Samstag, 19. August 2023

Kardinal Burke über die Rolle des Kanonischen Rechts und der Rhetorik im Pontifikat von Papst Franziskus

Messa in Latino veröffentlicht einen Beitrag von Kardinal Burke über das Kanonische Recht.

"KARDINAL BURKE -DISZIPLIN UND LEHRE. DAS GESETZ IM DIENST DER WAHRHEIT UND DER LIEBE. DIE ROLLE DES KANONISCHEN RECHTS"

"In der Zeit unmittelbar vor dem II. Vaticanischen Konzil und mehr noch in der nachkonziliaren Zeit wurde die kanonische Disziplin der Kirche in ihren Grundfesten in Frage gestellt. Die Krise des kanonischen Rechts entsprang denselben philosophischen Voraussetzungen, die eine moralische und kulturelle Revolution auslösten, in der das Naturrecht, der moralische Ethos des individuellen und des gesellschaftlichen Lebens zugunsten eines historischen Ansatzes in Frage gestellt wurde, in dem die Natur des Menschen und die Natur selbst keine substantielle Identität mehr besaßen, aber nur von einer wechselnden Identität und manchmal naiv progressiv angesehen. 

Innerhalb der Kirche schien die von Papst Johannes  XXIII angekündigte Reform des Codex des Kanonischen Rechtes on 1917, eine Reform, die nur ein Jahrzehnt später ernsthaft begann und dann in den letzten Jahren des Pontifikates von Papst Paul VI und in den ersten Jahrzehnten des Pontifikates von Papst Johannes Paul II langsam vorankam, die Notwendigkeit der kanonischen Disziplin in Frage zu stellen und ein Forum für einige Theologen und Kanoniker für die Grundlagen des Kirchenrechtes zu eröffnen. Der sog." Geist des Zweiten Vaticanischen Konzils", eine politische Bewegung, die von der immerwährenden Lehre und Disziplin der Kirche losgelöst war, verschlimmerte die Situation erheblich. Nach einer Zeit intensiver Arbeit und hitziger Diskussionen promulgierte der Hl. Papst Johannes Paul II am 25. Januar 1983, etwa 24 Jahre nach seiner Verkündung den revidierten Codex des Kanonischen Rechtes. 

Während des langen Pontifikates von Papst Johannes Paul II wurden große Fortschritte bei der Erneuerung des Respektes vor der kanonischen Disziplin erzielt, die-wie er bei der Promulgierung des Codex von 1983 erklärte, ihre ersten Wurzeln in der Ausgießung  Hl. Geistes in die Herzen des Menschen aus dem glorreichen, durchbohrten Herzen Jesu hat: 

Bei der Promulgierung des Codex des Kanonischen Rechtes erinnerte Papst Johannes Paul II an den wichtigen Dienst der kanonischen Disziplin an der Heiligkeit des Lebens, am erneuerten Leben in Christus, den das II. Vaticanische Konzil fördern wollte, Er schrieb:

Ich muß anerkennen, daß dieser Codex von derselben Absicht herrührt, nämlich der Erneuerung des christlichen Lebens. Aus dieser Absicht leitete sich in der Tat die gesamte Arbeit des Konzils an seinen Normen und seine Richtung ab. 

Diese Worte weisen auf den wichtigen Dienst des Kanonischen Rechts bei der Neuevangelisierung hin, d.h. unser Leben in Christus mit dem Einsatz und der Energie der ersten Jünger zu leben. Die kanonische Disziplin zielt darauf ab, jederzeit nach Heiligkeit des Lebens zu streben. 


Der heilige Papst beschrieb dann das Wesen des Kanoischen Rechtes und wies auf seine organische Entwicklung hin, die vom ersten Bund Gottes mit seinem heiligen Volk ausgeht. Er erinnerte uns an das "ferne Erbe des Rechts, das in den Büchern des Alten und des Neuen Testamentes enthalten ist und aus dem sich die ganze rechtliche-juristische Tradition der Kirche ableitet, wie aus ihrer ersten Quelle."  Insbesondere erinnert er die Kirche daran, wie Christus selbst in der Bergpredigt erklärte, er sei nicht gekommen, um das Gesetz abzuschaffen, sondern um es zu erfüllen. Er lehrt uns, daß es in der Tat die Disziplin des Gesetzes ist, die den Weg zur Freiheit in der Liebe zu Gott und hum Nächsten öffnet. Er bemerkte: "So ermöglichen uns die Schriften des Neuen Testamentes, die Bedeutung der Zucht noch besser zu verstehen und besser zu erkennen, wie sie enger mit dem Heilscharakter der Botschaft des Evangeliums selbst verbunden ist."

Die Arbeit des Hl. Papstes Johannes Paul II hat für die Wiederherstellung der guten Ordnung des kirchlichen Lebens bemerkenswerte Früchte getragen, die die unersetzlichen Voraussetzungen für das Wachstum in der Heiligkeit des Lebens ist. Als Kirchenrechtler bin ich in verschiedenen Teilen der Kirchenwelt dafür bekannt, daß es immer mehr Initiativem gibt, vielleicht kleine, aber dennoch starke, im das Wissen und die Praxis der kirchlichen Disziplin zu fördern-in Übereinstimmung mit der nachkonziliaren Reform, d.h. in Kontinuität mit der immerwährenden Disziplin der Kirche. 

Heute erleben wir leider eine Rückkehr zu den Turbulenzen der nachkonziliaren Periode. In den letzten Jahren sind das Gesetz und sogar die Lehre selbst immer wieder als Abschreckung für eine wirksame Seelsorge für die Gläubigen in Frage gestellt worden. Ein Großteil der Unruhen ist mir populistischer  Rhetorik über die Kirche,  einschließlich ihrer Disziplin, verbunden. 

Es ist auch eine neue kanonische Gesetzgebung verkündet worden, die eindeutig außerhalb der kanonischen Tradition steht und auf verworrene Weise die Tradition in Frage stellt, die treu und liebevoll der Wahrheit des Glaubens gedient hat. Ich beziehe mich z.B. auf das Recht, das den heiklen Prozess der Ehe-Nichtigkeitserklärung betrifft, der wiederum das Fundament unseres Lebens in der Kirche berührt: Ehe und Familie.

Angesichts der Situation, in der sich die Kirche befindet, scheint es besonders wichtig, über den unersetzlichen Dienst der Kirche  -auch in der Gesellschaft-Rechenschaft ablegen zu können. Es ist besonders wichtig, in der Lage zu sein, verwirrende Rhetorik zu erkennen und zu korrigieren, die bei vielen Gläubigen sogar zu Irrtümern führt. Aus diesem Grund wende ich mich an die wichtige und unersetzliche Beziehung von Lehre und Gesetz zum pastoralen Leben der Kirche, d.h. zur Alltagswirklichkeit des christlichen Lebens. Zuerst werde ich mich mit der allgegenwärtigen populistischen Rhetorik über die Kirche und ihre Institutionen  befassen. Dann werde ich eine wichftigfe Lehre zu diesem Thema vorstellen, nämlich die Ansprache von Papst Johannes Paul II an die Römische Rota am 18.Januar 1990. 

In den letzten Jahren wurden einige Worte, z.B."pastoral", "Barmherzigkeit", "Unterscheidung", "Begleitung" und "Integration" auf die Kirche angewandt, und zwar wie eine Art Magie, d.h. ohne klare Definition, sondern als Losung einer Ideologie, die das ersetzt, was unersetzlich ist: die immerwährende Lehre und Disziplin der Kirche. 

Einige dieser Worte, wie "pastoral", "Barmherzigkeit", "Zuhören" und "Unterscheidung" haben ihre lehrmäßige und disziplinäre Tradition in der Kirche, aber jetzt werden sie mit einer neuen Bedeutung in Bezug auf die Tradition gebraucht. Z.B. wird die Seelsorge heute regelmäßig der Sorge um die Lehre gegenüber gestellt, die ihr Fundament sein muß. Die Sorge um Lehre und Disziplin wird als pharisäisch charakterisiert, als wolle man den Gläubigen, die sich moralisch und kanonisch in einer irregulären Situation befinden, kalt oder sogar gewaltsam antworten. In dieser irrigen Auffassung steht die Barmherzigkeit  der Gerechtigkeit und der Lehre gegenüber und die Unterscheidung dem Urteil. Andere Worte sind säkularen Ursprungs wie "Begleiten" "Integration" und werden benutzt, ohne sie auf die Wahrheit des Glaubens oder auf die objektive Grundlage für die Teilhabe am Leben Christi in der Kirche zu stützen. Z.B. wird die Integration von der Gemeinschaft getrennt. Diese Begriffe werden oft in einem weltlichen oder politischen Sinn  verwendet, geleitet von einer sich ständig verändernden Sicht aus Natur und Wirklichkeit. Die Aussicht auf das ewige Leben wird zugunsten einer Art volkstümlichen Vision der Kirche, in der sich jeder zu Hause fühlen soll, in den Hintergrund gedrängt ist, auch wenn sein tägliches Leben in offenem Widerspruch zur Wahrheit und der Liebe Christi steht. In jedem Fall muss die Verwendung eines dieser Begriffe fest in der Wahrheit begründet sein, zusammen mit dem traditionellen Ausdruck unserer Eingliederung in den mystischen Leib Christi durch einen Glauben, ein sakramentales Leben und eine Disziplin oder Führung. 

Dieses Thema ist kompliziert, weil die Rhetorik oft mit der Sprache von Papst Franziskus in der Umgangssprache verbunden ist, sowohl in den Interviews im Flugzeug und in den Nachrichten als auch  Kommentaren gegenüber unterschiedlichen Gruppen . Wenn man in diesem Fall die fraglichen Begriffe in den Kontext der Lehre und Praxis der Kirche stellt, kann man beschuldigt werden, gegen den Hl. Vater zu sprechen- Daher ist es verlockend, zu schweigen oder zu versuchen, eine lehrmäßige Sprache zu erklären, die die Lehre verwirrt oder ihr sogar widerspricht.  

So wie ich die Pflicht verstanden habe, populistische Rhetorik über die Kirche zu  korrigieren, besteht sie darin, die Worte des Menschen, der Papst ist, von den Worten des Papstes, der Stellvertreter Christi ist, zu unterscheiden, wie die Kirche es immer getan hat. Im Mittelalter sprach die Kirche von den beiden Leibern des Papstes: dem Leib des Menschen und dem Leib des Stellvertreters Christi. In der Tat stellt das traditionelle päpstliche Gewand, insbesondere die rote Mozzetta mit der Stola, die die Apostel Petrus und Paulus darstellt, sichtbar den wahren Leib des Steelvertreters Christi dar, wenn er die Lehre der Kirche darlegt.

Papst Franziskus hat sich entschlossen oft mit seinem ersten Leib zu sprechen, dem des Menschen, der Papst ist. Tatsächlich sagt er sogar in Dokumenten, die in der Vergangenheit eine feierliche Lehre waren, daß er keine lehramtliche Lehre anbietet, sondern sein eigenes Denken. Aber diejenigen, die es gewohnt sind, anders über den Papst zu sprechen, wollen, daß jede Äußerung in irgendeiner Weise Teil des Lehramtes ist. Das widerspricht der Vernunft und dem. was die Kirche immer verstanden hat. 

Die Unterscheidung zwischen den beiden Redeweisen des Papstes ist keineswegs respektlos gegenüber dem Petrusamt. Es stellt auch keine Feindschaft gegenüber Papst Franziskus dar. Im Gegenteil zeugt es von größter Achtung vor dem Petrusamt und vor dem Menschen, dem unser Herr es anvertraut hat. Ohne diese Unterscheidung würde man leicht den Respekt vor dem Papsttum verlieren oder man würde zu der Annahme verleitet, daß wenn man mit den persönlichen Meinungen des Papstes nicht übereinstimmt, die Gemeinschaft mit der Kirche abbrechen muß. 

Je mehr diese Rhetorik ohne Korrektiv verwendet wird, d.h. ohne die Sprache mit der ständigen Lehre und Praxis der Kirche in Verbindung zu bringen, desto mehr Verwirrung tritt im Leben der Kirche auf. Gerade aus diesem Grund hielt ich es für wichtig, den Zweck des Kanonischen Rechtes zu erklären. Den inneren Zusammenhang zwischen kanonischer und pastoraler Praxis. 

In seiner Ansprache vor der Römischen Rota (dem ordentlichen Appellationsgericht des Papstes) beschrieb Papst Johannes Paul II  die Untrennbarkeit zwischen gesunder pastoraler und kanonischer Disziplin: 
Die rechtliche und die pastorale Dimension sind in der pilgernden Kirche auf Erden untrennbar miteinander verbunden. Vor allem aber stehen sie in Harmonie für ihr gemeinsames Ziel: die Rettung der Seelen.  Aber das ist noch nicht alles. In der Tat ist die juridisch-kanonische Tätigkeit ihrem Wesen nach  pastoral. Sie stellt eine besondere Teilhabe an der Sendung Christi, des Hirten, dar und besteht darin, die von Christus selbst gewollte Ordnung der innerkirchlichen Gerechtigkeit zu verwirklichen. Die Seelsorge ihrerseits geht weit über die rein rechtlichen Aspekte hinaus, schließt aber immer auch eine Dimension der Gerechtigkeit ein. In der Tat wäre es unmöglich, die Seelen zum Himmelreich zu führen, ohne jenes Minimum an Liebe ind Klugheit, das in der Pflicht zu finden ist, dafür zu sorgen, daß das Gesetz und das Recht aller in der Kirche treu eingehalten werden.
Wie Papst Johannes Paul II  deutlich macht, kann man nicht von der Ausübung der Tugend der Liebe innerhalb der Kirche sprechen, wenn man die Tugend der Gerechtigkeit nicht praktiziert, die das Minimum für eine liebevolle Beziehung ist. 

Der heilige Papst wendet sich dann direkt an die Tendenz, die damals in unserer Zeit sehr betont und nachdrücklich wiederkehrte, pastorale Anliegen gegen rechtliche oder disziplinarische Erfordernisse zu stellen. Er betont die heimtückische Natur dieses Widerspruchs gegen das Leben der Kirche: Daraus folgt, daß jeder Gegensatz zwischen der pastoralen und der rechtlichen Dimension trügerisch ist. Es ist nicht wahr, daß das Gesetz um pastoraler zu sein, weniger juristisch werden sollte. Sicher müssen die sehr vielen Ausdrucksformen der Flexibilität, die das kanonische Recht gerade aus pastoralen Gründen seit jeher kennzeichnen, im Auge behalten und angewandt werden. Aber auch die Forderungen nach Gerechtigkeit müssen respektiert werden, die durch diese Flexibilität überwunden, aber niemals geleugnet werden können. In der Kirche verdient eine wahre Gerechtigkeit, die von der Liebe beseelt und von der Gerechtigkeit gemildert ist, immer das Adjektiv pastoral. Es kann keine pastorale Nächstenliebe geben, die nicht vor allem die pastorale Gerechtigkeit berücksichtigt. 

Die klare Anweisung des Hl. Papstes Johannes Paul II ist in der gegenwärtigen wachsenden Krise der kirchlichen Disziplin umso aktueller. Er bringt die ständige Lehre und Praxis der Kirche in Bezug auf Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, Seelsorge und disziplinarische Integrität zum Ausdruck. 

Im Dienst der Gerechtigkeit in der Liebe. 

Ich hoffe, daß diese kleine Überlegung Ihnen helfen kann, den gegenwärtigen Stand des Kanonischen Rechtes in der Kirche zu verstehen, In einer Zeit der Krise, sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Zivilgesellschaft, ist es wesentlich, daß unser Dienst an der Gerechtigkeit fest in der Wahrheit unseres Lebens in  Christus in der Kirche verwurzelt ist, der der gute Hirte ist, der uns in der Kirche lehrt, heiligt und diszipliniert. Es gibt also keinen Aspekt  der immerwährenden Disziplin der Kirche, der vernachlässigt oder auch nur widersprochen werden kann,ohne die Unversehrtheit der Hirtensorge zu gefährden, die in der Person Christi, Haupt und Hirte der Herde, zu jeder Zeit und an jedem Ort ausgeübt wird. 

Möge jeder von uns durch die Verdienste Christi, des Richters der Lebenden und der Toten, und durch die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, seiner Mutter,  und Spiegel der Gerechtigkeit, treu und standhaft im Dienst der Gerechtigkeit bleiben, die die minimale aber unersetzliche Bedingung der Gottes-und-Nächstenliebe ist. "

Quelle: Kard. R. Burke, MiL

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