In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican analysiert und kommentiert A. Gagliarducci die beiden unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen Papst Leo seine Entscheidungen trifft.
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"PAPST LEO - DIE BEIDEN GESCHWINDIGKEITEN"
"Die Schlussfolgerungen der von Franziskus eingesetzten Kommission zum weiblichen Diakonat – im Grunde ein klares, aber zurückhaltend formuliertes „Nein“, das kaum jemanden überraschte – wurden letzte Woche veröffentlicht, zeitgleich mit der Entscheidung Leos XIV., eine der Finanzreformen von Papst Franziskus aufzuheben.
Die beiden Ereignisse standen zwar in keinem Zusammenhang, verdeutlichen aber ein Charakteristikum dieses Pontifikats: Auch Leos Pontifikat verlief in zwei unterschiedlichen Tempi. Das Pontifikat von Franziskus auch. Die Gründe und Merkmale dieser beiden zwei-Tempi-Pontifikate sind jedoch verschieden.
Franziskus’ Pontifikat war ein zwei Phasen-Pontifikat, weil er Entscheidungen oft im Alleingang traf, während seine Regierung noch in Verfahren verstrickt oder unsicher war, wie es weitergehen sollte.
Das Pontifikat Leos XIV. ist anders
Es ist ein zweifaches Pontifikat, zumindest im Moment, weil es noch immer als Brücke zwischen einer Welt fungiert, die nicht mehr existiert – dem Pontifikat von Franziskus – und einer Welt, die noch kommen wird, dem Pontifikat Leos XIV.
So befinden sich beispielsweise zwei von Papst Franziskus beim Dikasterium für die Glaubenslehre in Auftrag gegebene Dokumente noch in Bearbeitung.
Zwei der vier von Franziskus in Auftrag gegebenen Dokumente – das zur Monogamie und das zu den Titeln Mariens – wurden bereits veröffentlicht. Zusammen bilden diese vier das Mandat, das Papst Franziskus dem Dikasterium erteilt hat. Leo XIV. hat das von Papst Franziskus hinterlassene Schreiben „Dilexi Te“ über die Armen veröffentlicht. Er erklärte sich bereit, sich mit Volksbewegungen zu treffen und eine Rede zu halten, die in Ton und Thematik ganz und gar die Handschrift von Papst Franziskus trug und damit ein kontroverses Erbe annahm.
Während das sichtbare Situationen sind, gibt es viele weitere, subtilere Themen. Kardinäle, Erzbischöfe und Kurienbeamte nehmen jedoch mit großer Vorsicht unterschiedliche Positionen ein und berufen sich dabei oft auf Papst Franziskus, als fürchteten sie, sein Erbe zu verlieren, oder, schlimmer noch, als laste es wie ein Mühlstein auf allen, den man nie abschütteln könne.
Die unter Papst Franziskus angefangenen Dokumente haben den pragmatischen Stil des verstorbenen Papstes und einige spezifische Themen bewahrt. Das gilt für die überarbeitete Ökumenische Charta, ein Dokument, das vom Bedürfnis nach Dialog mit der Welt angetrieben ist, sowie für die Abschlussdokumente der synodalen Arbeitsgruppen, die zwischen der abgeschlossenen Arbeit, die zu veröffentlichen, sie sich weigern und dem noch unbekannten Willen Leos XIV. in der Schwebe befinden.
Aber das passierte auch mit dem endgültigen Bericht der Kommission für das Diakonat der Frau.
Das Dokument, das am 4. Dezember veröffentlicht wurde, beleuchtet eine Reihe von Themen. Mehrere Seiten befassen sich mit detaillierten Beschreibungen spezifischer Typologien und Angaben zur Anzahl der Zustimmungen und Ablehnungen für jede Antwort. Entscheidend sind jedoch die Schlussfolgerungen von Kardinal Giuseppe Petrocchi, die letztlich die Notwendigkeit einer „umsichtigen Haltung“ in der Frage des weiblichen Diakonats bekräftigen, insbesondere angesichts der unsicheren historischen Kenntnisse zu diesem Thema.
Das ist keine neue Position. Bereits die von Johannes Paul II eingerichetete Kommission war zu ähnlichen Schlußfolgerungen gekommen. Franziskus hat für dieses Thema drei Kommissinen eingesetzt, als ob er eine Thema am Leben erhalten wollte, an das er selbst nicht glaubte. Aber der endgültige Text zeigt auch, wie genau diejenigen, die am Dokument gearbeitet haben, wußten, daß Papst Franziskus sich eine Tür offen halten wollte. Warum weiß niemand. Um der öffentlichen Meinung "zuzuzwinkern", weil Papst Franziskus das Thema früher oder später selbst angehen wollte.
Leo XIV. verfolgte von Anfang an einen klaren Kurs. Er erklärte, er habe nicht die Absicht, die Lehre zu ändern, und rief zur Rückkehr zu Christus auf. Mit seinem christuszentrierten Ansatz hat er diese Debatten im Grunde überflüssig gemacht. Das Dokument schließt einen Kreis. Sein Tonfall offenbart die Unmöglichkeit, sich einer neuen Welt zuzuwenden und den Kurs zu ändern.
Dies ist das gebremste Tempo des Pontifikats.Weil diejenigen, die Papst Franziskus und seiner Vision treu geblieben sind, nicht zum Alten zurückkehren, sondern stattdessen versuchen, diese Sichtweise mit allen Mitteln zu rechtfertigen und zu erklären, selbst gegen alle Widerstände.
Dann ist da das zweite Tempo des Pontifikates: das Treffen von Entscheidungen. Leo XIV trifft Entscheidungen langsam aber unerbittlich. Zur Zeit sucht er das Gleichgewicht zwischen der alten und der neuen Welt, handelt aber bei einigen spezifischen Themen entschieden.
Was die Ernennung von Bischöfen betrifft, behält er im Wesentlichen das Vorgehen bei, das er selbst als Präfekt der Bischofskongregation unter Papst Franziskus eingeführt hat, wie die Ernennung von Kardinal Grzegorz Ryś zum Erzbischof von Krakau beweist.
Dann sind da die Entscheidungen zur Administration und bei diesen scheint Leo XIV sich sehr schnell zu bewegen.
Zuerst ist da der Widerruf der Entscheidung von Papst Franziskus, alle finanziellen Investitionen ausschließlich dem IOR zu überlassen. Dann wurde der Franziskus´ Beschluss den zentralen Sektor der Diözese Rom abzuschffen, revidiert; am 4. Dezember hat Leo XIV in einem Handschreiben von chirurgischer Präzisiom, die von Papst Franziskus im Februar 2025 eingerichtete Kommission für Päpstliche Stiftungen abgeschafft. Diese Kommission hat ein Budget von 300.000 € und wurde vom damaligen Assessor Msgr. Roberto Campisi geleitet (der von Leo als Beobachter zur Unesco gesandt wurde) und war für die Entwicklung professioneller Fundraising -Kriterien verantwortlich.
Papst Franziskus hat sich- wie immer während seines Pontifikates- dazu entschieden, eher die Anzahl der Strukturen zu verdoppeln, als bestehende zu stärken und zu professionalisieren. Leo XIV hat so eine andere Vorgehensweise gezeigt, eine, die die Ämter der Kurie stärkt und professionalisiert. Zudem wurde die Entscheidung, die Kommission abzuschaffen, direkt nach der Veröffentlichung des Budgets des Hl. Stuhls getroffen, das nicht so negativ ausfällt wie in der Vergangenheit sondern bei den Dekasterien ein leichtes Plus und eine Halbierung des Defizits im strukturellen Geschäft aufweist.
Dieser Richtugswechsel des Budgets läßt vermuten, daß die Krise vielleicht weniger schwer was als zuvor gedacht und daß die WIrtschaftszahlen unter Papst Franziskus fast zu einer Entschuldigung wurden. radikale Reformen durchzuführen, -vielleicht mit Hilfe zusätzlicher Kommissionen.
Mehr noch als die reinen Zahlen selbst, verblüfft die Interpretation und der emotionale Schock, der sie begleitet hat. Leo XIV jedenfalls scheint seinerseits zu versuchen, die Dinge sozusagen zu einer sicheren "institutionellen Normalität" zurück zu führen.
Es bleibt abzuwarten, wie die beiden Geschwindigkeiten nach dem Konsistorium im Januar vielleicht zu einem Gleichgewicht finden können. "
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican
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