Michael Hanby kommentiert bei firstthings die Rolle Papst Franziskus in der aktuellen Situation der Kirche spielt. Hier geht´s zum Original: klicken
"SYNODALITÄT UND DER GEIST DER WAHRHEIT"
Fakten und große Persönlichkeiten in der Weltgeschichte kommen, wie es aussieht zweimal vor,...das erste mal als Tragödie, das zweite mal als Farce". Die Synode zur Synodalität scheint dazu bestimmt, Marx´ Worte (selbst eine Wiedergabe Hegels) zu bestätigen. Die Tragödie entsteht aus der tiefen theologischen und philosophischen Trennung, die die Katholische Christenheit durch die moderne Zeit hindurch quält, seit Gott vom Horizont verschwunden ist und die Kirche zwischen widerspenstigem Traditionalismus und modernistischem Historismus gespalten ist. Um die Wende zum 20. Jahrhundert hat Maurice Blondel das Resultat beschrieben. die vielleicht sogar noch besser auf unsere eigene Zeit passen: "Mit jedem Tagm der vergeht, zeigt sich der Konflikt zwischen den Tendenzen, die den Katholiken in jeder Hinsicht gegen Katholiken aufbringen - soziale, politische, philosophische- als schwerwiegender und allgemeiner ist. Man könnte fast sagen, daß es jetzt zwei ziemlich unvereinbare "katholische Mentalitäten" gibt.... Und das ist eindeutig unnormal, weil es keine zwei Katholizismen geben kann.
Mehr als ein Jahrhundert später ist diese dunkle Beobachtung seltsam tröstend. Sie ist eine Erinnerung daran, daß wir nicht im Jahr Null des Katholizismus leben, daß unsere augenblicklichen Trennungen eine lange Geschichte haben und daß vieles, von dem, was wir jetzt erleben, schon vor Jahrzehnten vorhergesehen, diagnostiziert und kritisiert wurde. Fragen von philosophischer und theologischer Wichtigkeit bleiben uns -Fragen der Wahrheit- die ein älteres und bleibenderes Potifikat als das aktuelle und tiefer als die Oberflächlichkeiten des Synodalen Wegen und des Zeitalters der sozialen Medien. Diese Fragen zu verstehen, ist nötig, wenn wir unsere laufenden Probleme begreifen wollen. Dieses Verstehen wäre in der Gedankenlosigkeit der gegenwärtigen Zeit eine teuer bezahlte Leistung- und da beginnt die Farce.
In Blondels Tagen löste eine selbsternannte Gruppe von Zensoren, das Sodalitium Pignum, eine geheime und gedanken-zerstörende Kampagne gegen jene aus, die sie als die modernistischen Feinde des Papstes betrachteten und benutzten oft autoritäre Taktiken, um sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Im vergangenen Jahrzehnt hat ein selbsternanntes Sodalitium Franciscanum, das ideologische Gegenteil seines Vorgängers im frühen 20. Jahrhundert eine ähnliche Kampagne geführt. Die reduziert alle philosophischen und theologischen Fragen auf politische Fragen, und übersetzen das "wahr" und "falsch" in "Freund" und "Feind", wobei die Wahrheit jeder Idee daran gemessen wird, ob sie Papst Franziskus uns seinen "Traum" für die Kirche "unterstützt" , womit voll und ganz das II. Vaticanische Konzil gemeint ist.
Die website "Where Peter is" existiert z.B. hauptsächlich dazu eine Liste mit Feinden zu veröffentlichen, wobei ihr Besitzer seine große Gelehrtheit dazu nutzt, von seinem Wohnzimmer im ländlichen Maryland aus "Schismatiker" zu denunzieren, einschließlich einiger Bischöfe und Kardinäle der Kirche. Massimo Faggioli, ein Historiker der Villanova Kirche und vielleicht der am härtesten arbeitende Mann bei Twitter, der vor der Morgendämmerung aufsteht, um von der Front in einem endlosen Kreuzzug amerikanische Katholiken als irre Trump-Anhänger und Traditionalisten, Feinde des Papstes und "Ausreißer" des globalen Katholizismus zu denunzieren, sicher eher eine soziologische als eine theologische Kategorie. Und dann sind da die endlose Propaganda, Polemik und Pamphlete des päpstlichen Biographen Austen Ivereigh, der Co-Autor des ersten Dokumentes der globalen Synode war. Das Presse-Corps, das diesem Skript folgt, hilft dabei, eine Echo-Kammer zu kreieren, die an Hannah Arendts Beschreibung des Lebens unter den totalitären Regimes des 20. Jahrhunderts erinnern.
"Die Tatsache, daß die vollkommenste Ausbildung im Marxismus und Leninismus überhaupt kein Leitfaden für politisches Verhalten war – daß man im Gegenteil nur dann der Parteilinie folgen konnte, wenn man jeden Morgen wiederholte, was Stalin am Abend zuvor angekündigt hatte –, hatte natürlich denselben Geisteszustand zur Folge, denselben konzentrierten Gehorsam, ungeteilt durch jeden Versuch zu verstehen, was man tat: das Himmlers geniales Motto für seine SS-Männer zum Ausdruck brachte: "Meine Ehre ist meine Treue".
Das heißt nicht, daß progressive Katholiken Stalinisten und Nazis sind, oder daß der Papst ein Diktator ist, sondern eher, daß da etwas inhärent absurdes an der Reduzierung des Katholizismus auf Politik ist, speziell im Zeitalter der sozialen Medien. Es kann sein, daß wer auch immer die Vergangenheit besitzt, die Zukunft kontrolliert, aber diese Bemühung, das "Narrativ zu kontrollieren", erfordert ein gewisses Nichtsehen und Vergessen, das ernsthaftem Nachdenken nicht standhalten kann. In der Tat ist das Bemerkenswerte an "Faggiolis Projekt" der Narrativ-Kontrolle, die auf das Voranbringen der progressiven Interpretation des II.Vaticanischen Konzils abzielt, wie sehr ihm ernsthaftes Nachdenken fehlt. Man könnte die Tweets, Bücher, Zeitungsartikel und Kolumnen dieses selbsternannten Theologen durchsuchen, der den Unterschied zwischen Theologie und Religions-Soziologie nicht zu kennen und niemals einem richtig theologischen oder philosophischen Gedanken oder auch nur der Wahrheitsfrage in mehr als in funktionalem und einem sachlichen Sinn begegnet zu sein. Faggioli stellt die Opposition gegen Franziskus häufig als Opposition gegen das Zweite Vatikanische Konzil dar, ohne dabei das Gegenteil in Betracht zu ziehen: Die Opposition gegen das Zweite Vatikanische Konzil könnte ihre Wurzeln in der Opposition gegen den derzeitigen Papst oder gegen die endlosen Machenschaften derer haben, die Faggioli "Papst-Franziskus-Katholiken“ nennt. Dennoch blühte der Traditionalismus im letzten Jahrzehnt wie nie zuvor auf, was ironischerweise darauf hindeutet, dass niemand weniger für eine authentische Rezeption des Konzils oder mehr für die Traditionalistenfeinde des Papstes getan hat als die selbsternannten Freunde des Papstes. Wenn Faggioli und Ivereigh wirklich das authentische Gesicht des Rates wären, wer müsste es dann nicht ablehnen?
Schwerwiegender als die Einschüchterung von Feinden ist die Tatsache, dass die unermüdliche Fokussierung des Sodalitium Franciscanum auf den Papst es den Katholiken schwer macht, an etwas anderes zu denken. Daher fällt es uns schwer, das Konzil und die Synode zur Synodalität in ihren historischen und intellektuellen Kontext einzuordnen. Wir können nicht erkennen, worum es in Blondels „widersprüchlichen Tendenzen“ grundsätzlich geht oder warum „die Kirche in der modernen Welt“ überhaupt eine so heikle Frage ist. Die Verabsolutierung der Politik ist ein Hauptsymptom der Krise des Katholizismus in der Moderne, denn die Übersetzung des Theologischen ins Politische ist eines der Kennzeichen der Moderne. Dementsprechend war eines der treibenden Anliegen des Konzils der Sieg einer wissenschaftlich-technischen Ordnung – und damit der Macht – über die Transzendenz Gottes und die Gegebenheit der menschlichen Natur.
Der Primat des Politischen war nie ein Fehler, der ausschließlich der katholischen Linken vorbehalten war. Im Frankreich des frühen 20. Jahrhunderts war es, um ein offensichtliches Beispiel zu nennen, ein Merkmal der Rechten. In jüngerer Zeit nahm dieser Vorrang in den Vereinigten Staaten die Form eines Versuchs an, konservativen Katholizismus und Neoliberalismus zu verschmelzen, ein Versuch, der derzeit durch die säkulare Erfüllung liberaler Prämissen in ihren technokratischen und totalitären Gegensätzen verfälscht wird, die das antichristliche Gesicht des Neoliberalismus offenbart haben. Ein "politischer Katholizismus“ besteht weiterhin im Integralismus und in der Traditionalismus-Nostalgie für den vorkonziliaren Status quo, aber es handelt sich hierbei um eine virtuelle Politik für eine virtuelle Welt, ohne wirkliche Zukunft in der Kirche oder in einer säkularen Welt, die auf ihrer Unterdrückung beruht. Die Dynamik kommt nun von dem, was Augusto Del Noce den "Neomodernismus“ des progressiven Katholizismus nannte, der viel besser auf die politischen Realitäten der Zeit abgestimmt ist und dessen belebende Voraussetzungen sich perfekt in Figuren wie Faggioli und Ivereigh widerspiegeln."
Fortsetzung folgt...
Quelle: Michael Hanby, firstthings
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