In seiner heutigen Kolumne in "Monday in the Vatican" kommentiert A. Gagliarducci den derzeitigen Stand der -wie es schien neverending- "Kurienreform" des amtierenden Pontifex´, der er die völlige Abwesenheit einer spirituell-theologischen Grundlage attestiert und ihre Risiken.
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"PAPST FRANZISKUS VOR DEM ENDGÜLTIGEN ENTWURF DER KURIENREFORM?"
Das Treffen des Kardinalsrates am 6. Mai diente laut Pressebüro des Hl. Stuhls dazu, die "Arbeitsmethodik" zu diskutieren, die bei der Revision und Korrektur einiger Regeltexte angewandt werden soll, die der kommenden Inkraftsetzung der nächsten apostolischen Konstitution folgen werden." Das bedeutet, daß es einen Text gibt, daß seine Veröffentlichung bevorsteht und daß die Kurienreform fertig ist. Aber auch, daß der genaue Text noch weiter bearbeitet werden muß. Tatsächlich müssen sogar die legislativen Texte an die neue Konstitution angepaßt werden.
Dieses Statement ist ein weiteres Merkmal des modus operandi von Papst Franziskus. Wenn er eine Idee hat. gibt es keine Tradition, kein Gesetz. Er wiederholt oft, daß wir nicht in die Versuchung des "Ddas haben wir immer schon so gemacht" geraten würden. Der Papst wendet diese Worte auch auf die Tradition oder das Recht an.
Es war 2013 als Erzbischof José Rodriguez Carbvallo. Sekretöd der Kongregation für das Geweihte Leben, betonte, daß der Papst selbst gesagt habe, daß der Kodex des Kanonischen Rechts wenn nötig verändert werden könnte. Der Erzbischof meinte Änderungen der Regeln für das Noviziat, aber der Papst selber erklärte, daß er sich wirklich auf den CIC im Allgemeinen bezogen habe.
Einige sagen, daß Papst Franziskus´ Pontifikat ein Pontifikat der Gesten ist. Das stimmt nicht. Es ist ein sehr normatives Pontifikat, weil der Papst viele Gesetze formuliert und veröffentlicht hat.In vielen Fällen waren das Änderungen, die durch ein motu proprio oder ein rescriptum ex audientia S.S. öffentlich werden. Das heißt, durch ein persönliches Dokument des Papstes und eine nach einer Audienz hinterlassenen, unterchriebenen Notiz. Es lohnt sich, auf diese Mitschriften und diese motu proprio zu schauen, um die Wirkung zu verstehen, die der Papst auf die Regierung der Universalen Kirche hat. Und zusammen mit diesen Dokumenten müssen die Entscheidungen über Mitarbeiter und Ernennungen bedacht werden, weil der Papst durch diese Entscheidungen die Kurie "designt" und die Regeln anwendet, die später in der neuen Konstitution stehen werden.
Jetzt werden über die apostolische Konstitution hinaus weitere Dokumente erwartet- wie die Reform des Domkapitels von St. Peter oder sogar weitere Finanzregeln, weil der Hl. Stuhl sich zunehmend auf ein zentralisiertes Investment-Management zubewegt, das der APSA (Administration des Patrimoniums des Apostolischen Stuhls) anvertraut ist. Es gab auch die Reform des Rechtssystems, einige Tage später gefolgt von einer Reform, die das Amt der Staatsanwaltschaft des Gerichts mit dem Appellationsgericht verschmilzt.
In der Praxis trifft Papst Franziskus die Entscheidungen und dann muß sich alles anpassen. In diesem Sinn überrascht das Statement des Kardinalsrates nicht. Gleichzeitig weist das Statement darauf hin, daß es Probleme gibt.
Als Johannes Paul II Pastor Bonus promulgierte, die Apostolische Konstitution, die die Arbeit der Kurie regelt, hatte es 20 Jahre Vorbereitungsarbeit gegeben. Die Arbeit ging in die Zeit von Paul VI zurück und betraf vor allem praktisch-theologische Sitautionen: was muß getan werden, um das zu verwirklichen, was das II.Vaticanische Konzil sagte? Wie kann diese Konkretisierung auf die Organisation der Regierung der Kirche angewandt werden? Wie passen diese Neuerungen zum Kanonischen Recht, wie können sie angepaßt werden?
Das war ein modus operandi, der u.a. zeigte, daß die "Neuheiten" des II.Vaticnaischen Konzils nicht aus dem Nichts kamen und tatsächlich die ganze Arbeit, die zuvor gemacht worden war, berücktsichtigten. Das Kanonische Recht konnte gemäß der Umstände angepaßt werden, weil es die zugrunde liegende Struktur jeder Reform ist.
Der Zugang von Papst Franziskus zur Reform ist ein ganz anderer. Er hat mehrmals festgestellt, daß die Reformen "unterwegs" gemacht werden. In Wirklichkeit ist der Diskurs- ohne jede vorausgehende spirituell-theologische Diskussion- sehr auf die Funktionen der Dikasterien und ihre Rolle fokussiert- und wenig auf die Vision, die sie beinhalten.
Das war die Ursünde der Treffen des Prä-Konklaves, konzentriert auf die Probleme der Kirche aber mit wenig Aufmerksamkeit für irgendeine spirituelle Linie, die befolgt werden sollte. Während der Sitzungen, wurde darüber gesprochen, das IOR abzuschaffen und die Macht des Vaticanischen Staatssekretariates zu begrenzen und ein neues, der Kirche günstiges Narrativ zu schaffen.
Papst Franziskus nahm am Ende diese Reform-Agenda und betrachtete sie als seinen Marschbefehl, weil sie auch so beschrieben worden war. Und er handelte mit konkreten Schritten. Viele der Reformen entsprechen genau den Forderungen der Prä-Konklave-Treffen, vom Kardinalsrat bis zur Idee, die Macht des Vaticanischen Staatssekretariates zu begrenzen.
Die wahre Frage ist jedoch, wie sehr diese konkreten Reformen beeinflußt werden können. Ohne einen Leitgedanken kann alles manipuliert werden. Ohne eine theologische Vision ist die Kurie nur eine Struktur wie jede andere und das Kanonische Recht ein Instrument, das verändert werden kann.
Deshalb besteht die reale Gefahr, eine Institution wie den Hl. Stuhl mit seiner 2000-jährigen Geschichte weniger institutionell zu machen. Das ist kein kleines Risiko. Im Text der kommenden Konstitution wird man sehen können, ob dieses Risiko richtig eingeschätzt wurde."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican
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