Montag, 14. August 2023

Papst Franziskus und der Brief an die Priester seiner Diözese

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatikan kommentiert  A. Gagliarducci den jüngsten Brief des Papstes an die Priester seiner Diözese und analysiert seinen Gebrauch aus dem Zusammenhang gerissener Zitate. Hier geht´s zum Original:  klicken

                PAPST FRANZISKUS UND DER FEHLENDE KONTEXT

Papst Franziskus´ Brief an die Diözese Rom vom 7. August kam fast unerwartet. Nichts deutete darauf hin, daß der Papst das Bedürfnis hatte, an die Priester seiner Diözese zu schreiben, der er vorsteht und es gab keinen besonderen Anlass. Und deshalb ist der Brief besonders relevant ist. Weil Papst Franziskus wie immer Briefe in bestimmter Form benutzt, um der ganzen Welt eine Botschaft zu senden.

Der Brief ist fast unbemerkt geblieben, weil der Papst am folgenden Tag Form uns Substanz der Personal-Prälatur geändert und so die einzige Personal-Prälatur, das Opus Dei in etwas wie eine Laien-Organisation umgewandelt hat. Aber diese Maßnahme hatte in der Luft gelegen; sie wurde erwartet, seit der Papst bereits in die Struktur des Opus Dei eingegriffen hatte, indem er u.a. festlegte, daß der Prälat des Opus Dei nicht mehr Bischof werden kann.

Deshalb hat der Brief an die Priester der Diözese Rom, der hauptsächlich lokal erscheinen mag, einen doppelten Wert. Einerseits ist es ein weiterer Schlag ins Gesicht des Papstes für seinen Vikar der Diözese Rom, Kardinal Angelo de Donatis. Seitdem de Donatis und der Papst über die Bewältigung des pandemischen Notfalls stritten (De Donatis hatte in Absprache mit dem Papst beschlossen, die Kirchen zu schließen; der Papst beschwerte sich daraufhin in einer Predigt in Santa Marta über die Angelegenheit; de Donatis hatte, nein , dass sie die Kirchen nicht schließen würden, gesagt, aber daß es sowieso der Papst gewesen sei, der die Entscheidung getroffen hat), war die Beziehung zwischen den beiden nie mehr die gleiche.

Der Papst wollte de Donatis nicht als Vikar. Sein Kandidat war der damalige Weihbischof von Rom, Paolo Lojudice, der kraftvoll ins Rampenlicht zurückgekehrt war, als der Papst ihn als Präsidenten der Italienischen Bischofskonferenz wollte. Die CEI allerdings wählte Zuppi und die Gemeindepfarrer Roms unterstützten mit überwältigender Mehrheit de Donatis als ihren Vikar. Und dennoch fand sich de Donatis zunehmend marginalisiert: durch die Ernennung des Vize-Regenten Baldassare Reina; die Reform der Diözese Rom, die den Vikar jedem beliebigen Weihbischof gleichgestellt hat; die Ernennung des neuen Rektors des römischen Seminars, Michele Di Tolve; die Reform der Päpstlichen Lateran-Universität unter Übergehung ihres Großkanzlers, d.h. des Kardinal-Vikars und jetzt dieser Brief.

Auf diese Weise sendet Papst Franziskus eine unmißverständliche Botschaft. In der Diözese Rom gibt es für die Priester ein Bedrohung, eine spirituelle Weltlichkeit, die zum Klerikalismus führt. Nichts Neues --eigentlich- weil Papst Franziskus das fortwährend wiederholt. Warum also der Brief?


Vielleicht, um zu bestätigen, daß der Papst der eine und einzige wirkliche Bischof von Rom ist, um seine Wichtigkeit zu bestätigen - und das gegen jede gegenteilige Meinung. Und um ein Erbe zu hinterlassen, oder- jedenfalls -ein Testament dafür, wie Priester nach seinem Willen sein sollen. Und schließlich um sein Mißfallen zu betonen, wie die Diözese Rom geführt wird und einen Kurswechselzu verlangen.

Kurz gesagt-so wie er es in anderen Fällen getan hat, nimmt Papst Franziskus die Sache in die eigenen Hände. Er ist der Bischof von Rom, hat als spezieller Delegat des Malteser-Ordens gehandelt, sich persönlich in die Affäre um die Londoner Immobilie (die jetzt Thema eines Prozesses im Vatican ist) eingeschaltet, handelt als Oberhaupt der Dicasterien (jetzt und für immer von Propaganda Fide, aber auch lange las zeitweiliger Amtsinhaber für die Migranten-und Flüchtlings-Sektion) und er ist der Top-Diplomat des Hl..Stuhls, mit Aktionen, die bisweilen die offizielle Diplomatie überschatten.

Papst Franziskus ist ein Papst, der sich verbürgt, der Veränderungen und neue Prozesse will und garantiert, daß alles gut wird. Gleichzeitig ist er ein Papst, der keine Angst vor Veränderungen hat wenn die Dinge nicht so werden, wie er es sich vorstellt oder plant.

Kurz gesagt, der Brief an den römischen Klerus hat viele Facetten. Aber- wenn man genau hinschaut- stellt er auch einen anderen Zug der Art und Weise dar, wie Papst Franziskus regiert: den häufigen Gebrauch von aus dem Kontext gerissenen Sätzen und Ausdrücken. Nicht falsch, aber aus dem Kontext gerissen und dazu benutzt, eine präzise Weltsicht zu formen.

So bezieht Papst Franziskus in dem Brief auf den großen französischen Theologen de Lubac und sein Konzept der spirituellen Weltlichkeit. Ganz richtig. Aber de Lubac ist auch der Theologe, der die Priester davor warnte, nur Regierungsmitarbeiter zu werden, d.h. nicht Angestellte ihrer Bischofskonferenzen zu werden, sondern einen lebendigen Glauben zu leben.

De Lubac war auch der Theologe, der das Risiko unterstrich, daß die Bischofskonferenzen übernehmen würden und Priester sich auf eine administrative Struktur verlassen als persönlich zu evangelisieren und Entscheidungen zu treffen.

Das alles jedoch erwähnt der Papst nicht, sondern benutzt nur den Teil der "spirituellen Weltlichkeit." Und dennoch hat er in den letzten Jahren eine immer größere Verbreitung von Bischofskonferenzen und eine zunehmende Bindung von Priestern an Regierungsstrukturen statt an die pastorale Mission erlebt. Schließlich wäre die von Papst Franziskus geforderte Synodalität eine Antwort auf all das. Das Problem liegt jedoch nicht an der Methode oder der Struktur. Es liegt an den Menschen. Es liegt an der persönlichen Bildung.

Und hier kommt das zweite dekontextualisierte Thema: der Klerikalismus. Über Klerikalismus zu reden ist sehr in Mode, und das gilt auch für Papst Franziskus, und es ist unbestreitbar, daß Machtfragen die Oberhand hatten, als die Kirche noch ein Machtgefüge war, dem Gehör geschenkt wurde. Aber unter Klerikalismus verstehen wir eine selbstbewusste Haltung der Priester, sich in politische Fragen einzubringen, eine Haltung, die nach außen blickt. Andererseits blickt Papst Franziskus in die Kirche hinein, vollzieht einen Bedeutungswandel, und dabei werden unter Umständen auch diejenigen klerikal, die am Ende die Hierarchie respektieren.

Kurz gesagt, diese Argumentation birgt ein Risiko, wenn alles kontextualisiert wird. Aber das ist letztendlich nicht das, woran Papst Franziskus interessiert ist. Der Papst führt seine Narrativ fort, das gut funktionieren muss. Der Rest scheint zweitrangig zu sein. Aber man muss vorsichtig sein, wie Papst Franziskus Phrasen und Worte verwendet. Er könnte auch das Gegenteil von dem meinen, was er sagt."

Quelle: A.Gagliarducci, Monday at the Vatican

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