"Die nächsten Veränderungen kamen 2018 als Papst Franziskus diesen Abschnitt komplett neu verfaßte:
- Der Rückgriff auf die Todesstrafe seitens rechtmäßiger Autoritäten nach einem fairen Verfahren galt lange Zeit als angemessene Reaktion auf die Schwere bestimmter Verbrechen und als akzeptables, wenn auch extremes Mittel zum Schutz des Gemeinwohls.
- Heute wächst jedoch das Bewusstsein, daß die Würde des Menschen auch nach der Begehung schwerster Straftaten nicht verloren geht. Darüber hinaus ist ein neues Verständnis über die Bedeutung staatlicher Strafsanktionen entstanden. Schließlich wurden wirksamere Haftsysteme entwickelt, die den angemessenen Schutz der Bürger gewährleisten, den Schuldigen aber gleichzeitig nicht endgültig die Möglichkeit einer Wiedergutmachung nehmen.
- Folglich lehrt die Kirche im Lichte des Evangeliums, dass „die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie einen Angriff auf die Unverletzlichkeit und Würde des Menschen darstellt“, und sie setzt sich mit Entschlossenheit für ihre weltweite Abschaffung ein.
Hier gibt es viel zu sezieren. Am eklatantesten ist, daß Franziskus die Todesstrafe als "unzulässig“ bezeichnet. Das Wort ist so etwas wie ein theologisches Einhorn. Der Papst sagt nicht, daß die Todesstrafe grundsätzlich falsch sei – eine solche Aussage würde der unfehlbaren Lehre der Kirche widersprechen. Der Wortlaut macht die Todesstrafe jedoch obsolet: In der Theorie mag sie zwar nicht falsch sein, in der Praxis darf sie jedoch niemals vollstreckt werden. Noch besorgniserregender ist jedoch die Begründung dieser Unzulässigkeit. Was Johannes Paul skizzierte, zeichnet Franziskus in fetten Linien. Er verweist zweimal auf die Würde des Menschen und erklärt, daß das gegenwärtige Zeitalter ein sensibleres und verfeinertes Bewusstsein dafür habe. Die Behauptung untergräbt den Sensus fidelium – den Glauben, daß die Gläubigen die Wahrheit unfehlbar erkennen. Es ist nicht möglich, daß das treue Volk Gottes, einschließlich seiner Heiligen und Kirchenväter, in seiner gesamten Geschichte etwas so falsch gemacht hat, nur um dann durch die jüngsten Pontifikate aufgeklärt zu werden
Aber natürlich geht es hier nicht ausschließlich um die Todesstrafe. Am alarmierendsten in der obigen Passage ist die Veränderung der Lehre, die Franziskus beschreibt. Hier ist das Wort Veränderung wichtig. Wir sprechen nicht von Entwicklung der Doktrin - egal wie sehr Franziskus und seine Apologeten das auch behaupten. Eine Doktrin entwickelt sich dadurch, daß sie vollständiger und in sich selbst erkennbarer wird. In dieser Diskussion geht es um etwas ganz anderes. Was der Papst beschreibt ist keine Entwicklung, sondern ein Widerspruch: wir haben lange Zeit daran geglaubt, daß die Todesstrafe in Ordnung ist, aber jetzt schätzen wir die Menschenwürde so viel höher, deshalb glauben wir nicht nur, daß sie nicht in Ordnung ist, sondern müssen auch für ihre Abschaffung arbeiten. Das Thema der Todesstrafe ist so wichtig, weil es als mögliche Vorlage für jede Änderung der Lehre dienen kann, die man sich wünscht. "Wir haben lange Zeit X geglaubt, aber jetzt verstehen wir Y besser und deshalb glauben wir an Nicht-X."
Nicht nur die Korrektur des Katechismus durch den Papst war an sich falsch, sondern auch der Eindruck, den sie vermittelte. "Der Papst hat die Lehren der Kirche verändert“, lautete die allgemeine Aussage. Tatsächlich hat der Papst die Lehren der Kirche nicht geändert und verfügt auch nicht über die Befugnis, das zu tun. Der Eindruck, daß er es kann und es auch getan hat, bleibt das eigentliche Problem. Man erinnert sich an Richard Nixons berüchtigte Antwort gegenüber dem Interviewer David Frost: "Nun, wenn der Präsident es tut, bedeutet das, daß es nicht illegal ist.“ Die Erklärung bringt eine falsche und übertriebene Sicht auf die Exekutivgewalt zum Ausdruck. Ein ähnliches Gefühl hat sich in die katholische Psyche eingeschlichen: "Wenn der Papst es tut, bedeutet das, daß es nicht falsch ist.“ Daß die Möglichkeit eines päpstlichen Irrtums die meisten Katholiken überraschen und beunruhigen würde, unterstreicht den traurigen Zustand, in dem wir uns befinden. Sogar die Art und Weise, mit der der Papst handelt, trägt zur Verwirrung bei. Der Katechismus ist eine Erklärung der kirchlichen Lehre; er schafft keine kirchliche Lehre. Wenn ich in einem Restaurant bin und enttäuscht darüber bin, daß eine bestimmte Speise nicht verfügbar ist, erscheint sie auch nicht wie von Zauberhand auf meinem Teller, wenn ich sie auf die Speisekarte schreibe.
Wenn der Papst damit durchkommen kann, die Lehre zur Todesstrafe zu verändern, indem er feststellt, daß die Kirche und ihre Menschen bis gestern falsch lagen, ist schwer zu sehen, wie eine wahrscheinlich gefestigte Lehre vor einer ähnlichen Revision sicher ist. Und das ist genau der Punkt.
Um ein Haupt-Beispiel zu nehmen, bedenken Sie das Thema Frauen-Weihe. In einem Interview, früher in diesem Jahr, antwortete Kardinal Jean Claude Hollerich, Erzbischof von Luxemburg, der zur Zeit die Synode zur Synodalität beaufsichtigt, auf die Frage nach der Frauen-Weihe, indem er behauptete "Papst Franziskus will keine Frauen-Weihe und dem bin ich völlig gehorsam." Die Antwort beweist ein fehlerhafte Ekklesiologie. Der Kardinal spricht als ob die Nichtzulassung von Frauen zu den Hl. Weihen den persönlichen Vorlieben des aktuellen Papstes zu verdanken ist, denen der Kardinal nachgibt, bis dieser Papst seine Meinung ändert oder die Kirche den Papst wechselt. Er fügte dann hinzu: Es gibt keinen Weg, der Lehre des Papstes strikt zu widersprechen, aber es gibt manchmal eine Entwicklung, die zu anderen Schlußfolgerungen führen kann." Kardinal Hollerichs Worte geben das Spiel verloren: die Lehre, sogar die unfehlbare Lehre kann sich sio entwickeln, daß sie zum Gegenteil dessen wird, was sie vorher war. Tatsächlich stellen diese Worte das logische Ende dessen dar, auf das Papst Franziskus hingewiesen hat.
Auch sind die Worte des Kardinals kein isoliertes Beispiel. In der Verwirrung rund um Amoris Laetitia, dem ersten großen Doktrin-Skandal des Franziskus-Pontifikates, sprach Kardinal Christoph Schönborn über die Möglichkeit, jemanden in einer irrregulären Ehe-Situation zur Hl. Kommunion zuzulassen als "organische Entwicklung der Doktrin" Als er über die Möglichkeit befragt wurde, die Kirchenlehre zur Empfängnisverhütung zu ändern, beschwor Papst Franziskus selbst die Idee von Entwicklung und zitierte die Todesstrafe als Beispiel dafür, woe die Morallehre sich entwickeln kann und sich entwickeln sollte. Der Papst hat auch von einer Entwicklung in der Theorie der Kirche zum Gerechten Krieg gesprochen und damit 2000 Jahren lehramtlicher Lehre widersprochen. Das Muster wird klar.
Jedes Konklave muß die Erfordernisse der Kirche berücksichtigen und den Hirten wählen, der die Fähigkeiten hat, sie anzugehen. In anderen Zeiten der Geschichte mögen diese Fähigkeiten diplomatischer, administrativer, finanzieller oder evangelikaler Art sein. Die große Herausforderung für Franziskus´ Nachfolger ist doktrinale Sicherheit, den Katholiken den Mut ihrer Überzeugungen wiederzugeben und den apostolischen Glauben zu bekennen- immer alt immer neu- mit Klarheit und Feuer. Der nächste Papst muß danach streben, den Auftrag des Herrn an Petrus am Vorabend seiner Passion "stärke deine Brüder" zu erfüllen. Zweimal in seinen Briefen an Timotheus, ermahnt er Hl.Paulus ihn mit der Hauptaufgabe jedes Bischofs : "bewahre die Wahrheit, die dir anvertraut worden isr". Die Aufgabe des nächsten Papstes wird entmutigend sein, aber er täte gut daran, wenn er aus der Sixtinischen Kapelle kommt, die ersten Prinzipien zu beherzigen:Schütze den Glauben, stärke die Brürder. Und verursache kein Chaos."
Quelle: FR. B.Graebe, firstthings
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