Dienstag, 2. Mai 2023

Wenn einer Kultur der Überempfindlichkeit die Realität nicht mehr zugemutet werden kann.

Unter dem Pseudonym Simone M. Sepe veröffentlicht Professor Chester Smith von der Universität Arizona bei OnepeterFive einen Zustandsbericht über eine Kultur der Empfindlichkeit und der Realitätsverweigerung - der nicht nur auf amerikanische Universitäten zutrifft-sondern zunehmen auch auf die europäische und nicht nur die. 
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                   "KULTUR DER  EMPFINDLICHKEIT"

Ich habe in den letzten Jahren eine neue "Kultur der Zerbrechlichkeit" bei meinen Akademiker-Kollegen festgestellt. Es gibt eine Aversion gegen Konfrontation und spaltende Diskussionen. Professoren vermeiden zunehmend Situationen, die zu Meinungsverschiedenheiten führen könnten, und von allen wird erwartet, daß sie sich gegenseitig loben, selbst wenn sie mit einem objektiven Versagen konfrontiert sind. Diese Kultur der Zerbrechlichkeit erstickt den offenen Dialog und behindert die gemeinsame Entscheidungsfindung. Kollegialität wurde neu interpretiert als „Vermeidung, anderen Unbehagen zu bereiten“ und nicht als eine Norm des Respekts, die echte Debatten und intellektuelle Meinungsverschiedenheiten regelt. Diese Kultur beunruhigt mich sehr, denn sie bedroht unsere Fähigkeit als Pädagogen, Schüler darauf vorzubereiten, sich in der Komplexität der Realität zurechtzufinden.

Viele assoziieren dieses Problem mit einer spezifischen politischen Ausrichtung. Ich glaube jedoch, daß die Wurzeln dafür tiefer liegen, auf eine Form von philosophischem Anti-Realismus. Während der Realismus die Existenz einer objektiven Wahrheit in einer äußeren, unabhängigen Realität bestätigt, behauptet der Anti-Realismus, daß Wahrheit von menschlicher Erkenntnis, Sprache und sozialen Gewohnheiten abhängt. Bestimmte akademische Gebiete neigen Dank dem Postmodernismus dem Anti-Realismus zu, der die Rolle von Sprache und sozialen Konstrukten betont, die die Realität und die Fragen nach einer objektiven Wahrheit formen. Ein anderer Grund für das Aufkommen des Anti-Realismus ist der Niedergang des Glaubens an Gott, der durch Sentimentalität ersetzt worden ist.  Während der traditionelle religiöse Rahmen verschwindet, tauchen neue Paradigmen auf, die oft das menschliche Handeln bei der Schaffung der Realität betonen. Aber wenn wir unsere eigenen Realitäten kontruieren- was bedeutet, daß Realität von uns abhängt, in einer Welt, in der wir alle glauben, voneinander unabhängig zu sein, kann das zu einem tiefen Gefühlt von Machtlosigkeit, Angst und Frustration führen, wenn wir auf Widerspruch oder andere Meinungen stoßen. 

Für Gläubige ist es die erste Aufgabe der Vernunft, die äußere Realität zu entdecken anstatt sie zu schaffen. Realisten - ob religiös oder nicht- lehnen den Gedanken ab, daß Menschen vom Verstand abhängige Realitäten erschaffen können, und betonen, die objektive Welt unabhängig von menschlicher Wahrnehmung und Konstruktion zu erkennen. Für Gläubige gibt es eine grundlegendere Überzeugung: Wir sind nicht allein auf dieser Welt.


Antirealisten sehen keine objektive Grundlage für Überzeugungen und Werte. Vielmehr konstruieren Individuen ethische Systeme auf der Grundlage ihrer Gefühle und zielen letztendlich auf das persönliche Wohlergehen ab. Diese düstere moralische Landschaft erschwert den Umgang mit Meinungsverschiedenheiten, Ungerechtigkeiten und ethischen Dilemmata, die über kulturelle oder individuelle Unterschiede hinausgehen. Diese sentimentalistische, antirealistische Sichtweise kann auch eine bestimmte Form von Individualismus fördern, die ich "falsches Demiurgentum“ nenne. Es ist die falsche Vorstellung, daß wir die Realität so weit wie nötig verändern können, um unseren emotionalen Zustand zu verbessern. Unsere Unfähigkeit, die Gesetze der Physik zu kontrollieren, lässt uns jedoch schlecht darauf vorbereitet sein, mit Ungewissheiten umzugehen, und dies ist eine der Quellen unserer Frustration und Angst.

Benedikt XVI hat einmal einen einfachen Ratschlag angeboten, der hier wichtig ist:  Wenn du nicht an Gott glaubst, lebe so, als ob es Gott gibt. Mit anderen Worten, er ermutigte die Menschen, sich dem Realismus zu verpflichten. Nur wenn wir die Realität als objektiv und extern betrachten, können wir uns wirklich austauschen, einander respektieren und letztendlich weniger von unserer demiurgischen Frustration besessen sein.

Heute fördern Administratoren und Fakultätsmitglieder an den Universitäten in ganz Amerika diese Kultur der Fragilität. Sie versuchen, sich und ihre Schüler mit Vernunft durch eine komplexe Welt zu führen, ohne sich jedoch auf Realismus festzulegen. Ratzingers Ratschlag bleibt unbeachtet. Sie sind nicht offen antireligiös; Religion wird jedoch wie alles andere als eine der möglichen Optionen in einer demiurgischen Strategie angesehen, damit sich andere besser fühlen. Obwohl ihre Absichten gut sein mögen, bereiten sie die Studenten nicht darauf vor, sich dem "Bösen“ zu stellen. Das Böse existiert in jeder Realität, sei es innen oder außen, und ist der Preis unserer Freiheit. Das Böse wird in unsere sicheren Räume eindringen, und wir müssen darauf vorbereitet sein, uns ihm zu stellen.

Wir befinden uns in einer entmutigenden Situation. Wir entscheiden uns dafür, lieber weniger als vollständig in der Realität zu leben, die wir konstruiert haben – im falschen Eden sicherer Räume. Wir fördern das Gute nur, wenn es mit unseren Gefühlen vereinbar ist. Wir verzichten darauf, jemals "Nein“ oder "Du irrst dich“ zu sagen. Die Vorstellung, daß unser „Nein“ bei anderen Unbehagen auslösen kann, wird zu unserem eigenen Unbehagen. Wir nennen es moralisch, unbequeme Wahrheiten abzulehnen. Dies ist besonders besorgniserregend in einem Zusammenhang, in dem wir uns von der wissenschaftlichen Methode in ihren verschiedenen Formen leiten lassen sollen.

Was ich als ein der Wahrheit verpflichteter Christ schreibe, mag wahrscheinlich einige meiner Kollegen und Freunde verärgern und ihnen Unbehagen bereiten. Wenn Komfort jedoch das Einzige ist, was wirklich zählt, wie können wir dann etwas ändern? Selbst wenn wir uns über die Tatsachen im Unklaren sind oder sie anders interpretieren, wäre es dann nicht besser, unsere Meinungsverschiedenheit anzuerkennen und entweder zu versuchen, unsere jeweiligen Positionen zu versöhnen oder zu verteidigen? Und mit Blick auf die Zukunft, wie können wir diesem Trend ein Ende setzen, der sowohl uns als auch unsere Schüler zu verwundbar macht, um wirklich zu leben? Was ist zu tun? Ich trage eine moralische Verantwortung, die Wahrheit aufrechtzuerhalten und möglicherweise den Komfort der Menschen um mich herum zu stören. Und ich werde das tun, weil ich sie respektiere und liebe."

Quelle: Simone S. Sepe, OnePeterFive

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