Montag, 7. September 2020

Fr. Hunwicke spricht...

heute bei liturgicalnotes noch einmal (zuerst 2015) über Louis Boyer, der in seinen Memoiren über die Entstehung der Neufassung des zweiten Hochgebetes in den 60-er Jahren berichtete.
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"BOUYER"
(zuerst am 24. April 2015 veröffentlicht) 

"Louis Boyer, der hervorragende Liturgiewissenschaftler und begnadete Autor und
Lehrer der 50er und 60er Jahre hat in seinen Memoiren (2014 erstmals auf Französisch
veröffentlicht) von seiner Mitwirkung an der Entstehung des 2. Hochgebetes
berichtet. Ein guter Freund ließ mir (das war vor Erscheinen der englischen
Übersetzung 2015 bei Angelico) einige Auszüge aus dem französischen Text
zukommen.
Bouyer war in die Unterkommission berufen worden, die den Auftrag hatte, ein neues
Missales zu erfinden, und wollte die Arbeitsgruppe sofort wieder verlassen, als er die
bis dahin erstellten Entwürfe gesehen hatte. Aber Dom Bernard Botte überredete ihn,
dabei zu bleiben – und sei es nur, um das Schlimmste zu verhindern. Und Boyer war
einverstanden. Im folgenden meine eigene vermutlich ungenaue (Korrekturen werden
gerne entgegen genommen) Übersetzung der Passagen, in denen Boyer schildert, wie
sie das zusamengeleimt hatten, was dann unglücklicherweise zum meistgebrauchten
Hochgebet der westlichen Kirche im vergangenen halben Jahrhundert geworden ist:
Das II. Hochgebet, von dessen älteren Teilen man in den 60er Jahren annahm, daß sie
auf einen frühen römischen Autor mit Namen Hippolytus zurückgingen.

Sie können sich vorstellen, unter welchen beklagenswerten Bedingungen diese in
unwürdiger Hast vorangetriebene Reform stattfand, wenn ich Ihnen erzähle, wie das
Zweite Eucharistische Hochgebet zusammengestückelt worden ist.
Auf der einen Seite
gab es die Fanatiker, die wild und völlig beliebig herum-archäologisierten und die am
liebsten die (einleitenden) Anrufungen und das (abschließende) Sanctus ganz verbannt
hätten, um das Gebet des Hippolytus, wie es war, zu übernehmen. Auf der anderen die,
denen dessen angebliche „Traditio Apostolica“ völlig schnuppe war, und die nur eine
irgendwie zusammengeschusterte Messe wollten. Und so wurden Dom Botte und ich
beauftragt, einen Text unter Einschluss dieser tatsächlich sehr alten Elemente
zusammenzustellen – und zwar bis zum nächsten Morgen!
Zufällig fand ich in einem Text, der vielleicht von Hippolytus selbst war, jedenfalls in dessen Stil, eine passende Formulierung über den Heiligen Geist, die einen Übergang in Art des Vere
sanctus zu einerkurzen Epiklese bilden konnte. Botte seinerseits fabrizierte Anrufungen, die
eher den literarischen Parodien von Paul Reboux (einem Satiriker der Belle Epoque und
Verfasser witziger Imitationen) zur Ehre gereicht hätten als seine eigenen
wissenschaftlichen Sachkenntnis. Und jedesmal, wenn ich diese unerhörte
Zusammenstellung lese, muß ich an die Terrasse des Bistros in Trastevere denken, wo
wir an dem uns zugewiesenen Auftrag arbeiteten, damit wir uns mit einem Ergebnis in
Händen zu der von unseren Chefs bestimmten Zeit an den Bronzetoren des Vatikans
einstellen konnten.“




[Botte selbst erinnerst sich in seinen Memoiren, daß die Unterkunft, in der er logierte,
so voll mit roten und purpurnen Soutanen war, „denen ich nur dadurch entkommen konnte,
daß ich meine Mahlzeiten in den kleinen öffentlichen Restaurants der nahegelegenen Straßen einnahm“.]
Ich bin sehr dankbar – und ich weiß, Sie sind es auch – daß das Trastevere der 60er
Jahre so viel respektabler war als es eine Generation vor der Zeit Bouyers gewesen
sein soll, sonst hätte unser anzüglicher Berichterstatter vielleicht auf die Idee kommen
können, das 2. Hochgebet als eine illegitime Frucht, entstanden bei den
Freudenmädchen des Trastevere, zu bezeichnen. Wußte ich‘s doch, daß Sie dann
entsetzt gewesen wären!
Jedenfalls ist es eine Schande, daß Bouyer keine Auskunft darüber gibt, welches
Bistro sich der Ehre rühmen kann, Schauplatz dieses historischen Augenblicks der
Liturgiegeschichte gewesen zu sein. Hätte er das getan, so könnten Fans auch heute
noch auf den Gedanken kommen, dort eine feierliche liturgische Kommemoration in
Anwesenheit des Papstes zur Entstehung dieses bescheidenen kleinen Gebetes zu
veranstalten, und der armen Guido Marini wäre der Zermonienmeister und machte ein
Gesicht wie geronnene Milch.
Und Clio hätte es als ihre Pflicht erachten müssen, uns den Namen des Kellners zu überliefern,
der bereitwillig die unentbehrlichen Drinks herbeischaffte .. er hatte ja keine Ahnung,
welche entscheidende Rolle er bei der Zerstörung des Gottesdienstes der Lateinischen Kirche
für die nächsten (wieviele eigentlich?) Generationen spielen sollte.
Und wenn doch Bouyer wenigstens die Speisekarte abgeschrieben hätte – dann hätten wir
doch wenigstens eine erfreuliche Ablenkung für das nächste Mal, wenn wir gezwungen sind,
an einer „Mein Gott – aber es ist wenigstens gültig und ich erfülle meine Sonntagspflicht“-
Feier des Höchsten Opfers teilzunehmen. (Statt dessen kann man sich auch überlegen, wie
man den Zelebranten beim Verlassen der Kirche höflich darauf hinweisen soll, daß das 2.
Hochgebet nach der Institutio Generalis nicht für die Verwendung an Sonntagen
bestimmt ist. Doch wie Michael Caine zu sagen pflegte: „Viele Leute wissen das
nicht“.)
Der nächste Abschnitt beginnt dann damit, daß Bouyer uns darüber informiert, daß das
Kalendarium des NO das Werk eines „Trios von Wahnsinnigen“ war. Erzbischof
Bugnini bezeichnet er er als „verachtenswert“ und als jemandem, der „weder Kultur
noch Ehre“ besessen habe - "meprisable" unr "aussi depourvu de culture que de
simple honnetete“ - was einerseits meine Schulkenntnisse im Französischen deutlich
übersteigt oder andererseits meinem angelsächsischen Sinn für das „de mortuis nisi
bene“ widerspricht, ich weiß nicht, was von beidem. Es ist nicht leicht, Engländer zu
sein."

Quelle: liturgicalnotes, Fr. J.Hunwicke

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