Freitag, 8. April 2022

Corrispondenza Romana setzt sich mit den Hintergründen und Folgen der Marx/Hollerich-Äußerungen auseinander

Tommaso Scandroglio kommentiert bei Corrispondenza Romana  kritisch Hintergründe und Folgen der berüchtigten Aussage von Kardinal Marx zur traditionellen Morallehre der Kirche- die auf einer Umkehr der Beziehung zwischen Lehre und Pastoral zugunsten der Letzteren beruht. 
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MARX: "DER KATECHISMUS IST NICHT IN STEIN GEMEISSELT

"Der Katechismus ist nicht in Stein gemeißelt. Man kann auch bezweifeln, was er sagt." Ja, dieses Urteil ist in stein gemeißelt, stört, weil es von einem hohen Prälaten ausgesprochen wurde. ES handelt sich um Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und früherer Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz und Mitglied des Kardinalsrates, dazu berufen, um Papst Franziskus bei der Leitung der universalen Kirche zu unterstützen. 

Der oben zitierte heterodoxe Aphorismus bezieht sich auf Homosexualität und ist Teil des kürzlich vom Wochenmagazin veröffentlichten Interview des Purpurträgers. Marx erklärte zudem ganz unzweideutig, daß "die Homosexualität keine Sünde ist. Sie ist ein christliches Betragen, wenn zwei Personen, unabhängig vom Geschlecht, sich gegenseitig verteidigen -in Freude und im Schmerz. " Dem folgte die Forderung nach einer Veränderung der Lehre zu dieser Materie im Katechismus der Katholischen Kirche. Vor einiger Zeit verlangte auch Kardinal Jean-Claude Hollerich, Präsident der europäischen Bischofskonferenz eine doktrinale Änderung zum Thema Homosexualität.  Auf der selben Wellenlänge hat die Untersekretärin der Bischofssynode, Suor Nathalie Becquart am vergangenen 3. April eine Konferenz für das New Ways Ministry veranstaltet, für eine vor 23 Jahren von der Glaubenskongregation verurteilte LGBTQ_Organisation.

Die Beispiele von Spitzenvertretern in der Kirche zugunsten von Homosexualität könnten noch lange fortgeführt werden. Diese Positionen sind das Ergebnis einer Dynamik, die sowohl im kirchlichen als auch im anthropologischen Bereich identisch erscheint. Versuchen wir das besser zu erklären. Auf dem Gebiet der Lehre findet seit einiger Zeit- unter den Augen aller und immer wieder analysiert- eine Umkehrung des hierarchischen Verhältnisses zwischen Lehre und Seelsorge statt. Die Seelsorge ist nicht mehr von der Lehre beseelt, um je nach Zeit und Ort immer wirksamere Wege zu finden, die unvergängliche katholische Lehre in Anteilen abzusenken, sich um eine Inkulturation der Prinzipien der Moral und des Glaubens im Vergänglichen zu bemühen, universelles Wahres und Gutes im Besonderen zu konkretisieren. 

Der Kardinalgrundsatz, der seit jeher das Leben der Kirche bestimmt hat, lautet daher: es muss die Pastoral sein, die sich den Umständen besser anpasst, nicht die Lehre. Was nun das Thema Homosexualität betrifft, so ist es jedoch die Lehre, die sich ändern sollte, um sich an einen pastoralen Ansatz anzupassen, der der üblichen Lehre der Kirche nicht mehr treu ist. Die Seelsorge ordnet sich die Lehre unter und die soll durch sie inspiriert werden. Das ist schrittweise geschehen: Von der korrekten Aufnahme der homosexuellen Person sind wir zur obligatorischen Akzeptanz der Homosexualität übergegangen. Die pflichtbewusste Nächstenliebe gegenüber homosexuellen Menschen muss, um eine solche zu sein, dieselbe Person zum Wahren und Guten und damit zur Aufgabe homosexuellen Verhaltens führen. Stattdessen ist das Gegenteil eingetreten: eine gewisse Homosexuellen-Seelsorge will homosexuelle Menschen in ihrer Orientierung bestätigen, weil sie positiv, als evangeliumskonform beurteilt wird. Daher bittet die LGBT-Seelsorge um eine Änderung der Lehre in dieser Angelegenheit, weil sich die Seelsorge selbst bereits in einer Lehre ausgedrückt hat, sicherlich keiner katholischen.


Diese Umkehr der hierarchischen Verhältnisse zwischen Lehre und Pastoral im kirchlichen Bereich ist ein treuer Spiegel einer anderen Umkehrung der hierarchischen Beziehungen, die dagegen zwischen zwei Eigenschaften der Person auftritt: dem Intellekt und dem Willen. In der klassischen aristotelischen thomistischen Lehre sieht der Intellekt das Gute und bewegt dann den Willen, sich mit Taten an eben diesem Guten zu beteiligen. In dieser Dynamik lassen sich Intellekt und Wille nicht von Leidenschaften ablenken, die dem eigentlichen Wohl der Person zuwiderlaufen, sondern gehen, so könnte man sagen, geradeaus ihren Weg. Andererseits wird seit Jahrhunderten eine entgegengesetzte Dynamik gepredigt: Der Wille soll sich dem anpassen, wonach sich der sensibelste, emotionalste und leidenschaftlichste Teil sehnt, und das, was der Wille als Vergnügen und Nützlichkeit begehrt, muss der Intellekt als gut anerkennen.  

Der Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) hat dies in seinem Leviathan anschaulich erklärt : Gut und Böse sind Begriffe, die unser Begehren und unsere Abneigung bezeichnen." Die Vernunft steuert also nicht mehr den Willen, sondern orientiert sich an ihm, um alles Gewünschte als gut zu bestätigen und zu rechtfertigen, aus dem einfachen Grund, daß es angenehm oder nützlich ist. Zuerst der Wille und dann der Intellekt, also in Analogie zu dem oben Beschriebenen: zuerst die Seelsorge und dann die Lehre. Indem man also dieses hierarchische Verhältnis auf die Homosexualität anwendet, die den Intellekt als dienende Möglichkeit des Willens sieht, werden die als angenehm empfundenen homosexuellen Triebe durch den Willen unterstützt und der Intellekt bestätigt das Gewollte und beurteilt es als gut.

Die Äußerungen von Kardinal Marx und anderer Persönlichkeiten der katholischen Welt folgen dieser Argumentations-Logik ohne Logik, dieser involutiven  Dynamik, die im revolutionären Prozess keineswegs neu ist und die letztlich die von Gott gewollte Schöpfungsordnung umstürzen will, indem sie, wie gesagt, das Verhältnis von Lehre und Seelsorge und von Verstand und Willen umkehrt."

Quelle: T.Scandroglio, Corrispondenza Romana

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