Montag, 7. Juni 2021

Gibt es eine verborgene Kontinuität zwischen den Pontifikaten von Papst Franziskus und Papst Benedikt XVI?

In seiner heutigen Kolumne in "Monday in the Vatcian" befaßt sich A. Gagliarducci mit der Reform des Strafrechtskodex des Kanonischen Rechts, die er allerdings weder als Reform noch als Neuerung sieht. Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS, DIE VERBORGENE KONTINUITÄT" 

2010 hat Papst Benedikt XVI einen Brief an die durch einen Mißbrauchsfall erschütterte Kirche von Irland geschrieben.Und in diesem Brief gab es eine erhellende Passage: nach dem II.Vaticanischen Konzil -lesen wir- "gab es eine wohlgemeinte Tendenz, zu vermeiden, kanonisch irregulären Situationen mit Strafen zu begegnen."  In der Praxis - beklagte Benedikt XVI -daß eine ausschließlich auf pastoraler Fürsorge und Gnade basierende Handhabung, das Gerechtigkeitsgefühlt beiseite gelassen hatte. 

Und so hatte eine gewisse Laxheit bei der Auswahl der Priesterkandidaten (Benedikt beklagte das im selben Brief) und die unkorrekten Maßnahmen gegen die Mißbräuche zu den Skandalen geführt, die die Kirche erschüttert haben und immer noch erschüttern.

Als Benedikt XVI diese Worte schrieb, war die Reform von Buch VI des Kodex des kanonischen Rechts 2007 schon begonnen worden. Die Reform wurde nach 14 Jahren vollendet und am vergangenen 1. Juni im Pressebüro des Hl. Stuhls von Erzbischof Filippo Iannone, Präsident des Päpstlichen Rates für Legislative Texte und von Bischof Juan Ignacio Arrieta, Konzilssekretär, vorgestellt. 

Erzbischof Iannone selber wies darauf hin: "In den vergangtenen Jahren hat die Beziehung der Interpretation zwischen Recht und Gnade manchmal zu einer falschen Interpretation geführt, zu einem Klima exzessiver Lockerung bei der Anwendung des Strafrechts -im Namen eines unbegründeten Konfliktes zwischen pastoraler Fürsorge und Gesetz, speziell Strafrecht." 

Bei diesem Kodex kann man nicht von einer" Reform von Papst Franziskus" sprechen. 

Statt dessen ist er das Resultat eines Prozesses, der vor einiger Zeit begann und vor allem darauf abzielt, Rechtssicherheit zu schaffen. Die Änderungen sind nicht substantiell. De facto sind sie nicht einmal eine Änderung.


Bischof Arrieta sagte, daß "als Resultat der Arbeit an 89 Kanons, die Buch VI ausmachen, 63(71%) verändert, andere 9(10%) verschoben worden sind, während nur 17(19%) unverändert geblieben sind. 

Professionelle Kanonisten jedoch weisen darauf hin, daß mindesten 57 Kanons im Wesentlichen unverändert geblieben sind. Kurz gesagt- es handelt sich um eine allgemeind Anpassung, die das Gesetz besser erklärt, neue Arten von Verbrechen einführt, aber gleichzeitig die Struktur des Kanonischen Rechts nicht substantiell ändert. 

So finden wir in den neuen Kanons die Exkommunikation Latae Setentiae (für die Durchfühurng)- oder Teilnahme an-einer Abtreibung. Aber wir finden auch schwere und präzise Strafen, für die, die Mißbrauch begehen. In Kanon 1308 lesen wir: "Ein Kleriker, der ein Verbrechen gegen das 6. Gebot begeht (unreine Handlungen) soll mit Entfernung aus dem Amt und einer anderen gerechten Strafe bestraft werden und mit der Entlassung aus dem Klerikerstand, wenn der Fall einen Minderjährigen oder eine Person betrifft, die der Vernunft nur unzureichend fähig ist, oder der das Gesetz gleichen Schutz zuerkennt."

Weil der Mißbrauch Minderjähriger im Kodex von 1983 allgemein zu den "Sünden gegen das 6. Gebot" zählte, ist das neu. Jetzt gibt es für das Verbrechen einen spezifischen Kanon, in dem das ganze Thema zusammengefaßt wird. Es wird nicht mehr nur auf den Klerus verwiesen sondern auch auf Laien und das ist normal. Schließlich haben der Hl. Stuhl und die Bischofskonferenzen eine Fülle von Gesetzen hervorgebracht, die ins universale Recht eingefügt werden mußten- weil sie bereits ausreichend gereift waren. 

Kanon 1326 legt fest, daß "derjenige, der die Autorität und Würde des Amtes mißbraucht hat, um das Verbrechen zu begehen, schwerer bestraft werden muß, als das Gesetz oder Vorschriften festlegen. "eine Regel, die auch auf die zutrifft, die das Verbrechen wiederholt begehen. 

Zu den Neuerungen- gehören außer einer systematischeren Verteilung der Canons im Vergleich zum Entwurf von 1983 - Verbrechen , die in den letzten Jahren in besonderen Gesetzen definiert wurden, wie der Versuch, Frauen zu weihen, ebenso wie die Tonaufnahmen von Beichten und die sakrilegischen Konsekration in der Eucharistie, die in den Kodex aufgenommen worden sind.

Eine notwendige Neuheit ist die Aufnahme von administrativen Vergehen, weil nicht einmal diejenigen, die gerufen sind, die zeitlichen Güter der Kirche zu verwalten, von der Möglichkeit, ein Verbrechen zu begehen, ausgenommen sind. Kurz - es gibt eine größere Sicherheit bzgl der Sanktionen und das Ziel ist- erklärte Bischof Iannone- die " internationalen Strafnormen zunehmend zum Schutz des Allgemeinwohls und des einzelnen Gläubigen anzugleichen und den Notwendigkeiten des Justiz und den aktuellen kirchlichen Umständen anzupassen, die sich offensichtlich von denen der 1970-ern unterscheiden, der Zeit als das jetzt aufgehobene Buch VI verfaßt wurde. 

Man muß sagen. daß Papst Franziskus in vollkommener Kontinuität mit Benedikt XVI gehandelt hat -wie in anderen Fällen, die de facto- das rechtliche Rahmenwerk betreffen.: von der Reform des Vatican-Staates bis zu Finanzregeln  und zur Reform des Strafrechts-Kodex. 

Andererseits - kam es zu Problemen, wenn es eine Diskontinuität gab. Denken Sie nur daran, wie die neuen Abteilungen gemanagt wurden, beginnend mit dem Wirtschaftssekretariat- das während mehrerer Jahre mehrere kontroverse Regulierungen erlebt hat- in einem Ballett von Kompetenzen, das nicht zur Stabilität der Institutionen beigetragen hat. Oder denken Sie an die Idee, ein Büro für den Stab zu gründen, die innerhalb eines Tages angekündigt und wieder zurückgezogen wurde. 

Die Reform von Buch VI des vaticanischen Strafgesetz- Kodex stellt so ein größeres Problem bzgl. der Wahrnehmung der Reformen von Papst Franziskus dar. Sehr oft gibt es die Tendenz, von einer Diskontinuität oder von großen Neuerungen zwischen den Pontifikaten zu sprechen. Angenommen es kann eine Diskontinuität im Regierungsstil und der Art das Papsttum auszuüben geben. In dem Fall ist es eine Herausforderung, alles von vorn zu beginnen, wenn es eine Rechtslage gibt, die schon  begonnen, studiert und beschrieben wurde. Letztlich ist es eine Frage, das nötige Gleichgewicht zu wahren, was sehr schwer ist, wenn man ohne die Gewichtung von Geschichte und Tradition  neu beginnt. 

Es ist ein Problem der Kurien-Reform, die jetzt seit 8 Jahren fortschreitet: beim Schlußtext, der Ende Juni veröffentlicht werden könnte, besteht das Problem, daß er mit dem Kanonischen Recht harmonisiert werden muß. 

In einigen Fällen, besteht die Versuchung, das kanonische Recht lieber zu ändern als es zu reformieren. Aber mit welchem Vorteil? Und mit welchem Ergebnis? 

Das sind die zentralen Themen eines Pontifikates. Aber der Papst zeigt auch- indem er die Reformen wie die von Buch VI des Strafrechtskodex promulgiert, daß er versteht, worum es geht. Darum, die notwendige Kontiunität in einigen Fällen zu bewahren. Es bleibt also zu  sehen, wie es geschafft wird, das Gleichgewicht zu bewahren, wenn diese Kontiunität nicht garantiert ist. "

 Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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