Donnerstag, 1. September 2022

Warschau - am 31. August 1944. Erinnerungen einer Benediktinerin

Peter Kwasniewski berichtet bei OnePeterFive anläßlich des 78. Jahrestag des Geschehens über den Opfertod von 17 Benediktinerinnen in Warschau.
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DIE BENEDIKTINISCHEN OPFER VON WARSCHAU: MÄRTYRER DER BARMHERZIGKEIT AM 31. AUGUST 1944.

Die folgende wahre Geschichte, die von den Nonnen des selben (nach dem Krieg wieder aufgebauten) Klosters aufgeschrieben wurde, war bisher fast nur in Polen bekannt. Dank der Übersetzung eines anonymen Mönchs kann sie jetzt auch von einer englisch-sprachigen Leserschaft geteilt werden. Sie betrifft die Benediktinerinnen der Ewigen Anbetung in Warschau, die ihre Leben ausdrücklich für Christus und Polen gaben. Ich hatte das große Privileg, dieses Kloster zu besuchen und während meiner kurzen Zeit in Warschau im November 2021 mit der Mutter Oberin und einer deranderen Schwestern zu sprechen. Während ich da war, wurde mir die Krypta der Kirche und die Gedenkplakette für die 35 Nonnen gezeigt. Die Fotos gehören mir- bis auf die historischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Die Farbfotos  zeigen das heutige Kloster, das mehr oder weniger wie das alte wieder aufgebaut wurde. 
Peter Kwasniewski

Der Tag des Warschauer Aufstands am 1. August 1944, im 5. Jahr der deutschen Besetzung- war eine neue Seite in der Geschichte des Martyriums des Polnoischen Volkes. Das Dunkel des Terrors bleibt in den Erinnerungen aller Überlebender: der Anblick einer zerstörten Hauptstadt, Reihen von Gräbern und klaffende Wunden in den Herzen derer, die einen Angehörigen verloren hatten. Viele Leben wurden brutal beendet; bemerkenswerte Einzelne opferten ihr Leben für Warschau und für Polen. Unser kulturelles Erbe war zerfallen; Kunstdenkmäler, und Kirchen lagen in Trümmern. Warschaus Altstadt als "Kriegsschauplatz" hat am meisten gelitten. 

Die wunderschöne monumentale Kirche und das Kloster, die das Heim der Benediktiner Schwestern der Ewigen Anbetung wurde nicht verschont. In ihren Ruinen starben am 31. August 1944  35 Nonnen, 4 Priester und um die 1000 Zivilisten. Mindestens 17 der Nonnen, die an diesem Tag getötet wurden, hatten zuvor ihr Leben für die Sache unseres Vaterlandes geopfert - die Mutter Oberin aufgesucht und um ihre Erlaubnis gebeten, im Gebet an einem Ort zu bleiben, an dem sie den sicheren Tod finden würden. 

Der Tod der Märtyrerinnen, fast einer gesamten religiösen Gemeinschaft und unter diesen Umständen, hat unsere Gesellschaft zutiefst schockiert und uns terrorisiert zurück gelassen. Das Wort von diesem Ereignis hatte ein Echo im ganzen Land. Sogar jetzt wird in der Presse und der Literatur daran als einen der heroischen Momente der Schlacht um die Warschauer Altstadt erinnert.  Wir sind oft gebeten worden, mehr Details von diesem "Weg zum Kalvarienberg" auf dem unsere Benediktiner Schwestern zu ihrem Opfer gingen, zu offenbaren. Wir würden auf diese Bitten gern antworten, indem wir diese kurze Zusammenfassung der Ereignisse für alle unsere Freunde anbieten und jenen, die unseren religiösen und patriotischen Glauben und unsere Gefühle teilen.


Die Benediktiner-Nonnen der Anbetung leben und beten weiterhin am selben Ort

ERINNERUNGEN EINER NONNE, DIE DIE BOMBARDIERUNG VOM 31. AUGUST 1944 ÜBERLEBT HAT

Als die Nachrichten vomWarschauer Aufstand uns innerhalb der Mauern der Klausur des Klosters erreichte, waren unsere Herzen tief bewegt. Wir sammelten uns zu Füssen des im Allerheiligsten Sakrament verborgenen Jesus und baten ihn um Hilfe und Schutz im Kampf unserer Hauptstadt um Freiheit. Die Zukunft unseres Klosters und unserer Kirche hingen auch vom Ausgang des Aufstands ab.

Die Mutter Priorin erlaubte Flüchtlingen, die ihre Häuser in der Rybaki-Straße und im Wola-Bezirk der Stadt verloren hatten, in den Kellern des Klosters und der Krypta unter der Kirche Zuflucht zu suchen. Die Schwestern versorgten die Menschen in allen ihren Bedürfnissen. Das polnische Kommando des Aufstands bat die Mutter Priorin auch, die klösterliche Klausur aufhuheben, die seit 250 Jahren in Kraft war und verwundeten Soldaten Schutz und Pflege zukommen zu lassen. Sofort fing eine Schwester unserer Krankenstation diese Soldaten zu versorgen. Die Aufhebung der Klausur ermöglichte auch eine Verbindung zwischen der Rybaki-Straße und dem Neuen Rathausplatz. Die einst stillen Korridore waren jetzt mit dem Klang der Schritte Boten erfüllt, die durch den Garten des Klosters zumm Vistula Fluss rannten. Das führte zu wütenden Angriffen und nichtendenem Feuer durch den Feind. Die Schwestern - hielten mit übernatürlichem Mut tapfer Wache auf unseren Dächern und in unseren Dachböden und löschten dauernd die aufflammenden Feuer. Die Lage wurde schlimmer, als man begann, das Kloster als Militärkrankenhaus zu nutzen. 

Als die Deutschen erfuhren, daß unsere Schwestern den Aufstand unterstützten, beschlossen sie, die Kirche und das Kloster zu zerstören. Am 11. August fielen 6 sogenannte "Kleiderschränke", Brandbombenbehälter neuester Konstruktion und von ungekannter Stärke- vom Praga- Stadtbezirk auf uns. Der Kloster-Garten wurde komplett vernichtet. Die Wände zitterten in ihren Grundfesten. Der Einschlag war so stark, daß er die Schwestern zu Boden warf und ihre Habite zerriß. Im Bewußtsein der Drohung ordnete der oberste Sanitätsoffizier die Evakuierung des Hospitals in die Keller an. Dort- wurde zwischen den Gräbern verstorbener Schwestern ein Operationssaal eingerichtet. Ununterbrochen kamen in immer größerer Zahl Verwundete an. Das Stöhnen der Verwundeten, die stickigen Dämpfe der Desinfektionsmittel, der Mangel an frischer Luft, die Ankunft neuer Flüchtlinge und so vieler Menschen in Panik und Schrecken machten die Atmosphäre fast unerträglich.

Mitten in dem alle dem saßen der Vater Provinzial der Pallotiner und Fr. L. Hrynaszkiewicz S.J. in einer Ecke des Kellers - bis spät in die Nacht, um die Beichte aller derer zu hören, die spirituelle Hilfe benötigten: Nonnen, Zivilisten und Soldaten.

Brandbomben wurden auf die Klosterkirche abgeworfen, als ob die Hölle selbst ihre ganzen teuflischen Kräfte mobilisiert habe, um den zum Ruhm Gottes erbauten Ort zu zerstören. Solche wütenden Angriffe auf die Mauern des Tempels in dem ER, der der Friede, Licht und die Liebe ist, herrschte, konnt nur dadurch erklärt werden, daß der Feind vom Satan besessen war.

Der Kirchturm stand vor dem Einsturz. Der leitende Sanitätsoffizier ordnete deshalb wieder die Evakuierung an; das war eine andere Form des Martyriums für die Verwundeten und die Sanitäter, die diesen Hafen verlassen mußten, wo ihnen eine Küche, eine Apotheke und alle möglichen Ausrüstungsgegenstände zu Verfügung standen.

Die Mutter Priorin und die Schwestern zogen in die Keller unter dem Noviziatsflügel des Klosters. Einige Schwestern hielten auf dem Dachboden Wache und löschten Feuer um Feuer und gossen Wasser auf den Fußböden der Kirche aus, als Teile der brennenden Decke herabstürzten. Die kupferne Kuppel -mit ihrem in den Himmel zeigenden Kreuz- brannte glühend rot: ein wunderbarer Anblick in der Nacht, aber schrecklich und drohend. Glühend über der Stadt, in der die Selbstlosigkeit des Heldentums gegen die Schrecken des Bösen kämpften, konnte es sehr wohl als ein Vorzeichen, ein prophetisches Zeichen des bevorstehenden Martyriums der Schwestern sein . Es war eine Erinnerung daran, daß diese schreckliche Katastrophe das Ergebnis des Unvermögens der Lebenden war, die Bedeutung des Kreuzes zu verstehen. Es war auch ein Zeichen für so viele verbitterte und verzweifelte Menschen, das ihnen zeigte, wo sie Hoffnung und Erlösung finden konnten: ein Beweis dafür, daß man triumphieren kann, während man besiegt wird.

Die Drohung einer kompletten, totalen Zerstörung hing über dem Kloster. Dennoch blieben die Schwestern ruhig und waren zutiefst überzeugt, daß ihre Leiden in Gottes Plan Zweck und Bedeutung hatte. Vor unseren Augen wurde ein Flügel des Klosters nach dem anderen durch Granaten schweren Kalibers pulverisiert und zu Schutthaufen. Wir mußten diese Mauern verlassen, wo seit 250 Jahren Seelen ihre Nahrung im Gebet gefunden und durch die Gnade gelernt hatten, wie man nur für Gott leben kann.

Der Kaplan des Klosters, der das Allerheiligste Sakrament trug, gefolgt von der Mutter Priorin und dern restlichen Schwestern in kleinen Gruppen bahnten sich ihren Weg unter dem konstanten Kanonenfeuer zur Kirche des Hl. Hyazinths. Diese traurige Prozession erreichten die Krypta der Kirche, wo sich die Schwestern der Barmherzigkeit mit wahrer schwesterlicher Liebe um uns kümmerten. In der Kirche- sie war noch nicht zerstört - verbrachten die Schwestern fast jede Minute in der Anbetung Jesu im Allerheiligsten Sakramente und am Grab des Hl. Andreas Bobola und wachten über die Einrichtung der Kirche. Die Novizinnen mit ihrer Novizen-Meisterin wollten die Klausur nicht verlassen, aber der religiöse Gehorsam verpflichtete sie dazu, sich dem Rest der Gemeinschaft anzhuschließen.

Am 22. August wurde die Warschauer Altstadt mit all ihren Monumenten und Gebäuden völlig zerstört. Nichts blieb außer rauchenden Ruinen. Es war für die Schwestern nicht länger sicher in der Kirche des Hl. Hyazinths zu bleiben. Dort zu bleiben wurden zunehmend riskant. Es wurde beschlossen, daß wir in die Keller unseres zerstörten Klosters zurückkehren sollten. Es war eine schmerzliche Rückkehr und ein schmerzlicher Anblick, aber wir hatten keine Zeit zum Trauern. Die Menschen suchten bei uns Zuflucht in den Kellern- und wir versorgten sie. Wie kochten für sie in großen Kesseln auf improvisierten Öfen. Die Zahl der Flüchtlinge wurde immer größer. Wir konnten nur nachts kochen, damit der Rauch unseren Untergrund-Hafen nicht den Spionageflugzeugen verriet, und der Feind Zeichen von Leben mitten in den toten Ruinen entdecken konnte.

Unsere Vorräte gingen zuende und Hunger drohte. Die Lage wurde in jeder Hinsicht schlimmer. Das Wasser-Versorgung nwar zerstört. Wir waren ohne Wasserzufuhr. Die Schwestern riskierten ihr Leben und gingen zum Vistula-Fluss, um Wasser zu holen, Die Flüchtlinge waren verbittert und über die Grenzen hinaus erschöpft in jenen schrecklichen Tagen und gaben- wie immer in solchen Augenblicken des Zusammenbruchs und Traumas- ihrer Nervosität und ihrem Schmerz nach.

Dann tauchte unsere Rolle in Gottes ewigem Plan klar vor unseren Augen auf. Wir sahen, daß die Göttliche Vorsehung uns alle hier zusammengeführt hatte und unser Leben im Hinblick auf Wiedergutmachung gestaltet hatte. Sogar mitten in Leid und Kummer und unter der dauernden Todesdrohung gelang es den Schwestern- gestützt durch Gnade- ruhig und friedlich zu bleiben. Diesen Frieden haben wir zu großen Teilen der Gegenwart von vier Priestern und der Gelegenheit zu, täglich an vier Hl. Messen teilzunehmen. Jeden Tag durch die Hl. Kommunion gestärkt, waren wir Schwestern- zerbrechliche Menschen in der Lage, uns selbst zu vergessen. Wir vereinigten uns mit Christi unblutigem Opfer im Hl. Opfer der Messer. Wie meditierten über Seine Passion, hielten uns besonders bei Seiner Agonie im Garten des Ölbergs auf und bezogen es auf alles, was vor unseren Augen geschah. Alles das erhob unseren Geist und unsere Herzen zum durchbohrten Herzen Jesu, um dort Erlösung zu finden, Hilfe zu bekommen und für das Böse, das rund um uns geherrscht hatte, und sich immer mehr ausbreitete, Wiedergutmachung zu leisten.

Während wir auf den vergänglichen Wert alles dessen schauten, was zerstört wurde und der Dinge, auf die der moderne Mensch so stolz ist, wurden wir gezwungen alles auf den Ewigen und Unwandelbaren Gott zu konzentrieren. In der Tiefe unserer Herzen sicher, daß jede menschliche Handlung sich als unwirksam erweist, haben wir uns im glühenden Gebet an Christus vereint. Wir haben jeden Tag das Göttliche Offizium gebetet. Manchmal warfen uns massive Explosionen zu Boden und bedeckten uns mit Schutt und Staub, aber wir standen sofort wieder auf und fuhren mit lauter Stimme mit unserem Gebet fort, so daß die Worte [des Offiziums] -so voller Glauben und Hoffnung mit dem Getöse von Geschossen, Kugeln und Flugzeugen wetteifern konnten."

Tag und Nacht- verharrten wir- gemäß unserer Regel- in ewiger Anbetung Jesu im Allerheiligsten Sakrament des Altars. Zu Füssen Chrisi- des Geopferten- fanden wird Stärke und Trost, aber die tiefe Sorge um das Schicksal unseres Vaterlandes rief uns zur völligen Aufgabe unserer selbst. Unsere Bitte war jetzt nicht, daß der Aufstand erfolgreich ist, sondern daß sich die Seele erheben können, daß die zerstrittenen Menschenherzen anfangen, in Einklang zu schlagen. Und daß die Menschen zwischen den Trümmern und Ruinen einen Weg zu Gott finden und sehen können, daß er allein das unzerstörbare Bollwerk für die Menschen ist. "

Quelle: P. Kwasniewski, OnePeterFive,


 

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