Sonntag, 29. Mai 2022

Zensur im Vatican: was die deutschen Leser der offiziellen Übersetzung des Vaticans nicht lesen sollten...

Was hat den deutschen Übersetzern des Originaltextes der Katechese von Papst Franziskus bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch so mißfallen, daß sie sie massiv gekürzt haben? Diese Kürzung ist bei einem Vergleich mit den Übersetzungen in andere Sprachen leicht festzustellen.  
Hier die vom Vatican gelieferte deutsche Version, die aus 12 Zeilen besteht: - klicken

Hier zum Vergleich die italienische Version, die, wie auch z.B. die französische und englische, aus 40 Zeilen besteht:  klicken 
Und hier die Übersetzung des Gesamttextes

                              "KATECHESE ÜBER DAS ALTER"

 ... Bei unserer Überlegung über das hohe Alter- wir fahren damit fort, über das Alter nachzudenken- befassen wir uns heute mit dem Buch Kohelet, einem anderen Juwel der Bibel. Bei einem ersten Lesen überrascht dieses kurze Buch und läßt uns wegen seines berühmten Refrains " WIndhaiuch , der Refrain der immer wieder kommt und lautet alles ist Windhauch, alles ist Nebel, alles ist Rauch, alles ist Leere. Es überrascht, in der Hl. Schrift diese Ausdrücke zu finden, die den Sinn des Lebens in Frage stellen. Tatsächlich ist in Kohelet der ständige Wechsel zwischen Sinn und Nicht-Sinn die ironische Darstellung eines Lebensgefühls, das losgelöst ist von der Leidenschaft für Gerechtigkeit, deren Garant Gottes Gericht ist. Und der Schluss des Buches weist auf den Ausweg aus der Prüfung hin: "Fürchtet Gott und haltet seine Gebote; denn das ist die ganze Pflicht des Menschen“ (12:13). Dies ist der Rat, um dieses Problem zu lösen.

Angesichts einer Realität, die uns zu gewissen Zeiten alle Widersprüche aufzunehmen scheint und allen das gleiche Schicksal zuschreibt, das im Nichts enden soll, mag uns der Weg der Gleichgültigkeit auch als einziges Heilmittel gegen eine schmerzhafte Desillusionierung erscheinen. In uns steigen Fragen wie diese auf: haben unsere Bemühungen vielleicht die Welt verändert? Ist jemand in der Lage, den Unterschied zwischen dem Gerechten und dem Ungerechten zu bestätigen? Es scheint, daß dies alles nutzlos ist…. Warum sich so viel Mühe geben?


Das ist eine Art negative Intuition, die sich in jedem Lebensalter einstellen konnte, aber es gibt keinen Zweifel, daß das Alter diese Begegnung mit der Enttäuschung fast unausweichlich macht. Enttäuschung kommt im hohen Alter. Und so ist der Widerstand des Alters gegen die demoralisierende Wirkung entscheidend. Wenn die Älteren, die das jetzt alles gesehen haben, ihr Leidenschaft für die Gerechtigkeit behalten, gibt es Hoffnung für die Liebe und auch für den Glauben. Und für die zeitgenössische Welt, die diese Krise durchmacht, eine Gesundheitskrise, die essentiell geworden ist. Warum? Weil in einer Kultur, die annimmt alles messen und manipulieren zu können, auch zu einer kollektiven Demoralisierung des Sinns, einer Demoralisierung der Liebe und sogar Demoralisierung des Guten führt. 

Diese Demoralisierung nimmt uns den Willen zu handeln. Eine vermeintliche „Wahrheit“, die sich auf die Beobachtung der Welt beschränkt, vermerkt auch ihre Gleichgültigkeit gegenüber Gegensätzen und überlässt sie ohne Erlösung dem Lauf der Zeit und dem Schicksal des Nichts. In dieser Form – verkleidet mit wissenschaftlichem Drumherum, aber auch sehr unsensibel und sehr amoralisch – war die moderne Wahrheitssuche versucht, sich gänzlich von der Leidenschaft für die Gerechtigkeit zu verabschieden. Sie glaubt nicht mehr an ihre Bestimmung, ihre Verheißung, ihre Erlösung.

Weil unsere moderne Kultur, die gern alles dem exakten Wissen von den Dingen, dem Erscheinungsbild dieser neuen, zynischen Vernunft widmet, die Wissen und Verantwortungslosigkeit kombiniert- eine schwere Erschütterung. Tatsächlich scheint das Wissen, das uns von der Moral ausnimmt zuerst eine Quelle für Freiheit, für Energie zu sein, verwandelt sich aber bald in eine Lähmung der Seele. 

Mit seiner Ironie hat Kohelet bereits diese tödliche Versuchung von Allmacht und Wissen- ein "Delirium von Allwissen"- demaskiert, die die Impotenz des Willens bewirkt. Die Mönche der ältesten christlichen Tradition haben diese Krankheit der Seele genau identifiziert, die p,ötzlich die Eitelkeit des Wissens ohne Glauben und ohne Moral entdeckt, die Illusion von Wahrheit ohne Gerechtigkeit. Sie nannten sie "acedia". Und das ist eine der Versuchungen für jeden, sogar für die Älteren. Aber es ist eine Versuchung für jeden. Die ist nicht nur Faulheit; nein, sie ist mehr als das. Es ist nicht einfach nur eine Depression. Nein, eher ist acedia die Kapitulation vor dem Wissen von einer von jeder Leidenschaft für Gerechtigkeit und entsprechendes Handeln entleerten Welt. 

Die Sinn- und Kraftlosigkeit, die dieses Wissen eröffnet, das jede ethische Verantwortung und jede Neigung zum eigentlichen Guten ablehnt, ist nicht harmlos. Sie nimmt nicht nur dem Verlangen nach dem Guten die Kraft, sondern öffnet durch Gegenreaktion der Aggressivität der Mächte des Bösen Tür und Tor. Das sind die verrückt gewordenen Kräfte der Vernunft, zynisch gemacht durch ein Übermaß an Ideologie. Tatsächlich sind wir bei all unserem Fortschritt, bei all unserem Wohlstand wirklich zu einer Gesellschaft der Müdigkeit" geworden. Denken Sie darüber nach: Wir sind die Gesellschaft der Müdigkeit. Wir waren dazu bestimmt, ein breites Wohlergehen produzieren und wir tolerieren einen Markt, der in Bezug auf die Gesundheit wissenschaftlich selektiv ist. Wir sollten für den Frieden eine unüberwindbare Schwelle setzen, und wir sehen einen nach dem anderen immer rücksichtslosere Kriege gegen wehrlose Menschen. Die Wissenschaft schreitet natürlich voran, und das ist gut so. Aber die Weisheit des Lebens ist etwas ganz anderes, und die scheint ins Stocken geraten zu sein.

Schließlich nimmt diese gefühls- und verantwortungslose Vernunft auch der Wahrheitserkenntnis Sinn und Energie. Nicht umsonst leben wir im Zeitalter der Fake News, des kollektiven Aberglaubens und der pseudowissenschaftlichen Wahrheiten. Es ist merkwürdig: In dieser Kultur des Wissens, des Alleswissens, sogar der Präzision des Wissens, hat sich viel Hexerei verbreitet, aber kultivierte Hexerei. Es ist Hexerei mit einer gewissen Kultur, die einen jedoch zu einem abergläubischen Leben führt: Einerseits mit Intelligenz voranzugehen und die Dinge bis zu den Wurzeln zu kennen; auf der anderen Seite die Seele, die etwas anderes braucht und den Weg des Aberglaubens einschlägt und in der Hexerei endet. Von der trockenen Weisheit von Kohelet kann das Alter die Kunst lernen, die Täuschung ans Licht zu bringen, die im Delirium einer Wahrheit des Geistes ohne Liebe zur Gerechtigkeit verborgen ist. Ältere Menschen, die reich an Weisheit und Humor sind, tun so viel Gutes für die Jungen! Sie bewahren sie vor der Versuchung eines öden und lebensleeren Weltwissens. Und diese alten Menschen bringen auch die Jungen zurück zu Jesu Verheißung: "Selig, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden satt werden" (Mt 5,6). Sie werden diejenigen sein, die den Hunger und Durst nach Gerechtigkeit in die Jugend säen. Nur Mut für uns alle Älteren! Fassen Sie Mut und gehen Sie voran! Wir haben eine sehr große Mission in der Welt. Aber bitte, wir dürfen uns nicht in diesen etwas unkonkreten, unwirklichen, wurzellosen Idealismus – sprechen wir es deutlich – in die Hexerei des Lebens flüchten."

Quelle: Papst Franziskus, La Santa Sede, LEV

 

 


Finally, this an-affective and irresponsible reason also takes away meaning and energy from the knowledge of truth. It is no coincidence that ours is the age of fake news, collective superstitions and pseudo-scientific truths. It’s curious: in this culture of knowledge, of knowing everything, even of the precision of knowledge, a lot of witchcraft has spread, but cultured witchcraft. It is witchcraft with a certain culture but that leads you to a life of superstition: on the one hand, to go forward with intelligence in knowing things down to the roots; on the other hand, the soul that needs something else and takes the path of superstitions, and ends up in witchcraft. From the wry wisdom of Qoheleth, old age can learn the art of bringing to light the deception hidden in the delirium of a truth of the mind devoid of affection for justice. Elderly people rich in wisdom and humour do so much good for the young! They save them from the temptation of a knowledge of the world that is dreary and devoid of the wisdom of life. And these elderly people also bring the young back to Jesus’ promise: “Blessed are those who hunger and thirst for righteousness, for they shall be satisfied” (Mt 5:6). They will be the ones to sow the hunger and thirst for justice in the young. Take courage, all of us older people! Take courage and go forth! We have a very great mission in the world. But, please, we must not seek refuge in this somewhat non-concrete, unreal, rootless idealism — let us speak clearly — in the witchcraft of life.



 

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