Dienstag, 18. Dezember 2018

A. Gagliarducci zum Stand der Kurienreform

In seiner wöchentlichen Kolumne bei "Monday in the Vatican" analysiert und kommentiert A.  
Gagliarducci den Stand der Dinge bei der Kurienreform und ihren offensichtlichen Stillstand.
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"PAPST FRANZISKUS - DIE REFORM AM SCHEIDEWEG" 

"Es ist offiziell: das letzte Treffen des Kardinalsrates, wo wie Papst Franziskus ihn ursprünglich gestaltet hat, fand im September statt. Es gab eine Reihe von Hinweisen: in der letzten Pressseveröffentlichung des Treffens wurde vom "fortgeschrittenen Alter" einiger der Mitglieder und der Notwendigkeit weiterhin über die Zusammensetzung des Rates nachzudenken, gesprochen; die Ernennung von Msgr. Marco Mellino zum Bei-Sekretär des Rates; und die Schlußmitteilung, dieden Fortschritt der Reform zeigte.

Wie es in diesem Pontifikat üblich ist, wurde das Ende des "alten" Kardinalsrates nicht durch eine institutionelle Entscheidung getroffen, sondern durch eine innere Entscheidung. Der Kardinalsrat ist eine Tatsache und wird wahrscheinlich in die neue Apostolische Konstitution "Praedicate Evangelium" aufgenommen, die die Struktur und die Kompetenzen der Römisschen Kurie neu definieren wird.  Ihre zukünftige Zusammensetzung aber muß erst noch festgelegt werden. Wird sie alle Kontinente repräsentieren? Wird es eine spezifizierte Quote von Kardinälen aus Rom geben, um einen kleinen Rat zu haben, der sich schnell versammeln kann, um in Kollegialität mit dem Papst Entscheidungen zu treffen? Werden die Kardinäle des Rates neun sein, oder wird die Zahl der Mitglieder erweitert?  Bis jetzt ist nichts entschieden worden. Papst Franziskus hat einfach drei der Mitglieder des Kardinalsrates für die Arbeit gedankt, die bisher gemacht worden ist: Laurent Mosengwo Pasinya, der dieses Jahr auch als Erzbischof von Kinshasa zurückgetreten ist, weil er die Altersgrenze überschritten hat;

Javier Franciscco Errazuriz überwältigt vom Mißbrauchsskandal in Chile; und George Pell, der vor einem Jahr nach Australien zurückkehrte, wo er sich einem schwierigen Prozess stellt. 

Kardinal Pell wurde an der Spitze des Wirtschaftssekretariates nicht ersetzt. Das ist ein Zeichen dafür, daß Papst Franziskus ihm vertraut. Kardinal Pell hat die Altergrenze überschritten, man hatte erwartet, daß er bis zum Alter von 77 Jahren im Amt bleiben würde, aber wahrscheinlich wird er nicht ersetzt, bevor nicht zumindest der erste Teil der juristischen Situation geklärt ist. Ihn jetzt zu ersetzen, würde bedeuten, daß der Hl. Stuhl an die Vorwürfe gegen ihn glaubt, oder sie zumindest als legitim akzeptiert. Am Ende zeigt der Papst Vertrauen in Kardinal Pell. 



Der Kardinalsrat besteht jetzt aus sechs Mitgliedern. Jedoch haben sich nur fünf getroffen, weil Kardinal Parolin in Marrakesch war, wo er die Vaticanische Delegation beim internationalen Treffen zum Migrations-Pakt anführte. 
Beim Treffen der fünf wurde die allgemeine Lage der Reform diskutiert, man traf sich mit dem neuen Nebensekretär und es wurde eine neue Diskussion über eine mögliche Anpassung der apostolischen Konstitution gestartet, um sie dem Kanonischen Recht anzupassen. 

Hauptthema der Diskussion ist immer Geld. Papst Franziskus erste große Reform war eine Reform der Wirtschaft, um die Bilanz auszugleichen und den Profit zu maximieren. Das war die Reform Kardinal Pells. Diese Reform sah auch einen Generalauditor und die Einrichtung eines Managements des Vatican-Vermögens-Fonds vor, um Einkünfte zu generieren, sowie eine Kommission zur Reform der Pensions-Fonds. Die Kommission wurde eingerichtet, aber es gab keine Nachrichten über stattgefundene Treffen oder Beschlüsse.

Die "Pell-Reform" konnte am Ende nicht wirklich funktionieren. Aus verschiedenen Gründen.
Erstens weil von Anfang an gedacht wurde, daß das finanzielle Hauptproblem bei der IOR liege. Das Institut arbeitet immer noch und verteidigt sich gegen sein "gemischtes Image", unterstreicht positive Ergebnisse bei der Überprüfung der Guthaben und der Bestrafung alter Mitarbeiter wegen Mißmanagements von Fonds. 

Wahr ist, daß der Überprüfungsprozess unnötig teuer war. Das IOR hat externe Berater wie die Promontory Financial Group angeworben und die Berater haben einen Prozess beendet, der lange zuvor begonnen hatte, wie der Moneyval- Bericht von 2012 bewies. 
Außerdem sind viele der alten Investitionen aufgegeben worden und neue finanzielle Engagements wurden begonnen, während die alten abgewickelt wurden. 
Dann wurde das alte Management verteufelt. Seltsamerweise war die Leitung des IOR nie in irgendetwas Umstrittenes verwickelt und wurde nie in Frage gestellt. Dennoch sanken die Gewinne.

Am Ende war das eigentliche Thema nicht das IOR, weil das Institut nur eine relativ bescheidene Geldmenge managt. Beweisend dafür ist die Reform der Verwaltung des Vatican-Staates, die dem Kardinalsrat während ihres Treffens vom 10. -12. Dezember präsentiert wurde. 

Wie für Papst Franziskus´ Reformen üblich, institutionalisiert das neue Gesetz die Dinge, die bereits  eingeführt wurden und zur selben Zeit führt es einige Neuerungen ein, die erste noch verstanden werden müssen. Eine dieser Neuerungen ist die Tatsache, daß keine Abteilung selbständig Entscheidungen treffen kann, also ohne die Oberen zu fragen.

Das bringt eine zentrale Kontrolle des Managements mit sich. Die war nötig und wichtig, wenn man  einige der skandalösen Beschuldigungen gegen den Hl. Stuhl, der in das Managements des Vatican-Staates verwickelt war- bedenkt: die erste Vatileaks-Affäre entstand aus Msgr. Carlo Maria Viganòs Whistle-blowing darüber, wie die Ausgaben des Governatorato gehandhabt wurden. 

Wahrscheinlich hätte die Reform der Vatican-Wirtschaft eine größere Wirkung gehabt, wenn sie nicht als Revolution gemanagt worden wäre. Z.B. wenn die Entscheidung getroffen worden wäre, die Präfektur für Wirtschaftliche Belange Kardinal Pell anzuvertrauen (am Ende besteht sie formal immer noch) und die Übersicht über das Governatorato mit einem motu proprio.

Das ist eines der Hauptprobleme bei der Reform. In vielen Fällen genügten einige Anpassungen und Verbesserungen ohne Revolution. das Haus muß nicht abgerisse, sondern nur verstärkt werden.

Die revolutionäre Vision hat sich mit der Zeit verändert- auch Dank Kardinal Pietro Parolin, dem Staatssekretär. Ursprünglich aus dem Kardinalsrat ausgeschlossen, hat er Beiträge geliefert und geduldig versucht, die Dinge zu normalisieren. Als er das tat, hat er institutionelle Werkzeuge benutzt und Papst Franziskus gebeten, Dokumente zu verfassen. Weiche Dokumente (rescripti ex audientia, Briefe)- aber dennoch Dokumente.

Der Übergang zu institutionelleren Modellen begann- nicht zufällig- als Kardinal Parolin Besitz vom Staatssekretariat ergriff.  Laut der anfänglichen Pläne, sollte das Staatssekretariat zumindest in verschiedene Teile unterteilt werden. Jetzt hat es wieder eine zentrale Rolle inne und es wurde eine dritte Abteilung eingerichtet.

Zwischen externen Beratern, Versuchen und Fehlern und einer "Reform im Gehen" suchte die Kurie nach einer Rationalisierung, die niemals stattfand. Das Verschmelzen von Dikasterien erforderte eine größere Spezialisierung und neue Kompetenzen. Das ist der Grund, aus dem die Einfrierung von Einstellungen, die 2014 beschlossen wurde, oft umgangen wurde.

Aber Geld ist immer noch das Problem. Zwei Weltanschauungen prallen aufeinander. 
Auf der einen Seite die angelsächsische Manager-Perspektive -  besonders auf der deutschen Seite die im Kardinalsrat von Reinhard Marx repräsentiert wird. Kardinal Marx hat Mehr-Jahres-Budgets gefordert, 5-Jahrens-Budgets im voraus und alles was nötig war, um finanzielle Entscheidungen zu professionalisieren. 

Auf der anderen Seite der Zugang des Hl. Stuhls. Für den Hl.Stuhl gibt es auf keinem Gebiet eine auf Risiken beruhende Zugangsweise. Geld wird dahin geschickt, wo es gebraucht wird und die Orte, wo es gebraucht wird, sind Länder ohne zuverlässiges Bankensystem- aber mit vielen Missionaren, die finanzielle Unterstützung brauchen. Ebenso schließt die Diplomatie keine Abkommen mit freundlichen Staaten, sondern schaut eher auf die Plätze, wo ein Abkommen riskanter ist und die Herde geschützt werden muß. Das ist die Rationale hinter dem vertraulichen Abkommen mit China über die Ernennung von Bischöfen. 

Heute sehen wir uns einer unlogischen Situation gegenüber: wir stehen vor einer nach außen gerichteten und missionarischen Kirche. die sich auf gefährliche Ebenen -dem Ruf von Papst Franziskus folgend- zubewegt. Diese selbe Kirche ist willens, Geld auf eine weltliche sowie notwendige Weise zu handhaben. 
Papst Franziskus´ Reform  steckt jetzt in einer eher ideologischen als pragmatischen Sackgasse. Das ist kein kleines Problem und erklärt den offensichtlichen Stillstand, der von außen wahrgenommen wird. 

Papst Franziskus selber hat die Entscheidung getroffen, zu warten. Die Zahl der Mitglieder des Kardinalsrates ist reduziert worden, weil die Kardinäle mehr oder weniger ihre Arbeit getan haben.
Die erwartete Umverteilung wird wahrscheinlich kommen, wenn die neue Konstitution präsentiert wurde. Das Thema Geld wird immer noch offen sein. Das ist ein derart wichtiges Thema, daß es sowohl der Kardinalsrat als auch das Treffen der Leiter der Dikasterien diskutieren müssen. 

Wie wird Papst Franziskus diese Situation lösen? Wird er die Seite des Managements ergreifen oder wird er die Rationale einer missionarischen Kirche weiter verfolgen? Und -vor allem- wird er die Rt zu regieren ändern und um Hilfe beim Management des Hl. Stuhls bitten, das eine so komplexe Aufgabe ist? 

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci 


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