Donnerstag, 28. Januar 2021

S.Magister: Präsident Biden, die Katholische Kirche & die Religionsfreiheit

S. Magister kommentiert bei Settimo Cielo den Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten. die möglichen  Auswirkungen auf das religiöse Leben in den USA und die unterschiedlichen Standpunkte der Kirchenhierarchie. 
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"BIDEN SPALTET DIE KIRCHE AUCH. FREIHEIT JA. ABER UM WAS ZU TUN?" 

Das oben wiedergegebene Titelbild von "Times" zeigt das Datum vom 12. Dezember 1962. Im Monat davor war John F. Kennedy zum ersten Katholischen Präsidenten der USA gewählt worden.  Und der Jesuit auf dem Titel , John Courtney Murray , erschien dort als der große Theoretiker einer katholischen Vision von Religionsfreiheit, die endlich mit dem Pluralismus der amerikanischen Gesellschaft kompatibel war.

Es war Murray, den das Kennedy-Team um Rat bei der Formulierung der berühmten Rede bat, den der zukünftige Präsident dann am 12. September in Houston vor einem Publikumn aus protestantischen Pastoren hielt, um die Ängste zu zerstreuen- die damals in der amerikanischen Gesellschaft weit verbreitet waren- daß er sich dem Diktat einer den modernen Freiheiten feindlich gegenüber stehenden Katholischen Hierarchei unterwerfen würde. 

In diesem Jahr 1960 hatte Murray auch ein Buch veröffentlicht, das direkt darauf abzielte, diese Ängste zu zertreuen- gleich mit dem Titel beginnend, der auf der Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776 fußte, "Wir glauben diese Wahrheiten. Katholische Überlegungen zum amerikanischen Angebot." 

Das Buch wurde bahnbrechend. 1965 -auf dem Höhepunkt des II. Vaticanischen Konzils- wurde es in Italien von Morcelliana, dem mit Papst Paul VI verbundenen Verlag in Brescia, übersetzt. Und Murray , der als Peritus für die amerikanischen Bischöfe nach Rom ging, war der Hauptinspirator und Autor der Konzils-Erklärung "Dignitatis Humanae" - die am 7. Dezember jenes Jahres angenommen wurde, und die einen epochalen Wendepunkt für die Religionsfreiheit darstellte. 

Das Richtige dieses Wendepunktes war für Paul VI so überzeugend, daß er wollte, daß am 21. September vom Konzil über die allgemeine Ausrichtung des Textrs abstimmt und ihm zugestimmt werden sollte, um wenige Tage später- ausgerüstet mit diesem "Pass" in die USA und zur UNO zu reisen. 

Die Bedeutung von Dignitatis Humanae wird auch durch die Tatsache bestätigt, daß es bis heute das umstrittenste Dokument des II. Vaticanischen Konzils wurde. 

Seine Ablehnung hat sogar zu einem Schisma geführt- dem der Anhänger des traditionalistischen Erzbischofs Marcel Lefebvre und heute seines noch ungezügelteren Nachahmers Erzbischof Carlo M. Viganò, dessen letzte Rolle seltsamerweise die des Apostolischen Nuntius in den USA war. 


Es ist daher nicht überraschend, daß Benedikt XVI in seiner erinnerungswürdigen Rede vom 22. Dezember 2005 keinen anderen Text als Dignitatis Humanae als Beispiel für die korrekte Interpretation des II. Vaticnaischen Konzils als "wirkliche Reform" wählte, die aus einer Kombination von Kontinuität und Diskontinuität bestand."  

Und einer der Gründe für die Abkehr der Kirche von ihren antiliberalen Positionen des 19. und 20. Jahrhunderts wurde von Papst Joseph Ratzinger genau im amerikanischen Modell identifiziert. 

Die Leute stellten fest, daß die Amerikanische Revolution ein Modell für einen modernen Staat anbot, das sich vom theoretischen Modell mit radikalen Tendenzen, wie es während der zweiten Phase der Französischen Revolution entstand, unterschied." 

Das amerikanische Modell hat seine zwei Grundpfeiler im ersten Zusatz der amerikanischen Verfassung: "kein Establishment",  die Ablehnung einer Staatsreligion und "freie Ausüßbung", die Freiheit den eigenen Glauben öffentlich zu bezeugen. 

Für Murray liegt der Ursprung dieser Prinzipien beim Philosophen des 17. Jahrhunderts John Locke, der sich wiederum auf den Hl. Thomas und den Hl. Augustinus bezog. 

Während für Benedikt XVI die unmittelbare Inspiration von den Freiheitsprinzipien mehrerer moderner Staaten stammt- im Grunde aber von Jesus Christus selbst- und den "Märtyrern der frühen Kirche" , die für die Freiheit des Gewissens und die Freiheit. den eigenen Glauben zu bezeugen, starben, für ein Zeugnis, das kein Staat aufzwingen kann, das statt dessen nur durch Gottes Gnade in der Freiheit des Gewissens gegeben werden kann." 

So wird nun also Murrays Buch, das vor und beim Kionzil eine so wichtige Rolle spielte, in Italien herausgegeben- genau zur selben Zeit, in der der zweite katholische Präsident der USA, Joe Biden, ins Weiße Haus einzog.

>John Cortney Murray: "Wir glauben an diese Wahrheiten. Katholische Überlegungen zum "amerikanischen Prinzip"  Morcelliana, Brescia, 2021. 

Die Einführung zu dieser Neuveröffentlichung des Buches wurde von Prof. Stefano Ceccanto geschrieben,  Professor für Vergleichendes Öffentlichkeitsrecht an der Universität Rom "Sapienzia" und Abgeordneter der Demokratischen Partei, der in seiner Jugend auch Präsident der katholischen Studenten war, und während Bidens Vereidigung am 20. Januar vollständig im Osservatore Romano wiedergegeben. 

Wir glauben  an diese Wahrheiten

Ist dann zwischen der Katholischen Kirche und dem neuen amerikanischen Präsidenten im noblen Kielwassser von Murray und "Dignitatis humanae" alles Friede und Harmonie? 

Nicht alles. Weil bei Biden wieder klar geworden ist, daß das Problem nicht einfach Religionsfreiheit ist, sondern was mit dieser Freiheit gemacht wird. 

Daß der Streit real ist und weit davon entfernt, gelöst worden zu sein, kann man auch am unterschiedlichen Tonfall der beiden hochrangigen kirchlichen Botschaften, zur Begrüßung des Einzugs Bidens ins Weiße Haus erkennen, derjenigen von Papst Franziskus und der des Präsidenten der us-amerikanischen Bischofskonferenz, dem Erzbischof von Los Angeles, José Horacio Gómez.

Papst Franziskus beschränkte sich darauf, den neuen Präsidenten kurz auf den Aufbau "einer Gesellschaft, die durch wahre Gerechtigkeit und Freiheit gekennzeichnet ist, zusammen mit einem beständigen Respekt vor den Rechten und der Würde jedes Menschen- besonders der Armen und jener, die keine Stimme haben." 

Erzbischof Gómez andererseits fuhr in einer viel breiteren und detaillierteren Botschaft, die in Englisch und Spanisch herausgegeben wurde,  nachdem er den ernsthaften Katholischen Glauben des neuen Präsidenten und sein dauerhaftes Engagement für die Priorität des Evangeliums für die Armen anerkannt hatte, so fort: 

"Als Hirten haben die Bischöfe des Landes die Pflicht, das Evangelium in seiner ganzen Wahrheit und Kraft zu verkünden, ob es gefällt oder nicht, sogar wenn diese Lehre unbequem ist, oder wenn die Wahrheiten des Evangeliums der Richtung der Gesellschaften und der Kulturen widersprechen. Deshalb muß ich darauf hinweisen, daß unser neuer Präsident dafür plädiert hat, eine bestimmte Politik zu verfolgen, die das moralisch Böse fördert, menschliche Würde und menschliches Leben gefährden, besonders auf dem Feld der Abtreibung, Empfängnisverhütung, Ehe und Gender. Eine tiefe Sorge betrifft die Freiheit der Kirche und die Freiheit der Gläubigen, gemäß ihrem Gewissen zu leben." 

Und er fuhr fort: 

"Für die Bischöfe des Landes bleibt das fortgesetzte Unrecht der Abtreibung eine herausragende Priorität. Herausragend bedeutet nicht nur "wir sind tief über die vielen Bedrohungen des menschlichen Lebens und seinser Würde in unserer Gesellschaft besorgt". Sondern wie Papst Franziskus lehrt, - daß wir nicht schweigen können, wenn fast eine Million ungeborene Leben jedes Jahr in unserem Land durch Abtreibung weggeworfen werden." 

Abschließend sagte Gómez, er hoffe, daß "der neue Präsident und seine Administration mit der Kirche und anderen, die guten Willens sind, zusammenarbeiten", um "die komplizierten kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren anzugehen, die zur Abtreibung antreiben" und "eine kohärente Familienpolitik in voller Achtung der Religionsfreiheit der Kirche macht."

Aber kurz nach der Veröffentlichung dieser Botschaft, erhoben sich sofort Stimmen heftiger Opposition von zwei Kardinälen, die zum Kreis amerikanischer Bischöfe gehören, die immer noch in der Minderheit sind und Papst Franziskus und der Demokratischen Partei nahe stehen. Der Erzbischof von Chicago Erzbischof Blase J. Cupich und der Erzbischof von Newark, Joseph W. Tobin waren völlig dagegen, die Bischofskonferenz zu einer systematischen Pro-life-Strategie gegen die Politik Bidens zu verpflichten. 

Diese Spaltung gibt es schon seit Jahren, besonders seit der Beförderung Cupichs 2014 nach Chicago und der sich u.a. um den Streit dreht, ob man einem katholischen Politiker, der die Abtreibung unterstützt- nicht anders als der neue Präsident- die Eucharistie spenden kann oder nicht. (...)"

Fortsetzung folgt....

Quelle: S.Magister, Settimo Cielo

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