre sehen Sie als die meistignorierte an?"

RS
"Höchstwahrscheinlich die über das Verbot des Ehebruchs"

MH
"Was würden Sie heute einem Priester sagen, der jetzt mit der Forderung konfrontiert wird, den wiederverheirateten Geschiedenen die Hl. Kommunion zu spenden, was sie nicht mit ihrem eigenen Gewissen vereinbaren können? Was, wenn sie dann wegen ihres Widerstandes aus ihrem Amt entlassen werden?"
RS:
"Ich würde gern mit den Worten von Weihbischof Athanasius Schneider antworten:

"Wenn Priester und Laien der unveränderlichen und immerwährenden Lehre und Praxis der gesamten Kirche treu bleiben stehen sie in Kommunion  mit allen Päpsten, orthodoxen Bischöfen und Heiligen von 2000 Jahren - insbesondere mit dem Hl. Johannes dem Täufer, dem Hl.Thomas Morus, dem Hl. John Fisher und der unendlichen Zahl verlassener Eheleute, die ihrem Eheversprechen treu geblieben sind und ein Leben in Enthaltsamkeit akzeptiert haben, um Gott nicht zu beleidigen.
Die konstante Lehre in diesem Sinn und dieser Bedeutung (eodem sensu eademque sententia [Vaticanum I] ) und die entsprechende Praxis von 2000 Jahren sind mächtiger und sicherer als die misstönenden  Stimmen und die Praxis, reuelose Ehebrecher zur Hl. Kommunion zuzulassen, sogar wenn diese Praxis von einem einzelnen Papst oder einem Diözesanbischof gefördert wird [....]
Es bedeutet, daß die gesamte Katholische Tradition bestimmt und mit Sicherheit gegen fabrizierte und kurzlebige Praktiken urteilt, die in einem wichtigen Punkt dem gesamten Lehramt aller Zeiten widerspricht. Diejenigen Priester, die jetzt von ihren Vorgesetzten gezwungen würden, öffentlichen und reuelosen Ehebrechern, oder anderen öffentlichen und bekannten Sündern die Hl. Kommunion zu spenden, sollten ihnen in der heiligen Überzeugung antworten: "Unser Verhalten ist das Verhalten der gesamten Katholischen Welt während 2000 Jahren."

Vor kurzem besuchte mich ein afrikanischer Priester, der mich mit Tränen in den Augen das selbe fragte. Das Gebot "Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen" betrifft auch die Lehre der Kirche. Wenn der Priester überzeugt ist, daß er den "wiederverheirateten Geschiedenen" die Hl. Kommunion nicht geben darf, dann muß er em Wort Jesu und der 2000-jährigen Lehre der Kirche folgen. Wenn er deswegen suspendiert wird, wird er ein "Zeuge für die Wahrheit".

MH:
"Was würden Sie- mit all Ihrer Weisheit und Lebenserfahrung und auch als jemand, der unter dem Nationalsozialismus  aufgewachsen sind- allen Katholiken in dieser aktuellen und schwierigen Situation raten? Was wäre sozusagen Ihr Testament für alle die Menschen in der Welt, die Ihre Stimme sehr ernst nehmen und Ihre Worte begierig aufnehmen?"

RS:
"Es war während der Nazizeit leichter ein glaubenstreuer Christ zu sein als heute."

Quelle: OnePeter Five, Maike Hickson, Robert Spaemann


3 Kommentare:

  1. "Es war während der Nazizeit leichter, ein glaubenstreuer Christ zu sein, als heute."
    Das muß ich erst mal auf mich wirken lassen.

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    1. Etwas ähnliches hat uns Kardinal Meisner in einer Katechese einmal über die DDR berichtet. Der Druck kam von den Nicht-Katholiken, was bei den Katholiken zu mehr Zusammenhalt und mehr Gebet führte.
      Heutzutage ist man eher geneigt, den Meinungen des ZDK anzuschleißen und sich trotzdem als katholisch zu bezeichnen. Wer aber am Glauben und seinen Wahrheiten festhält, wird von den "eigenen Leuten" angegriffen. Beispiele dafür gibt's genug.

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    2. ch habe diesen Satz so, oder ähnlich schon öfter gehört und halte ihn für Unfug, bzw unzulässige Romantik.
      Natürlich ist es leichter bei klaren Fronten sich zu positionieren, aber sooooo klar, wie man retrospektiv tut, waren die Fronten nun auch wieder nicht.
      Und schlechte Zeiten will niemand haben und die meisten derjenigen die von vergangenen, schlechten Zeiten schwärmen, weil der Glaube da angeblich einfacher war, sind, doch bei Licht betrachtet, froh, dass diese Zeiten vorbei sind.

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