"Die Präsidentschaftswahlen in Argentinien haben die Aufmerksamkeit wieder auf die politischen Visionen von Papst Franziskus gelenkt, seinen Enthusiasmus für die Volksbewegungen. Die Utopie einer neuen kommunistischen und papistischen Internationale."
von Sandro Magister, Rom 12. 8.2015
"VON PERON ZU BERGOGLIO. MIT DEM VOLK, GEGEN GLOBALISIERUNG"
"Die Vorwahlen in Argentinien am letzten Sonntag haben verstärkte Aufmerksamheit gefunden-auf Grund dessen, daß Jorge Mario Bergoglio argentinischer Staatsbürger ist.
Die diesjährige Präsidentenwahl ist für den 25. Oktober vorgesehen, mit einer wahrscheinlichen Stichwahl am 24. November, sollte keiner der Kandidaten mehr als 40% der Stimmen erhalten und den Zweitplatzierten um mindestens 10% schlagen.
Aber am Sonntag, 9.August fanden die Vorwahlen für die Kandidaturen im Kampf um die Casa Rosada, das Präsidentenamt statt. Cristina Fernandez de Kirchner ist am Ende ihrer zweiten vier-jährigen Amtsperiode und kann deshalb nicht wiedergewählt werden,.
Die Frage bei den Vorwahlen war also Sieg oder Niederlage für ihren Nachfolgekandidaaten- und somit Ende oder Fortführurng des Kirchnerismus- seit 2003 an der Macht, erst mit Nestor Kirchner und dann seit 2010 mit seiner Witwe.
Das Wahlergebnis hat das Rätsel nicht ganz lösen können.
Daniel Scioli, 58, der scheidende Präsident der Region Buenos Aires und "Frente-para-la-Victoria"-Kandidat, Kirchners Partei erhielt, 38,3% der Stimmen.
Aber Mauricio Macri, ein Geschäftsmann der rechten Mitte, früherer Präsident des Boca Junior Fußballclubs und scheidender Bürgermeister von Buenos Aires, Führer der "Propuesta Republicana Partei" lag mit 30,2 % nicht weit zurück.
Und dann ist da noch ein dritter Mann: Sergio Massa, Parteichef von "Frente Renovador", einer gemäßigten Version des Kirchnerismus mit 20,6 %.
Auf einem Foto posierten die beiden führenden Rivalen Scioli und Macri bei der jüngsten Buchmesse in Buenos Aires vor dem Bild des Papstes. Und die Frage ist: welchen von beiden bevorzugt der Papst? Aber vorher noch: für was stehen die beiden?
Beim Aufgalopp der argentinischen Vorwahlen hat Professor Marco Olivetti, ordentlicher Professor für Verfassungsrecht an der Universität von Foggia und führender Experte für politische Systeme den Kirchnerismus an sich und in seinem lateinamerikanischen Umfeld in einem tiefschürfenden Artikel in Avvenire beschrieben.
"Kirchnerismus ist die letzte Reinkarnation des Peronismus, nach der ersten ursprünglichen, vage faschistischen Form bei Juan Domingo Perón und Evita, der marktwirtschaftlichen Version des sterbenden Perons und seiner dritten Frau Isabella während der 70-er Jahre und der neoliberalen Form von Carlos Menem während der 90-er Jahre.
Er enthält die sozialistische Variante, kontinuierlich in den para-revolutionären Gruppen präsent, die Argentinien in den frühen 70-er Jahren infizierten und durch die traditionellen peronistischen Gewerkschaften weitergeführt wird.
Den größten Rückhalt hat der Kirchnerismus bei Personen mit niedrigem Einkommen und niedrigem Bildungsgrad,
Die Kennmarke des Kirchnerismus ist der Populismus, die Identifizierung mit dem "guten Volk" .
Jetzt in vielen lateinamerikanischen Ländern auf fruchtbaren Boden gefallen : von Chavez´ Venezuela zum Bolivien Morales´, vom Brasilien Lulas und Dilams zum Equador Correas- mit allen landestypischen Unterschieden."
Sciolis Hauptgegner Marci dagegen repäsentiert die Koaltion "Cambienos", sie umfaßt außer der Partei Propuesta Repulicana, die Union Civica Radical, die in den 90-ger Jahren die andere große Partei Argentiniens war- in Opposition zu den Peronisten -, sowie die 2002 gegründete Coalicion Civiaca para la Afirmacion de una República Igualitaria, diese wird immer noch von der katholischen Juristin und Abgeordeten Elisa Carrió angeführt.
Die erste Frau Argentiniens, die sich um die Casa Rosada bewirbt, hat sich gegen die Legalisierung der Abtreibung und der HS-Ehe gestellt-aber für die legale Anerkennung homosexueller Partnerschaften gestimmt. Carrió ist eine alte Freundin Bergoglios. Sie sagte seine Wahl zum Papst bereits im Jahr 2001 voraus.
Aber sie macht kein Geheimnis daraus, daß Franziskus mit seiner Unterstützung der Kirchnerismus in Argentinien auf falsche politische Karte setzt, mit dem Risiko sein Land so enden zu sehen wie Venezuela, wovor nur eine gründliche marktwirtschaftliche Reform es bewahren könne.
Es gibt keine ausdrücklichen Äußerungen von Papst Franziskus, die so ein Urteil untermauern. Aber daß er eine eigene politische Vision für Argentinien hat, und das große lateinamerikanische Vaterland- steht außer Zweifel, auch nach einigen Handlungen und Bemerkungen während seines Pontifikates zu urteilen.
Die jüngste päpstliche Reise nach Equador, Bolivien und Paraguay war erhellend.
Franziskus hat seine Affinität zu den Präsidenten der beiden erstgenannten Länder nicht verborgen, während er dem dritten, einem Konservativen gegenüber Kälte demonstrierte und ihn öfffentlich eines Verbrechens bezichtigte, das er nie begangen hatte-grell mißverstanden vom Papst,.
Aber das wahre politische "manifesto" Papst Bergoglios war seine lange Rede, die er in Santa Cruz , Bolivien, vor den globalisierungsfeindlichen Volksbewegungen Lateinamerikas und des Restes der Welt hielt, die er ein zweites mal um sich versammelte, weniger als 1 Jahr nach dem ersten Treffen in Rom. In beiden Fällen mit einem Platz in der ersten Reihe für den "Cocalero"-Präsidenten Boliviens, Evó Morales.
Liest man die beiden Reden noch einmal durch, ist es verblüffend, das Markenzeichen,.um das Wort Marco Olivettis zu benutzen- wiederzufinden: Populismus, Identifikation mit dem "guten Volk" ist- genau so wie es den sozialistischen argentinischen Peronismus der Kirchner-Ära charakterisiert- während der die Zahl der Unterstützungsempfänger sich verdreifachte und jetzt 15,3 Millionen Menschen umfaßt, 36% der Bevölkerung.
hier die beiden päpstlichen Reden:
> To the second world meeting of popular movements, July 9, 2015
> To the first world meeting of popular movements, October 28, 2014
Das "Volk", in dem Papst Franziskus die Avantgarde einer weiltweiten Revolution gegen das transnationale Imperium des Geldes sieht, setzt sich-wie er selbst beschreibt- aus Müllmännern, Recyclern, Schneidern, Handwerkern, Fischern, Landarbeitern, Bauarbeitern und Bergleuten zusammen. Ihnen gehört-wie er sagt- die Zukunft der Menschheit. Dank eines Prozesses, der sie an die Macht bringt und die formalen logischen Ahläufe einer Demokratie übersschreitet..
Nach dem Urteil von James V. Schall, dem früheren Philosophieprofessor der Universität Georgetown Washington, ist die Rede von Santa Cruz " Bergoglio pur" mit einer politischen Vision die näher bei Joachim von Fiore als bei Augustinus von Hippo liegt.
.> Apocalyptic and Utopian: On Pope Francis’ Bolivian Manifesto
Aber auch von Cristina Kirchners Partei und deren Bergoglio-Zirkeln sind berechnende Unterstützungsgesten für diese Sichtweise des Papstes gekommen.
Im vergangenen März hat die argentinische Kulturministerin Teresa Parodi im riesigen und dicht gefüllten Teatro Cervantes in downtown Buenos Aires ein internationales Forum für Emanzipation unf Gleichheit organisiert, zu dem sich auch die internationalen "Stars" der antikapitalistischen Oppostion einfanden.
Und am Nachmittag des 13.März kamen nach einander Leonardo Boff, alter Befreiungstheologe, der zu Mutter Erde konvertierte, der Italiener Gianni Vattimo. der Philosoph des "schwachen Denkens" und der Argentinier Marcelo Sanchez Sorondo, Erzbischof und Kanzler der Päpstlichen Akdamenien der Wissenschaft und der Sozialwisschenschaft und Hauptberater Papst Bergoglios ans Mikrophon.
Unter großem Beifall und mit einem zufriedenen Erzbischof Sanchez Sorondo an seiner Seite, hielt Vattimo ein Plädoyer für eine neue "kommunistisch-papistische Internationale", mit Franziskus als unangefochtenem Führer, dem einzig Fähigen, eine poltisiche, kulturelle und religiöse Revolution anzuführen gegen die exzessive Macht des Geldes. Der schon begonnene Bürgerkrieg- als Kampf gegen den Terrorismus getarnt- sagte er- ist in Wirklichleit der Klassenkampf des 21. Jahrhunderts gegen die Vielzahl der Kapitalismusgegner.
Quelle: www.chiesa, Sandro Magister
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