Dienstag, 1. August 2023

Das Instrumentum Laboris: hat sich die Kirche 2000 Jahre lang geirrt?

Sandro Magister analysiert und kommentiert bei Settimo Cielo das Instrumentum Laboris für die kommende Synode und seine Aussagen und -sprechender noch- Auslassungen zu wichtigen Fragen des Glaubens und der Kirchenpolitik. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"SEXUELLE REVOLUTION IN DER KIRCHE. FÜR ALLE, ABER UM  DEN PREIS, GOTT AUSZUSCHLIESSEN" 

Das symbolische Bild der Synode über Synodalität, die im kommenden Oktober im Plenum einberufen wird, ist ein Vorhang, der sich öffnet. Um endlich auch jene »aufzunehmen und zu begleiten«, die »sich von der Kirche nicht angenommen fühlen«.

Und wer sind die ersten auf der Liste dieser Ausgeschlossenen im "Instrumentum laboris", dem Dokument, das als Leitfaden für die Synode dient? "Geschiedene und Wiederverheiratete, Menschen in polygamer Ehe oder LGBTQ+-Menschen".

Seit Jahren stehen diese menschlichen Typologien in der Kirche im Mittelpunkt der Diskussion. In Deutschland haben sie einen ganzen indigenen "synodalen Weg" begründet, mit dem erklärten Ziel, die kirchliche Sexualitätslehre zu revolutionieren.

Aber auch der Widerstand gegen diese Drift ist groß, und zwar bei denen, die darin eine Nachgiebigkeit gegenüber dem Zeitgeist sehen, der die Grundlagen des christlichen Glaubens in Frage stellt.

Die folgende Intervention ist auf dieser kritischen Seite. Er wurde vom Schweizer Theologen Martin Grichting, ehemaliger Generalvikar der Diözese Chur, im Settimo Cielo zur Veröffentlichung angeboten.

Er schließt seine Reflexion mit einem Zitat von Blaise Pascal in seiner Polemik mit den Jesuiten seiner Zeit. Es seien Seiten, schreibt er, "die uns auch in der jetzigen Situation trösten".

Das „Instrumentum laboris“ (IL) der Bischofssynode zur Synodalität wirft der Kirche vor, daß sich einige – so sagt er – "von ihr nicht akzeptiert fühlen“, wie zum Beispiel wiederverheiratete Geschiedene, Menschen in polygamen Ehen oder LGBTQ+ Menschen“ (IL, B 1.2). Und er fragt: "Wie können wir Räume schaffen, in denen diejenigen, die sich von der Kirche verletzt und von der Gemeinschaft nicht willkommen fühlen, das Gefühl haben, anerkannt, willkommen, nicht verurteilt und frei zu sein, Fragen zu stellen?“ Welche konkreten Schritte sind im Lichte des nachsynodalen Apostolischen Schreibens "Amoris laetitia“ erforderlich, um Menschen zu begegnen, die sich aufgrund ihrer Affektivität und Sexualität von der Kirche ausgeschlossen fühlen (z. B. wiederverheiratete Geschiedene, Menschen in polygamer Ehe, LGBTQ+-Personen usw.)


Es sei also die Kirche selbst, die dafür verantwortlich sei, daß sich solche Menschen "verletzt", "ausgeschlossen" oder "unwillkommen" fühlten. Aber was tut die Kirche? Sie lehrt nichts von uhrer eigenen Erfindung, sondern verkündet, was sie von Gott empfangen hat. Wenn sich also Menschen von den Kerninhalten der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche "verletzt", "ausgeschlossen" oder "unwillkommen" fühlen, dann fühlen sie sich von Gott "verletzt", "ausgeschlossen" oder "unwillkommen". Denn ihr Wort beweist, daß die Ehe aus einem Mann und einer Frau besteht und daß das Eheband unauflöslich ist. Und ihr Wort beweist, daß gelebte und praktizierte Homosexualität eine Sünde ist.

Es ist jedoch offensichtlich, daß die Verantwortlichen der Synode dies nicht so deutlich sagen wollen. Aus diesem Grund nehmen sie die Kirche ins Visier und versuchen, sie und Gott einzuklemmen. Wenn Gott in der Tat alle aufnimmt, dann ist es die Kirche, die ausschließt. Doch Jesus Christus sagte: "Wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, ärgert, für den ist es besser, wenn man ihm einen Mühlstein um den Hals legt und ins Meer wirft« (Mk 9,42). Es ist merkwürdig, daß die Leiter der Synode dieses nicht-inklusive Wort Jesu vergessen zu haben scheinen. Und so scheint es, daß es nur die Kirche ist, die "weh tut" und den Menschen das Gefühl gibt, "nicht willkommen" oder "unwillkommen" zu sein.

Diese These hat jedoch schwerwiegende Konsequenzen. Wenn sich die Kirche zweitausend Jahre lang in wesentlichen Fragen der Glaubens- und Sittenlehre grundlegend anders verhalten hat als Gott, so kann sie in keiner Frage mehr Glauben wecken. Warum dann, was ist noch sicher?

Was das IL zu verstehen gibt, untergräbt die ganze Kirche. Das wirft aber auch die Frage nach Gott auf. Wie kann man meinen, daß Gott die Kirche geschaffen hat – den Leib Christi, der in dieser Welt lebt und dem Gott seinen Geist der Wahrheit als Beistand schenkt –, wenn er gleichzeitig zugelassen hat, daß diese Kirche und Millionen von Gläubigen zweitausend Jahre lang in wesentlichen Dingen in die Irre gegangen sind? Wie könnte man noch an eine solche Kirche glauben? Wenn es so ist, ist dann nicht alles, was sie sagt, vorläufig, reversibel, falsch und daher irrelevant?

Aber ist die Kirche tatsächlich "exklusiv", d.h. exklusiv in der Art und Weise, wie sie sich seit zweitausend Jahren in Bezug auf die aufgeworfenen Fragen verhält? Nein, seit zweitausend Jahren lebt sie Inklusion. Sonst wäre sie heute nicht auf der ganzen Welt verbreitet und würde heute nicht 1,3 Milliarden Gläubige umfassen. Aber die Instrumente der Inklusion der Kirche sind nicht – wie die IL behauptet – das "Erkennen" oder "Nicht-Urteilen" dessen, was den Geboten Gottes widerspricht. Die »Werkzeuge«, zu denen die Kirche gehört, sind das Katechumenat und die Taufe, die Bekehrung und das Sakrament der Buße. Deshalb spricht die Kirche von den Geboten und dem Sittengesetz Gottes, von der Sünde, vom Sakrament der Buße, von der Keuschheit, von der Heiligkeit und von der Berufung zum ewigen Leben. Das sind alles Konzepte, die auf den 70 Seiten des IL nicht zu finden sind.

Natürlich finden wir im IL die Worte "Buße" (2 Mal) und "Bekehrung" (12 Mal). Aber wenn wir ihren jeweiligen Kontext in Betracht ziehen, stellen wir fest, daß sich diese beiden Begriffe im IL fast nie auf die Entfremdung des Menschen von der Sünde beziehen, sondern eine strukturelle Handlung bedeuten, d.h. eine strukturelle Handlung der Kirche. Es ist nicht der Sünder, der Buße tun und sich bekehren muss, nein, es ist die Kirche, die sich – »synodal« – zur »Anerkennung« derer bekehren muss, die vorgeben, ihren Lehren und damit Gott nicht folgen zu wollen.

Die Tatsache, daß die  Leiter der Synode nicht mehr von Sünde, Buße und Bekehrung der Sünder sprechen, deutet darauf hin, daß sie nun glauben, einen anderen Weg gefunden zu haben, um die Sünde der Welt abzuschaffen. All dies erinnert an die Ereignisse, die der vor 400 Jahren geborene Blaise Pascal in seinen "Les Provinciales", 1656/1657 beschreibt. In ihnen konfrontiert Pascal die jesuitische Moral seiner Zeit, die die Morallehren der Kirche mit einer Kasuistik aus Sophismen untergrub, fast bis zu dem Punkt, sie in ihr Gegenteil zu verwandeln. In seinem Vierten Brief zitiert er einen Kritiker von Etienne Bauny, der über diesen Jesuiten sagte: »Ecce qui tollit peccata mundi«, hier ist diejenige, die die Sünden der Welt hinwegnimmt, bis zu dem Punkt, an dem er ihre Existenz mit ihren Sophismen verschwinden lässt. Solche Verirrungen der Jesuiten wurden später mehrmals vom kirchlichen Lehramt verurteilt. Denn sie sind es sicher nicht, die die Sünde der Welt wegnehmen. Es ist das Lamm Gottes. Und so ist es auch heute, wegen des Glaubens der Kirche.

Für Blaise Pascal war die Art und Weise, wie Täuschung und Manipulation in der Kirche stattfanden, beängstigend und daher auch gewalttätig. In seinem Zwölften Brief hat er uns einige Zeilen hinterlassen, die uns auch in der jetzigen Situation trösten:

"Wenn die Macht die Macht bekämpft, zerstört die Mächtigere das weniger Mächtige; Wenn der Diskurs den Reden gegenübergestellt wird, verwirren und vertreiben diejenigen, die wahr und überzeugend sind, diejenigen, die nur Eitelkeit und Lüge für sich haben. Aber Gewalt und Wahrheit haben keine Macht übereinander. Lasst uns jedoch nicht glauben, daß diese Dinge gleich sind. Zwischen ihnen besteht ein wesentlicher Unterschied: Während die Gewalt nur einen Lauf hat, der durch den Willen Gottes begrenzt ist, der ihre Wirkungen in den Dienst der Ehre der Wahrheit stellt, die sie bekämpft, besteht die Wahrheit ewig fort und triumphiert schließlich über ihre Feinde, weil sie ewig und mächtig ist wie Gott selbst".

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo

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