Philip Campbell veröffentlicht bei OnePeterFive einen Beitrag über die Machtbefugnisse der Päpste und ihre Entwicklung im Verlauf der Geschichte
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HYPERPAPALISMUS UNTER DEM HL. PAPST GREGOR VII (1015-1085)
VON DER HYPOTHETISCHEN SPEKULATION BIS ZUR SCHRECKLICHEN REALITÄT
Im Licht der präzedenzlosen Zentraalisierung der Autorität unter dem Pontifikat von Franzisksu, gewinnt die Diskussion des Ausmaßes der päpstlichen Macht neue Dringlichkeit. Die Frage betrifft nicht so sehr die päpstliche Lehrautorität als eherdie Breite seiner disziplinarischen Macht. Die Neuerungen im Pontifikat von Franziskus haben anscheinend jede Katholische Disziplin auf den Tisch gelegt. Könnte der Papst z.B. die gesamte Kirche vom Fasten in der Fastenzeit dispensieren? Könnte er dem Vater.unser eine Formel hinzhufügen? Oder die liturgischen Farben der Jahreszeiten ändern? Fragen dieser Art waren einmal akademische Denkübungen für Autoren von Handbüchern, die hypothetisch von Scholastik-Spezialisten diskutiert wurden; jetzt sind es beängstigend relevante Szenarien, weil die gesamte Kirche- gusammengekauert- ängstlich darauf wartet, zu sehen, was Tag für Tag nach Meinung unserer Papstes der Gott der Überraschungen der Kirche auferlegen will.
Es hat ausgezeichnetet traditionelle Antworten auf das Problem des "Hyperpapalismus" gegeben,. Ich möchte besonders Dr. Peter Kwasniewskis zwei Kolumnen "Auf dem Weg vom Hyperpapalismus zum Katholizismus" bei Arouca Press zitieren -ebenso wie den Vortrag "Die Gebundenheit des Papstes an die Tradition als Begrenzung der Legislative" vom selben Autor. Erwähnt werden muß auch dr. Jon Joys ausgezeichnete Serie auf dieser website zu umstrittenen Fragen der päsptlichen Unfehlbarkeit. Diese und andere Arbeiten dieser Art sind sehr nützlich um die theoretischen Grenzen der päpstlichen Autorität aufzuzeigen.
Historische Präzedenzfälle
Im historischen Umfeld jedoch war das Problem immer verworrener. Natürlich gab es für die Institution Papsttum keine geschriebene Verfassung klar aufgezählter Machtbefugnisse; Christus hat dem Hl.Petrus kein dogmatisches Handbuch ausgehändigt, als er ihm die Schlüssel zum Königreich gab. Wie kam es dann dazu, daß das Papsttum den Umfang seines Handelns abgrenzte?
Historisch gesehen, erwuchs die Macht des Papstes aus der stillschweigenden Autorität, konkretisiert durch besondere historische Umstände, die Präzedenzfälle schufen. Die Päpste zogen Präzedenzfälle den Theorien vor, um die Konturen ihrer Autorität zu definieren. Das heißt, wenn die Päpste ihre Autorität an verschiedenen Stellen rechtfertigen wollten, war ihr bevorzugter Ansatz nicht die Berufung auf dogmatische oder theologische Argumente (über die üblichen biblischen Zitate hinaus), sondern vielmehr auf historische Beispiele, die im Wesentlichen sagten: "Ich kann das und das so tun, weil es hier sind einige konkrete Beispiele meiner Vorgänger gibt, die dasselbe taten.“
Als König Heinrich VIII. den theologischen Einwand erhob, daß der Papst einen Mann nicht dispensieren könne, um die Witwe seines Bruders zu heiraten, bestand eine der gewichtigsten Widerlegungen der Verteidiger von Königin Katharina, wie dem Hl. John Fisher, darin, einfach auf historische Beispiele hinzuweisen, wo frühere Päpste genau dies getan hatten .Als päpstliche Vorrechte in Frage gestellt wurden, konnten wir sagen, daß Präzedenzfälle Vorrang haben.
Aber Präzedenzfälle ließen auch Raum für Entwicklung. Päpste haben traditionell die Grenzen verschoben, indem sie einen überkommenen Präzedenzfall benutzten, um bei der Ausweitung der Autorität auf einem anderen aufzubauen. Ein hervorragendes Beispiel ist das Pallium, der Wollschal, den der Papst einem Großstadt-Erzbischof verleiht. Das Pallium war ursprünglich ein päpstliches Ehrenzeichen für einen frisch geweihten Erzbischof. Aber im Laufe der Zeit stellte es das erzbischöfliche Amt selbst dar und übertrug schließlich das erzbischöfliche Amt, sodass ein Erzbischof erst dann als eingesetzt galt, wenn er vom Papst das Pallium erhielt. Diese faszinierende Entwicklung ist gut dokumentiert in Fr. Steven Schoenigs Buch "Bonds of Wool: The Pallium and Papal Power in the Middle Ages"(Katholische Universität von Amerika, 2016).
Der Primat des Präzedenzfalls in der Entwicklung der päpstlichen Autorität bedeutet einfach, daß das stärkste Argument dafür, daß die Päpste etwas tun können, die Tatsache ist, daß sie es schon vorher getan haben.
So blickt das Papsttum, wie der alte römische Gott Janus, bei der Ausübung seiner Macht sowohl zurück und als auch nach vorne: Es blickt zurück auf Präzedenzfälle, um einen stabilen Stand für seine aktuellen Aktionen zu finden, und es blickt nach vorne, indem es seine ererbten präzedenzbedingten Grenzen erweitert und so den Aktionsradius erweitert
Nun ist es entscheidend, hier einen wichtigen Vorbehalt anzumerken: Das Anwachsen der päpstlichen Macht, entgegen den Behauptungen der griechischen Schismatiker, diente zum großen Teil dazu, den kirchlichen Behauptungen der östlichen und (später) weströmischen Kaiser entgegenzuwirken, die Häresien oder sonst den Cäsaropapismus förderten und die Bischöfe zu Regierungsbeamten machten. Jeder einzelne Präzedenzfall ist entsprechend seiner historischen Umstände gesondert zu bewerten. Infolgedessen belächelt die katholische Geschichte den Mut von Papst St. Gregor VII. und Innozenz III. in ihrer wachsenden päpstlichen Macht, selbst wenn sie die ungerechten Exkommunikationen missbilligt, die von Martin IV. und Bonifatius VIII. dekretiert wurden. Aber auch diese Zusammenfassung ist zu einfach, wie wir jetzt sehen.
Widerstand gegen die Vorläufer: der Hl. Gregor VIII
Was bedeutet das für Traditionalisten, die versuchen, sich gegen die rohe Gewalt des päpstlichen Absolutismus zu wehren? Wo bleiben wir angesichts eines Papstes, der entschlossen ist, seine Autorität auszuüben, um der Kirche jede Art plumper Neuheit aufzuzwingen?
Präzedenz ist eine Münze mit zwei Seiten. Einerseits ist die enorme Gefahr offensichtlich. Wenn die Kirche die unter Franziskus erreichte Erweiterung der Autorität demütig akzeptiert, dann wird dies einen Präzedenzfall für zukünftige Päpste schaffen, um diese Befugnisse als Teil des gesetzgebenden Erbes des Petrusamtes zu beanspruchen. Es lässt die Tür für zukünftige Pontifikate offen, jede Facette des katholischen Lebens entsprechend den aktuellen Modeerscheinungen neu zu ordnen. Kurz gesagt, so schrecklich es auch ist, sollte Papst Franziskus sich anmaßen, den traditionellen römischen Ritus zu verbieten, die Autonomie religiöser Orden zu untergraben oder Bischöfe zu entlassen, als wären sie mittlere Manager von Unternehmen, besteht die langfristige Gefahr darin, daß solche Taten in den Strom der päpstlichen Präzedenzfälle gelangen – daß eine Art historischer Konsens entsteht, daß dies Handlungen sind, die dem päpstlichen Regieren selbst eigen sind.
Aber nun die andere Seite der Medaille: Obwohl die päpstliche Macht durch die Berufung auf Präzedenzfälle gewachsen ist, gab es Fälle, in denen die päpstliche Übertreibung durch heftigen Widerstand nicht zum Präzedenzfall wurde. Betrachten wir eines der obigen Beispiele, um die Komplexität der historischen Präzedenzfälle zu demonstrieren. Papst St. Gregor VII. (1073-1085) wird zu Recht für seinen Mut gegen die westlichen weltlichen Mächte gelobt. Wir loben die Gregorianische Reform zu Recht als den Widerstand der Kirche gegen den Missbrauch der Laieninvestitur und die Tyrannei der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches über das Papsttum.
Was wir jedoch oft vergessen, ist, daß die Reformen von Gregor VII. nicht einfach dazu gedacht waren, die Kirche von der Laientyrannei zu befreien; Gregors Philosophie sah eine Umkehrung der gesamten Beziehung zwischen den geistlichen (klerikalen) und weltlichen (Laien) Mächten innerhalb der Christenheit vor, indem die imperiale Dominanz der Kirche durch die klerikale Dominanz des Imperiums ersetzt wurde.
Dabei förderte Gregor Ideen, vor denen selbst die leidenschaftlichsten Hyperpapalisten von heute zurückschrecken würden. Wir müssen uns nur das gregorianische Dokument Dictatus papae (1075) ansehen, das unter anderem behauptet, daß der Papst de facto ein Heiliger von der Gnade des petrinischen Amtes sei, daß er das Recht habe, die kaiserlichen Insignien zu führen und die einseitige Befugnis besutze, jeden Bischof abzusetzen, Diözesen nach Belieben aufzuteilen oder zusammenzulegen, und daß nur sein Name während der Liturgie genannt werden sollte. Nachfolger von Dictatus papae war Propriae auctoritates apostolicae sedis. Dieses Dokument, das irgendwann vor 1085 ausgestellt wurde, argumentiert, daß selbst wenn der Papst abtrünnig und dem christlichen Glauben vollständig abschwöre, er keinem Gericht unterliegen würde.
Fortsetzung folgt...
Quelle: P. Campbell, OnePeterFive
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