Mittwoch, 24. November 2021

S. Magister zum Becciu-Prozess, Fortsetzung

Fortsetzung von hier und hier 

"Wir werden sehen. Aber zurück zu Kardinal Pells Tagebüchern, hier ist, was er dort, bevor der Prozess begann, auf diesen drei Seiten geschrieben hat, gefolgt von unseren kurzen Beobachtungen

1. "EINE PROVOKANTE UND AUFSCHLUSSREICH AUSSAGE"
(Mittwoch, 11. Dezember 2019, S. 33-35)

"Heute habe ich aus Rom eine provokative und aufschlussreiche Erklärung von Kardinal [Giovanni Angelo] Becciu erhalten. […] Kardinal Becciu unterscheidet sich von den meisten anderen vatikanischen Persönlichkeiten, die in Finanzangelegenheiten verwickelt sind, die in Deckung gehen und schweigen, bis das Artilleriefeuer erlischt, und dann ihr gewohntes Leben wieder aufnehmen. Dieser Kardinal gibt oft Erklärungen ab. Bei dieser Gelegenheit schrieb er an Sandro Magister von „L'Espresso“ […], daß er "das gegenteilige Urteil von Kardinal Pell“ über den Londoner [Immobilien-] Kauf nicht berücksichtigt habe, nur weil er ihn bei der Angelegenheit, "da es nicht in seiner Verantwortung lag, die Konten des Staatssekretariats zu überwachen", eine Vollmacht, die ihm der Papst nie gegeben hatte.

Der italienische Ausdruck lautet „controllare i conti della Segreteria di Stato“. Obwohl ich keinen Zugang zu einem italienischen Wörterbuch habe, gaben uns die Statuten unseres Sekretariats [für die Wirtschaft] ausdrücklich die Befugnis, alle Konten im Vatikan zu „überwachen“, zu kontrollieren, einschließlich der des Staatssekretariats; unsere Zustimmung war auch für den Kauf von Grundstücken etc. über 500.000 Euro erforderlich. Diese Zustimmung wurde von uns nicht verlangt, aber was unseren Widerstand provozierte, war die falsche Buchführung des Betriebs, bei der die Ausgaben maskiert und durch den (theoretischen) Wert des Kaufs gegen die Regeln der Buchführung ausgeglichen wurden. Unser Standpunkt hat sich nicht durchgesetzt, aber drei Dinge sind klar:

1. Das Staatssekretariat wird in den Statuten nie von der Aufsicht des Sekretariats für Wirtschaft ausgenommen

2. Unsere Aktivitäten wurden regelmäßig, aber nicht vollständig und effektiv, von einigen, aber nicht allen, im Staatssekretariat abgelehnt. Da gab es Elemente, die dagegen waren, daß Außenstehende ihre Aktivitäten untersuchen (und jetzt verstehen wir besser, warum dies so war);

3. Der stellvertretende Staatssekretär hat die externe Revision abgesagt und den Revisor zum Rücktritt gezwungen. Er bestreitet unseren Widerstand nicht direkt und sagt nichts zu den enormen Verlusten bei der Investition (15 Prozent für die Brexit-Abwertung und mindestens weitere 15 Prozent für den Zusammenbruch der Londoner Immobilienblase, also ein Verlust von mindestens 60 Millionen Euro auf die 200 Mio.

(s.m.) Um genau zu sein, dies ist die Passage von Kardinal Beccius Aussage, die Pell bestreitet:

„Der Vorwurf, daß ich das gegenteilige Urteil von Kardinal Pell zur Durchführung des Kaufs des Londoner Gebäudes nicht berücksichtigt habe, ist unbegründet, aus dem einfachen Grund, daß der damalige Präfekt der SPE [Wirtschaftssekretariat] nie gefragt wurde“,  weil es nicht in seiner Verantwortung lag, die Konten des Staatssekretariats zu überwachen. Dazu hätte der Papst eine Genehmigung geben müssen, die ihm nie erteilt wurde.“


Kardinal Pell weist diese Behauptungen jedoch nicht nur zurück, sondern weist auch auf Becciu als den härtesten Gegner einer Kontrolle des Staatssekretariats hin, die 2014 von Papst Franziskus eingerichtet und von Pell selbst geleitet wurde. Der Kauf des Londoner Gebäudes war einer der Streitpunkte, aber nicht der einzige.

Insbesondere schreibt Pell Becciu die Ausweisung des Generalprüfers Libero Milone zu, die am 19. „Corriere della Sera“ und SkyTg24. Am selben Tag folgte eine umstrittene Aussage des Heiligen Stuhls und ein noch giftigerer Kommentar von Becciu, wonach Milone "das Privatleben seiner Vorgesetzten und Mitarbeiter ausspionierte, einschließlich des meinen“.

All dies wurde von Settimo Cielo in dem folgenden Beitrag ausführlich berichtet, einschließlich der Unterstützung, die Papst Franziskus Becciu bei der Entlassung von Milone und der Schließung der Reihen gegen Pell gewährte, der bereits seiner Befugnisse beraubt war, noch bevor er für den Prozess, nach Australien zurückkehrte:

> DIE BEWAFFNETE GARDE DES PAPSTES IN DER ERZÄHLUNG DES EHEMALIGEN WIRTSCHAFTSPRÜFERS DES VATIKANS    

Auf einer anderen Seite seines am 22. Februar 2020 verfassten Gefängnistagebuchs weist Pell auch auf Alberto Perlasca als "einen fanatischen Gegner jeder Art von externer Prüfung der Finanzen des Staatssekretariats“ hin. Er erinnert sich, daß er in den Jahren des Londoner Betrugs "die Finanzoperationen im Vatikanischen Staatssekretariat leitete“. Er stellt fest, daß sein Büro durchsucht wurde. Und er kommentiert: „Die Geschichte wird noch interessanter, wenn Msgr. Perlasca anfängt zu reden.“

In der Tat. Perlasca wurde bald der Hauptankläger von Becciu und den anderen Angeklagten im Londoner Betrugsprozess. Seine Aussagen nehmen 150 Stunden der Videoaufzeichnung ein.

2. DER BESUCH DES IOR-PRÄSIDENTEN IM GEFÄNGNIS
(Montag, 16. Dezember 2019,  S.47-48)  

Der Höhepunkt des Tages war der Besuch von Jean-Baptiste de Franssu, dem Präsidenten des IOR, auch Vatikanbank genannt, der mich aus Brüssel besuchte. […] Sein Besuch ist eine wunderbare Geste der Unterstützung, die ich sehr schätze. […] Jean-Baptiste und ich haben uns gemeinsam für Reformen in unseren verschiedenen Bereichen eingesetzt. Obwohl er bei mindestens einer Gelegenheit oft verleumdet, falsch behandelt und körperlich bedroht wurde, war er bei der Beseitigung der Korruption in der Bank effektiver als ich im gesamten Vatikan, auch wenn keiner von uns in der Lage war, die ganze Wahrheit über einige große Skandale der Vergangenheit, deren wahre Fakten wahrscheinlich begraben bleiben werden, aufzudecken.

Es war die Weigerung des IOR, bei der Bereitstellung weiterer 150 Millionen Euro [für das Staatssekretariat] für den desaströsen Chelsea-Kauf in London zusammenzuarbeiten, der den Fall kürzlich in den Vordergrund gerückt hat. Ich habe mit Freude erfahren, daß es der Heilige Vater selbst war, der die Razzien im Staatssekretariat und in den Büros der AIF [Financial Intelligence Authority] nicht nur genehmigt, sondern auch darauf bestanden hat, daß Maßnahmen ergriffen werden. Jean-Baptiste stimmt auch zu, daß es "prima facie“-Beweise für Fehlverhalten in der AIF gibt und daß der Rücktritt von AIF-Präsident René Brüelhart daran lag, daß er keine Alternative hatte. Das IOR ist unter erheblichen Kooperationsdruck geraten, einer seiner Beamten ist bedroht und eingeschüchtert worden, auch wenn er nicht- wie in der guten alten Zeit- aufgefordert wurde, einen Blick in die Schublade zu werfen, und dort einen Revolver zu finden. […]

Jean-Baptiste hat Papst Franziskus wegen seiner Reise zu mir konsultiert und starke Unterstützung bekommen. Ich hoffe, daß er seinerseits weiterhin die offizielle Unterstützung erhält, die seine Bemühungen verdienen und die der Vatikan braucht, während er sich langsam wie aus einem Abgrund aus seinen finanziellen Nöten herauszieht.

Es hat mich erfreut zu hören, daß eine Reihe von Kardinälen, die nicht alle meiner Meinung sind, jetzt zugeben, daß das, was ich vor Jahren vorgeschlagen habe, geschieht und daß meine oder unsere Reformbemühungen die Grundlage für die jüngsten Entdeckungen gelegt haben.

Noch erfreulicher war die Nachricht, daß ein Dekret erlassen wurde, wonach die Investitionen der APSA [Verwaltung des Vermögens des Apostolischen Stuhls] gesichert und koordiniert durchgeführt werden müssen, wie es […] verhindert worden war. Die alte Garde der APSA wird sich dem energisch widersetzen, und es bleibt abzuwarten, ob die Kapazitäten und der gute Wille für den Erfolg vorhanden sind.

Da Jean-Baptiste mit Kardinal [Philippe] Barbarin, Erzbischof von Lyon, in Kontakt steht, habe ich ihn gefragt, wie es ihm geht, und ihm meine besten Wünsche zukommen lassen. Es sieht so aus, als ob das Urteil "nicht schuldig“ im neuen Jahr verkündet wird, obwohl die Saga schwer auf Barbarins Gesundheit gelastet hat. Ich bete zu Gott, daß das "nicht schuldig“-Urteil    über seinen Umgang mit einem bestimmten Fall von Pädophilie aufrechterhalten wird. Jean-Baptiste versprach, Lyon nach seiner Rückkehr anzurufen.

 S.M  Auf dieser anderen Seite seines Tagebuchs erkennt Kardinal Pell in IOR-Präsident Jean-Baptiste de Franssu, der ihn mit vorheriger Zustimmung des Papstes im Gefängnis besuchte, als einen der wenigen an, die sich mit ihm zusammengetan haben, um die Finanzen des Vatikans zu reformieren. Er lobt insbesondere die Ablehnung der 150 Millionen Euro, die das Staatssekretariat für den Kauf des Londoner Gebäudes beantragt hatte.

Pell lobt auch die Entschlossenheit, mit der Papst Franziskus die Razzien in den Büros des Staatssekretariats und der AIF angeordnet hat, die als Auftakt für den Prozess um den Londoner Betrug dienten - in Wahrheit aber kaum die elementarsten Rechte respektieren.

Auf dieser Seite von Pells Tagebuch erscheint auch ein wenig schmeichelhaftes Urteil über den AIF und seinen damaligen Präsidenten, den Schweizer Finanzier René Brüelhart, der ebenfalls unter den Angeklagten des Prozesses gelandet ist, sowie ein sehr negatives Urteil über die "alte Garde“ der APSA, eine weitere Bastion des Widerstands gegen seine Reformtätigkeit, die aber glücklicherweise – so betont er – abgerissen wird. 

Was Kardinal Barbarin betrifft, so wurde Pells Gebet um Anerkennung des "nicht schuldig“ am 30. Januar 2020 mit einem Freispruch erhört.

3. “ DAS RESULTAT HEUCHLERISCHER INKOMPETENZ”
(Vierter Advents-Sonntag, 22.Dezember 2019, S.62)

Die einzige Neuigkeit [heute] war die Nachricht vom maltesischen Gerichtsverfahren, in dem das IOR beklagt, von zwei Gruppen, Future Investment Manager und Optimum Management, bei einer 30-Millionen-Euro-Investition zum Kauf von 84 Prozent der Aktien an der Budapester Börse betrogen worden zu sein.  Optimum hat einen Gegenangriff unternommen, obwohl die italienischen Behörden es bereits 2015 als betrügerischen Investor identifiziert hatten, und zwar als sie  [Raffaele] Minciones Athena Global Fond benutzten.

Bevor ich [2017] nach Hause zurückkehrte, hatten die IOR-Behörden eine Beilegung dieses Streits ausgehandelt, die zur Unterschrift und Vollstreckung bereit war, als das von den vatikanischen Autoritäten blockiert wurde. Diese Entscheidung war sicherlich falsch und vielleicht das Ergebnis heuchlerischer Inkompetenz; aber es ist schwer, den Verdacht abzuschütteln, daß die Mächte der Finsternis für ihre schändlichen Zwecke am Werk waren. […]

Es ist unglaublich, daß dreißig Jahre nach dem Banco Ambrosiano-Skandal, bei dem [Roberto] Calvi tot unter der Londoner Blackfriars Bridge aufgefunden wurde und der Vatikan Hunderte Millionen Dollar ausgeben musste, Schurkenfiguren, die bestimmte Teile des Vatikans beaufsichtigen, weiterhin Geschäfte mit anrüchigen Finanzagenten machen, die ihnen in den letzten zehn Jahren (mindestens) mehr als 100 Millionen Euro geraubt haben. Auch im Staatssekretariat muss der Korruption Einhalt geboten werden, wie dies beim IOR und bei der APSA geschehen ist.

S.M. Der Malta-Fall wird hier von Pell als weiterer Beweis für die "heuchlerische Inkompetenz“ des Staatssekretariats im Finanzbereich erwähnt, verschärft durch seine hartnäckige Weigerung, die internen Aufräumarbeiten durchzuführen, die in anderen vatikanischen Ämtern zumindest begonnenen haben.

Tatsache ist, daß der Coup de Grace für das Staatssekretariat dann -auf Anordnung cvon Papst Franaziskus am 28  Dezember 2020 erfolgte, mit dem erzwungenen Transfer seines gesamten Besitzes zur APSA, d.h. eines großen Teils jener 1,4 Milliarden €, die Kardinal Pell - in den wenigen Monaten, in denen er zu Beginn des Pontifikats mit dem vollen Mandat des Papstes zur Säuberung agieren konnte - außerhalb der offiziellen vatikanischen Budgets gefunden hatte.

Das Tagebuch von Kardinal Pell endet in der Karwoche 2020, als seine Unschuld vom australischen Obersten Gerichtshof einstimmig anerkannt und seine Freiheit nach 404 Tagen Gefängnis in Melbourne wiederhergestellt wurde.[...]

Quelle: S.Magister, Settimo Cielo

 

Übersetzungserge

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die nach der DSGVO nötige Zustimmung, dass dieser, im Falle seiner Freischaltung, auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger« Software vorgegeben ist, dass Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie diese angeben, ebenfalls gespeichert wird. Daher stimmen Sie, sofern Sie Ihre email Adresse angeben, einer Speicherung zu. Gleiches gilt für eine Anmeldung als »Follower«. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars wünschen, können Sie dies, unter Angabe des Artikels und Inhalt des Kommentars, über die Kommentarfunktion erbitten. Ihr Kommentar wird dann so bald wie möglich gelöscht.