Donnerstag, 18. November 2021

Comunione e Liberazione, ein päpstliches Dekret und die "Bewegungen"

Antonio Socci kommentiert bei  LoStraniero die aktuelle Entwicklung bei "Comunione e Liberazione". 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"DIE KIRCHE KORRIGIERT COMUNIONE E LIBERAZIONE, UM DER  BEWEGUNG ZU HELFEN, DAS CHARISMA VON GIUSSANI WIEDERZUFINDEN; WIRD DAS GELINGEN?"  

"Gestern ist Don Julian Carron als Präsident der Bruderschaft Comunione e Liberazione zurückgetreten. Das war ein unerwarteter Beschluss, weil das Dekret des Hl. Stuhls zu den Gläubigen-Vereinigungen" vom vergangenen 11. September ihnen zwei Jahre Zeit gegeben hat (bis Ende September 2023), um die Aufgaben der Leitung der Bewegungen zu erneuern. Dieses Dekret sieht für dieseÄmter "eine Höchstdauer von 10 Jahren"vor und weil Carron seit dem Tod Don Giussanis (2005 )ihr Präsident war, konnte er nicht mehr wiedergewählt werden. 

Der Hl. Stuhl wollte diese "Begrenzung der Regierungsämter" bei allen Bewegungen wie man im Erklärungsschreiben des Vaticans lesen kann- "wegen des völligen Fehlens solcher Begrenzung, was nicht selten bei denen in die Leitung Berufenen zur Aneignung des Charismas, Personalismus und Konzentrierung der Machtbefugnisse -als Ausdruck von Selbstbezogenheit führte." 

Papst Bergoglio hat bei einer kürzlichen Begegnung mit den Bewegungen hinzugefügt:"Wir tappen in die Falle der Untreue, wenn wir uns anderen als die einzigen Interpreten des Charismas, als einzige Erben unserer Vereinigungen und Bewegungen präsentieren."

Carron hätte bis Ende September 2023 bleiben können, hat aber beschlossen, "in diesem so delikaten Augenblick im Leben der Bewegungen zurückzutreten, um zu ermöglichen, daß der Führungswechsel, zu dem uns der Hl. Vater gerufen hat, sich in der Freiheit abspielen kann, die ein solcher Prozess erfordert." Eine noble Geste, die den Ernst der Lage erkennen läßt. Für CL ist dies ein historischer Moment, weil er - wie die anderen Sätze - dazu aufgerufen ist, "die Treue zum Charisma" neu zu entdecken, wie es in der Begründung des Heiligen Stuhls heißt. Tatsächlich ist das typische Charisma von CL ihre Originalität, ihre missionarische Frische und die soziale Wirkung des Christentums, die in Giussanis Jahren offenbar waren, in den letzten Jahren getrübt worden. Und die Kirche möchte, daß CL über die mütterliche Korrektur nachdenkt, um den Weg mit einer neuen Führung fortzusetzen.

Historisch gesehen, betrat Comunione e Liberazione um 1969 die öffentliche Bühne, genau in den schrecklichsten Jahren für das Land und die Kirche. Jeder war sofort erstaunt über das explosive  Aufblühen von CL gerade in der Welt der jungen Leute - Universitäten und Schulen - die die exklusive Domäne extremistischer Gruppen und ihrer Ideologien zu sein schien.


Diejenigen, die inzwischen den Tod Gottes und das Ende der Kirche verkündet hatten, sahen sich mit einer soziologisch unerklärlichen Tatsache konfrontiert: auf dem Höhepunkt der Entchristlichung, innerhalb der Generation von '68, entdecken plötzlich tausende junger Menschen, die durch den Studentenprotest gegangen sind, das Christentum, und nehmen es an, verbreiten wie eine Ansteckung die mächtige Faszination Jesu Christi, in Treue zur Kirche, durch ein Netzwerk starker Freundschaften, voller Kreativität und kultureller Initiativen und Solidarität.

Einige externe Beobachter haben gesagt, daß Comunione e Liberazione in diesem historischen Moment die Demokratie gerettet hat (sagen wir zumindest, daß sie dazu beigetragen haben, sie zu retten), weil sie – obwohl sie so viel Aggression und Gewalt ausgesetzt war – das Recht der Katholiken auf eine öffentliche Präsenz in Universitäten, Schulen und Fabriken verteidigt hat und so die Freiheit aller und den Pluralismus.

In den folgenden Jahren fügten einige hochrangige Geistliche sogar hinzu, daß CL die Kirche gerettet habe, aber das Verdienst für diese Rettung gebührt dem Heiligen Geist, der - neben der Erweckung der neuen Bewegungen - indem er einen jungen und außergewöhnlichen, aus dem Osten kommenden Kardinal: Karol Wojtyla, zum Papsttum führte. 
Die Harmonie und Zuneigung zwischen CL und Johannes Paul II. waren unmittelbar und tiefgreifend. Die von der Kirche aufgenommene Bewegung explodierte in einer aufregenden Blüte. 
 
Die Präsenz von CL, verwurzelt in der Welt der Jugend, beeinflusste in den 80er und 90er Jahren alle Bereiche der Gesellschaft und machte den katholischen Glauben zu einem Ereignis in den Medien, in der Kultur, in der Wirtschafts- und Arbeitswelt, in der Politik (und erreichte am Ende die Führer der fortschrittlichsten und modernsten Region des Landes und Europas). Eine Präsenz, die das Dogma der Soziologie auf den Kopf stellte, wonach Moderne gleichbedeutend mit Entchristlichung sei.
Man kann sagen, dass CL die am meisten gehasste und am meisten angegriffene katholische Bewegung und doch auch die interessanteste für die säkulare Welt war: Es ist kein Zufall, daß die Kolumnen der CL-Wochenzeitung "Il Sabato" intellektuelle Kolumnen mit den unterschiedlichsten Ideen enthielten, von links bis rechts:

Viele haben die Originalität von CL in Frage gestellt. Sicherlich war CL weit entfernt vom Katholizismus der Kapitulation, der hinter den herrschenden Ideologien (der Linken) und hinter dem Mainstream herging (und geht): Die öffentlichen Urteile von CL haben immer die lügenhaften oder unmenschlichen oder bankrotten Aspekte der Moderne erfasst.
Vor allem aber indem sie versuchten, den Durst nach Wahrheit, Sinn und Glück zu verstehen und zu befriedigen, der auch in der Moderne und in den Menschen unserer Zeit mächtig geschürt wird. Ohne Vorurteile gegenüber irgendjemandem. Daher hat CL nie reaktionäre Positionen oder eine kindische Dämonisierung der Moderne eingenommen. 
Bedeutsam ist eine Seite von Charles Péguy, die Giussani in einem der "Flyer" von CL wiedergeben wollte: "Die Bosheit der Zeit gab es schon unter den Römern. Aber Jesus kam. Er hat seine Jahre nicht damit verschwendet, zu stöhnen und die Bosheit der Zeit in Frage zu stellen. Er kürzt es ab. Auf ganz einfache Weise. indem er das Christentum machte. Er fing nicht an, jemanden zu belasten, zu beschuldigen. Er erlöste. Er hat die Welt nicht beschuldigt. Er hat die Welt gerettet“. 

Das ist -wie man sieht-eine lange vergangene Feinfühligkeit jener Katholiken, die heute mit "Novax" gehen und die wirre Ideologie akzeptieren. 
Heute fühlt man das Fehlen dieser Originalität von CL - weil seit dem Giussanis Tod 2005, CL fast ganz verschwunden ist, sogar in den Schulen und Universitäten.
Es war sicherlich nicht leicht, Don Giussani nachzufolgen, insbesondere für einen spanischen Priester, der sich im Wesentlichen außerhalb der Geschichte der Bewegung befand..
Carron hat versuchtebestimmte militante Fehler zu korrigieren, das führte jedoch dazu, daß sich CL in eine individuelle psychologische Intimität zurückzog, die die öffentliche Wirkung und die missionarische Spannung der Bewegung vernichtete.
Tatsächlich war die Selbstbezogenheit auch in diesen Jahren bekannt und heute korrigiert die Kirche (auch) diesen Fehler und ruft CL dazu auf, ihr Charisma und ihren missionarischen Eifer wiederzufinden. So beginnt eine Geschichte von neuem."
Antonio Socci

Quelle: A. Socci, LoStraniero, 

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