Montag, 8. Mai 2023

10 Jahre Pontifikat - eine Cancel Kultur auch in der Kirche?

In seiner heutigen Kolumne in Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci das 10-jährige Pontifikat von Papst Franziskus- sowohl im Hinblick auf die Ziele seiner Wähler im Konklave als auch auf das Erreichte sehr kritisch. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS UND DIE CANCEL-KU´LTUR IN DER KIRCHE SELBST" 

Als Papst Franziskus vor 10 Jahren gewählt wurde, wurde die Entscheidung Teile der jüngeren Kirchengeschichte neu zu schreiben, sofort klar. Die außerordentliche Betonung, die auf die Gesten von Papst Franziskus , die Aufmerksamkeit der Medien aber auch einige Gesten, die Papst Franziskus selbst am Anfang machen, sprachen dafür. 

In diesen 10 Jahren des Pontifikates ist Papst Franziskus zwischen Tradition und Innovation hin und her gewechselt, aber ohne wirklich die beiden Worte von tiefer Bedeutung zu sprechen. Sein Entschluss Lorenzo Baldisseri, dem Sekretär des Konklaves den Kardinalshut zu verleihen, lag auf einer Linie mit dem, was auch Johannes XXIII -unter anderen Umständen- getan hat. Seine Beschlüsse zur Kurie jedeoch sind fragwürdig  und weisen auf eine Theologie hin, die seit Jahren umgangen worden war. 

Die Idee eines missionarischen Papsttum, das die Institutionalität beiseite läßt, der Wunsch nach einem Zentrum, das im Dienst der Peripherie steht und die alten Machtstrukturen aufgibt; die Dialektik zum Problem der institutionellen Kirche und daher der Angriff auf den Klerikalismus; alles das warehn Ideen, die während und nach dem II. Vaticanischen Konzil verbreitet wurden, und in den Diskussionen auf virulente Weise explodiert waren. 

Paul VI. versuchte, die Messlatte gerade zu halten. Er setzte die Bischofssynode ein und verkündete vor allem Humanae Vitae, eine Enzyklika, die die traditionelle Lehre der Kirche bekräftigte und jeden Versuch, über das Depositum Fidei hinauszugehen, zunichte machte. Diese Enzyklika war sehr umstritten, doch die Zustimmung zu den Grundsätzen dieser Enzyklika war sehr breit, fast vollständig. Tatsächlich betonte Kardinal Karol Wojtyla, daß die Enzyklika mit dem Thema der Unfehlbarkeit hätte verknüpft werden sollen, und betonte, daß der Papst keine Meinung vertreten, sondern die richtige Lehre zusammengefasst habe.

Kurz gesagt, es gab eine fortwährende Debatte, die die Pontifikate von Johannes Paul II und Benedikt XVI zu lösen versucht hatten. Johannes Paul II hatte das getan, indem er einen dauernden Dialog zu Themen des Glaubens suchte und gleichzeitig autoritative Institutionen schuf. Benedikts XVI Weg war es, immer die Zentralität Christi zu betonen -und auf eine besonders symbolische Weise durch die Veröffentlichung seines Buches über Jesus von Nazareth. 

Das sind symbolische Entscheidungen, die sehr aufschlussreich waren. Benedikt XVI wollte, daß dem Thema der Aparecida-Konferenz zwei Worte hinzugefügt wurden, die laut Bergoglio als General-Relator waren "Damit unsere Menschen das Leben haben". Bei Benedikt XVI wurde daraus: "Damit unseres Menschen in ihm das Leben haben".


Johannes Paul II andererseits veränderte die Strukturen des Rates des Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und machte daraus einen Rat der  Vorsitzenden der Bischofskonferenzen und nicht länger der delegierten Bischöfe. Auf diese Weise hob er die Diskussion der Europäischen Bischöfe auf eine höhere Ebene und verlieht ihr mehr Autorität. Die Körperschaft wurde eine Körperschaft der Präsidenten und aus den europäischen Diskussionen konnten so leicht nationale Debatten werden, weil sie von den Präsidenten der Versammlungen mitgebracht wurden.

Ein Sieg für die Kurie? Ein Buch "Geschichte einer Niederlage" von Francesca Perugi behauptet das. In der Tat betont es, wie das, was ein "focolare" war in St. Gallen- dem Sitz der CCEE- von einem neuen Vorherrschen der Römischen Kurie zur Seite geschoben wurde und das deshalb die Saat der großen postkonziliaren Diskussion weggewischt worden war. 

Zwischen den Kämpfern des Dialogs und den Kulturkämpfern, hätte Johannes Paul II letztere gewählt und hätte der großen Erfahrung im Herzen von St. Gallen, das sich um Kardinal Carlo Maria Martini, Erzbischof von Mailand, gebildet hatte, der mehrere Jahre Präsident dieser Konferenz war. 

Das sind Worte, die das Narrativ der "St. Gallen Mafia" brechen wollen, das besonders durch ein Buch der Historikerin Julie Malone befördert wurde, die statt dessen feststellt, wie die Gruppe für einen wahren "Staatsstreich" geformt wurde, sich zuerst auf Bergoglio für das Konklave von 2005 konzentrierte und sich dann auf Ratzinger einigte, um die Kandidatur von Kardinal Ruini zu verhindern. In der Tat wäre Ruini ein Vertreter dieser Wende der "Kulturkrieger" gewesen, die Johannes Paul II beim Kirchentreffen der Italienischen Bischofskonferenz 1985 unterstützt hatte. 

Kurz gesagt, Johannes Paul II. hätte jede Erfahrung von Debatte und Kollegialität beendet, sein eigenes Modell aufgezwungen und damit erneut die übermäßige Macht einer Kurie gezeigt, die nicht wollte, daß die Peripherien  dabei vorkamen.

Aber ist es wirklich so? Papst Franziskus scheint dieser Idee Glauben zu schenken, und seine Entscheidungen gingen alle in Richtung einer fortschreitenden Dekonstruktion der Kurie und der Machtstrukturen. Bei Papst Franziskus ist kein Auftrag sicher, kein Titel kommt automatisch, und alles muss in einem missionarischen Geist verstanden werden, der die Reform der Kurie vorantreibt.

Zur gleichen Zeit jedoch, passiert nichts ohne die Autorisierung durch den Papst, keine Entscheidung kann unabhängig getroffen werden und an einem Ort, an dem sich Aufträge und auch "Einsatzregeln“ schnell ändern können, wird der Papst mit seiner Persönlichkeit und seinen Entscheidungen zum einzigen Bezugspunkt.

Papst Franziskus bringt das antirömische Narrativ in vielen seiner Reden zum Ausdruck, und von Anfang an verwendete er den Ausdruck Wdie alte Kurie“, um sich auf eine Gruppe von treuen Kurienmitgliedern zu beziehen, die der Kirche verbunden blieben, und insbesondere auf diejenigen, die fühlten, daß sie von den letzten beiden Pontifikaten „besiegt“ worden waren. 

Selbst in den Konsistorien hat Papst Franziskus es nicht versäumt, das angeblich erlittene Unrecht symbolisch „wiedergutzumachen“, indem er oft die sogenannten „Wiedergutmachungskardinäle“ einsetzte (wie die ehemaligen Nuntien Rauber, deren Empfehlungen zur Ernennung des Erzbischofs von Brüssel nicht befolgt wurden, und Fitzgerald, der von dem sehr wichtigen Posten als Sekretär des Dikasteriums für den interreligiösen Dialog zum diplomatischen Gesandten nach Ägypten versetzt worden war).

Wir wissen nicht, ob Papst Franziskus alle diese Züge machte, ein Zugeständnis waren, um Druck zu vermeiden, oder eine ideologische Anpassung. Dennoch ist es wert, zu bedenken, wie hier innerhalb der Kirche eine Cancel-Kultur versucht, die Geschichte umzuschreiben und in einer negativen Tonart alles zu zeigen, das der gegenwärtigen Mentalität zugunsten der Institution entgegen steht. Die Institutionen werden fast als böse betrachtet, während eine personalisierte Führung problemlos akzeptiert wird. Das ist paradox - aber die Realität des Tages. 

Tatsache ist, daß wir uns einer Kirche gegenüber sehen, die sich selbst nicht kennt und nicht einmal die Wichtigkeit der Geschichte und ihrer Vergangenheit versteht. Die Kirche ist immer von der Vergangenheit besessen gewesen, von einer Rückkehr zu den Ursprüngen, weil im Erleben Christi alles wiederholt wird. Heute jedoch scheint die Vergangenheit eine Last zu sein und es werden Entscheidungen getroffen ohne frühere Erfahrungen auch nur zu bedenken. Es ist eine Welt, in der Fitkion die Realität übertrumpft.  Und in der wir das Drama von Kirchenmännern erleben,, die mehr an einem bestimmten Narrativ interessiert sind als an der Geschichte der Kirche, ihrer Tradition und ihrem Leben. 

Es gibt Verwirrung zwischen praktischen Entscheidungen und ideologischer Anpassung. Natürlich gab es bei der Wahl  den Wunsch nach einem Staatsstreich des Narrativs, Es ist kein Zufall, daß Austen Ivereigh von einem realen "Team Bergoglio" sprach, das sich in St. Gallen traf ("wir waren eine Art Mafia" sagte Kardinal Danneels-  nur halb im Scherz), das aber nicht das "Coenaculum" der CCEE war. Es überrascht nicht, daß das Pontifikat mediale Wirkung hatte. Und dennoch- als es zum Studium von Humanae Vitae kam,gab Professor Gilfredo Marengo, der sicher kein Konservativer ist, zu, daß Paul VI daran nicht allein gearbeitet hat. 

Es gibt eine Kirche, die weiterlebt und eine Tradition, die nie abgelegt wurde. Die Frage ist, ob sie überleben oder dem Narrativ unterliegen wird. "

Quelle: A.Gagliarducci, Monday at the Vatican

 


There is confusion between practical decisions and ideological adhesions. Of course, there was a desire for a narrative coup d’état, with the election of Pope Francis. It is no coincidence that Austen Ivereigh spoke of a real “Team Bergoglio”, which met in St. Gallen (“we were a kind of Mafia”, Cardinal Danneels said only half-jokingly) but which was not the “cenacolo” of the CCEE. Not surprisingly, the pontificate has had this media impact. And yet, when it came to studying Humanae Vitae, Professor Gilfredo Marengo, certainly not a conservative, admitted: Paul VI did not act alone.

 

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