Donnerstag, 28. Dezember 2023

Martin Mosebach zur Alten Messe, der Liturgie-Krise und Fiducia Supplicans

M. Caverzan hat den Schriftsteller Martin Mosebach für Messa in Latino zum Zustand der Kirche,  der Liturgie  zu "Fiducia supplicans" und der neu erschienenen Erweiterung seines Buches "Häresie   der Formlosigkeit..." befragt. Hier geht s zum Original:  klicken

"MOSEBACH: "ICH VERTEIDIGE DIE ALTE MESSE, DIE MODERNE RUINIERT DEN GLAUBEN."

Als Autor von Romanen, Erzählungen, Gedichten, Opernlibretti und Essays über Kunst und       Literatur, Reportagen und religiöse, historische und politische Themen, geboren in Frankfurt             am Main, wo er lebt und von wo aus er zu seinen Reisen aufbricht, von denen viele in sein        geliebtes Italien führen, ist Martin Mosebach einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller             der Gegenwart. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise, darunter 2013 den der 
Konrad-Adenauer-Stiftung, sowie den Essay über die 21 koptischen Märtyrer mit einem                Vorwort von Kardinal Robert Sarah, und veröffentlichte für Cantagalli di Siena, ebenfalls in                der Reihe "Spaemanniana" unter der Regie von Leonardo Allodi, L'eresia dell'forme – La              liturgia romana  e il suo "enemy", von dem gerade eine Neuauflage erschienen ist.

Warum haben Sie sich entschieden, Ihren Essay zur Verteidigung der Alten 
Messe zu erweitern?
"Der Kampf um die Rettung des alten römischen Ritus ist in eine neue Phase eingetreten.
Als das Buch 2001 zum ersten Mal in Deutschland erschien, gab es noch viele Gläubige,
die von Jugend an genaue Erinnerungen an den traditionellen Ritus hatten und dessen Ver-
lust mit tiefer Trauer aufnahmen. In der Zwischenzeit ist eine neue Generation herange-
wachsen, die sich der Tradition verschrieben hat, als Heilmittel gegen die Banalität, die
seit der Reform der Messe in die lateinische Kirche eingeführt wurde. Das war eher eine
Revolution als eine Reform."


Worin besteht die Häresie des Formlosen?
"In dem Irrtum, dass der Inhalt des Glaubens unverändert bleiben kann, wenn die Form 
seines Ausdrucks geändert wird. Es ist jetzt offensichtlich, dass der Glaube der Kirche 
durch die neue Form der Messe schwer beschädigt wurde."

Ist die Liturgie im Christentum ein Ritual, weil Christus der menschgewordene
Gott ist?
"
Die Kirche versteht die Liturgie nicht als Menschenwerk, sondern als Wirken Gottes,
der sich auf den Altären als Heilsopfer immer wieder neu verkörpert. Diese Realität kann
nur dann als glaubwürdig wahrgenommen werden, wenn die Subjektivität der Beteiligten
möglichst unsichtbar ist. Die Unterwerfung unter das Ritual macht jedem klar, daß man
durch sie keine Individuen machen, sondern sie zu Werkzeugen für das Wirken Gottes
machen will."

Was ist der Feind der römischen Liturgie?
"Die Vergötterung der Subjektivität. Die Umkehrung des Glaubens an den historischen
Christus in einen ahistorischen und undogmatischen Mythos. Der Widerwille gegen die
Schönheit, den Platon apeirokalia nennt, und die Liebe zur Deformation. Die Verleug-
nung der Tatsache, daß die Tradition keine Last für die Kirche ist, sondern ihr Wesen."

Was ist der Unterschied zwischen der "Reform", die am Ende des II. Vatikani-
schen Konzils eingeleitet wurde, und den Veränderungen, die sich im Laufe der 
Jahrhunderte in der Liturgie vollzogen haben?
"Natürlich hat es im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen in der Liturgie gegeben, 
es kann nicht anders sein. Schauen Sie sich nur den Unterschied zwischen einer romani-
schen Basilika, einer gotischen Kathedrale und einer Barockkirche an. Wichtiger ist jedoch, 
was immer gleich geblieben ist: die Ausrichtung des Zelebranten zusammen mit der 
Gemeinde auf den Herrn, der aus dem Osten zurückkehrt, die Sprache des Gottesdienstes 
und die Theologie des Opfers. Die Veränderungen, die organisch stattgefunden haben, 
haben in ihrer Entwicklung nichts verändert und sind anonym durchgeführt worden, ohne 
daß es einen klar definierbaren Urheber gegeben hätte, einen externen Reformer, der an 
einem bestimmten Punkt mit Autorität eingegriffen hat. Die Feier der Messe durch Papst 
Gregor den Großen bis 1968 hatte viel mehr gemeinsam als die Divergenz."



Kann man sagen, daß wir im letzten halben Jahrhundert die Entsakralisierung, 
Protestantisierung und Demokratisierung des Ritus erlebt haben?
"Vielleicht war das nicht die Absicht der 'Reformer', aber das ist das Ergebnis. In einem 
Land wie Deutschland, in dem es genauso viele Protestanten wie Katholiken gibt, gibt 
es keinen Unterschied mehr zwischen den Konfessionen in Glaubensfragen."

Als Kardinal schrieb Joseph Ratzinger: "In der Liturgie schaut der Mensch 
nicht auf sich selbst, sondern auf Gott; der Blick ist auf Ihn gerichtet. Darin 
darf der Mensch sich nicht so sehr erziehen, als vielmehr die Herrlichkeit 
Gottes betrachten«: Ist es das, was verloren gegangen ist?
"In den Ohren des gewöhnlichen zeitgenössischen Katholiken scheinen diese Worte 
Ratzingers aus einer sehr fernen Zeit zu stammen. Allein der Begriff der 'Herrlichkeit 
Gottes' kann einen den Kopf  schütteln lassen, weil die Theologen die verbliebenen 
Gläubigen daran gewöhnt haben, mit einem 'Gott auf Augenhöhe' zu sprechen."

Ist im Laufe der Jahre anstelle der Zentralität Christi die Gestalt des Priesters 
zum Protagonisten geworden und gleichzeitig die aktive Teilnahme der 
Gläubigen?
"Mit der ahistorischen Umkehrung der Ausrichtung des Zelebranten ist die Ausrichtung 
auf das Kreuz unmöglich geworden. An vielen Altären gibt es heute kein Kruzifix mehr, 
sondern ein Mikrofon, das die Stimme des Priesters bis in den letzten Winkel 
widerhallen lässt, damit ihn niemand vergisst. Bei traditionellen Feiern verschwindet
der Priester als Person."

Beurteilen wir heute den Erfolg einer Feier anhand der Willkommens-, 
Verabschiedung- und Kreativitätsmomente der Organisatoren?
"Heute muss jede Gemeinschaft ihr eigenes liturgisches Komitee haben, in dem sich 
die Laien neue Ausschmückungen der Liturgie, neue musikalische Programme und 
neue Gebete vorstellen können, die eine Autorität beanspruchen, die ihnen nicht 
zusteht."

Neigen diejenigen, die glauben, daß das wichtigste Vermächtnis Christi seine 
Lehre und die Worte der Evangelien sind, dazu, die gemeinschaftlichen Ele-
mente der Liturgie zu bevorzugen?
"Das Bewusstsein, daß die Liturgie ein Akt Gottes ist, ist in den Hintergrund gerückt. 
Daß es nicht um Lehren geht, sondern um das Zeugnis des Heilshandelns Gottes. 
"Die Katechese muss außerhalb der Liturgie stattfinden, was nicht mehr der Fall ist. 
Die Kirche, zumindest in Deutschland, hat sich von der systematischen Lehre des 
Katechismus verabschiedet. Die meisten Gläubigen, die heute die Messe
besuchen, kennen das Glaubensbekenntnis nur vage."

Glaubst du nicht, dass eine gewisse Vereinfachung und größere Unmittelbarkeit 
der Liturgie die Herangehensweise vieler junger Menschen begünstigt hat?
"Die Hoffnung der 'Revolutionäre der Messe' war es, den Massen den Zugang zur
Liturgie zu erleichtern. Diese Hoffnung hat sich jedoch zerschlagen. Die Abkehr von
der Religionsausübung begann mit der Reform nach dem Zweiten Vatikanischen
Konzil, denn schließlich hatte die Messe ihre Anziehungskraft verloren.

Machen sich diejenigen, die sich nach der tridentinischen Messe sehnen, des 
Ästhetizismus schuldig?
"Das ist ein besonders böswilliger Vorwurf, weil er den Anhängern der Alten Messe 
vorwirft,  nicht Glaubensfragen, sondern eine Art Operettenaufführung zu sein. 
Auf diese Weise wird versucht, von der Tatsache abzulenken, daß die neue Formel 
für große Teile der Gläubigen das depositum fidei beschädigt hat."

Was bringt Sie zu der Annahme, dass Benedikt XVI. die von Paul VI. 1969 ein-
geleitete "Reform der Reform" einleiten würde?
"Benedikt XVI. hatte schon als Kardinal verstanden, daß die Revolution der Messe dem 
Glauben schweren Schaden zugefügt hatte. Von Natur aus mied er jedoch gewaltsame 
Trennungen. Er wollte den Schaden umsichtig heilen und hoffte, daß durch die Wie-
dereinführung des traditionellen Opfergebets und auch durch die Rückkehr der Feier 
nach Osten der Bruch weniger brutal sein würde. Als Papst verstand er, daß der Wider-
stand gegen solche Korrekturen unüberwindlich sein würde,und so begründete er die 
Koexistenz der Alten und der Neuen Messe in der Hoffnung, daß ein neues liturgi-
sches Bewusstsein entstehen würde. Leider hat seine unerwartete Abdankung diesen 
Versuch gefährdet."

Im Juli 2021 schränkte Papst Franziskus mit der Verkündung des Motu proprio 
Traditionis custodes die Möglichkeiten, die Messe mit dem alten Ritus zu feiern, 
weiter ein und brachte ein pastorales Anliegen zum Ausdruck, um eine Starrheit 
kleiner Gemeinschaften zu vermeiden.
"Es muss anerkannt werden, dass diese Bedenken bestanden, weil durch das vorange-
gangene Motu proprio von Benedikt XVI., Summorum Pontificum, der liturgische Friede 
hergestellt worden war: Die Gemeinschaften, die mit dem alten Ritus verbunden waren, 
lebten mit denen zusammen, die den Reformritus praktizieren. Die Fortführung der 
traditionellen Liturgie zeigte, daß sich das Glaubensbekenntnis der Kirche nicht geändert 
hatte. Die Tatsache jedoch, daß neue Generationen den alten Ritus wiederentdeckten, 
muss die Bedenken geschürt haben, die zu Bergoglios neuem Motu proprio führten."

Rührt die Häresie des Formlosen von der vorherrschenden Konformität her, d.h. 
von der Gefahr, vor der der heilige Paulus im 12. Kapitel des Römerbriefes warnt?

"Die Ermahnung des Apostels Paulus im Brief an die Römer: 'Gleicht euch nicht der Men-
talität dieser Welt an', berührt den Kern unserer Situation. In der Tat stellt der alte Ritus mit
seiner Betonung der Hierarchie, des Übernatürlichen und des Überzeitlichen den wichtigsten
und wirksamsten Akt des Widerstands gegen die »Welt« dar, von der Paulus spricht. Es
ist die entschiedene Weigerung, sich mit den Maßstäben der zeitgenössischen Antikultur
abzufinden."

Was halten Sie von der vom Präfekten des ehemaligen Heiligen Offiziums, Victor 
Manuel Fernández, unterzeichneten und von Franziskus gebilligten Erklärung 
Fiducia Supplicans, die die Segnung homosexueller Paare ermöglicht, was die 
meisten deutschen Bischöfe zur Freude gebracht hat, aber gleichzeitig den 
Wind des Schismas in der Kirche geschürt hat?

"Fiducia supplicans folgt der schlechten Praxis, die bereits in den Dokumenten des II. 
Vatikanischen Konzils, zum Beispiel in der Erklärung über die Religionsfreiheit, angewandt 
wurde, nämlich Bruch und Tradition zu vermischen und gleichzeitig zu erklären, daß die von 
der Kirche überlieferte Lehre intakt bleibt. Das ist die Gerissenheit der Jesuiten, die Blaise 
Pascal in den Provinzialen gut beschrieben hat. Gewisse Pseudo-Spitzfindigkeiten, wie 
die Erfindung verschiedener Klassen von Segnungen, hinter denen sich der Präfekt des ehe-
maligen Heiligen Offiziums verschanzt, werden aus der Praxis gestrichen, und niemand 
wird sie verhindern können. Die deutschen Bischöfe sehen in dem Dokument mehrheitlich 
eine Verbeugung des Vatikans vor ihren Forderungen und fühlen sich bestätigt. 
Die Gefahr eines Schismas – das doch für die Scheidung der Geister fast eine gute Sache 
wäre – ist mit dieser lauwarmen Lösung nicht gebannt. Gewisse kluge Taktiken schaden vor
allem der Autorität des Inhabers  des Heiligen Stuhls."

Quelle: M Caverzan,  M. Mosebach, LNBQ

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die nach der DSGVO nötige Zustimmung, dass dieser, im Falle seiner Freischaltung, auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger« Software vorgegeben ist, dass Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie diese angeben, ebenfalls gespeichert wird. Daher stimmen Sie, sofern Sie Ihre email Adresse angeben, einer Speicherung zu. Gleiches gilt für eine Anmeldung als »Follower«. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars wünschen, können Sie dies, unter Angabe des Artikels und Inhalt des Kommentars, über die Kommentarfunktion erbitten. Ihr Kommentar wird dann so bald wie möglich gelöscht.