Montag, 9. Januar 2023

Angst vor Benedikt XVI?

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican stellt A. Gagliarducci anhand der Gestaltung des Requiems für Papst Benedikt XVI die Frage nach dem warum für viele der Entscheidungen des amtierenden Papstes und des Staatssekretariates und bestätigt damit traurigerweise den vorigen Kommentar des "Wanderers- El Caminante" aus Argentinien. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

            "WER HAT ANGST VOR BENEDIKT XVI?"

Hunderttausende sind gekommen, um Benedikt XVI die Ehre zu erweisen. Während der 3 Tage der Aufbahrung Benedikts XVI kamen auch Kardinäle, Bischöfe und Priester um den zu ehren, der ihr Papst gewesen war. Papst Franziskus aber war nicht dort. Er wurde unmittelbar nach dem Tod informiert und besuchte das Kloster Mater Ecclesiae, in dem Benedikt XVI gewohnt hatte. Er blieb dort einige Minute im Gebet. Aber dann wurde er wieder unsichtbar. Als ob der Tod seines Vorgängers ihn nichts anging. Als ob der Papst, der durch seinen Amtsverzicht auch den Weg zur Wahl seines Nachfolgers gebahnt hatte, nicht in Erwägung gezogen werden sollte.

In Papst Franziskus´ Gesten und Entscheidungen vom Augenblick des Todes Benedikts an, konnte man vor allem den Wunsch erkennen, zu unterscheiden, zu demonstrieren, daß Benedikt XVI nur der Papst emeritus und nicht der amtierende Papst war. 

Um das zu tun, war es in Wirklichkeit genug, dem Vaticanischen Zeremoniell zu folgen. Weil das Begräbnis Benedikts XVI die zweite Hälfte einer Zeremonie ist, die vor fast zehn Jahren, am 28. Februar 2013 begann, d.h. der Beginn der Sedisvakanz. Bei der Gelegenheit präsidierte Kardinal Tarcisio Bertone, damals der Camerlengo der Hl. Römischen Kirche über den Initiierungs-Ritus der Sedisvakanz - das Zerbrechen des Fischerringes und die Versiegelung der päpstlichen Wohnung. 

Beim Tod Benedikts XVI jedoch gab es keine Sedisvakanz. Und deshalb wurde der Camerlengo nicht aufgefordert, die Macht zu übernehmen, weil der Papst in vollem Umfang im Amt war. 

Es war der Papst oder das Staatssekretariat, die zuerst vom Tod des emeritierten Papstes informiert werden und dessen Tod bestätigen mußten. Und es oblag daher dem Staatssekretariat die gesamte Organisation des Begräbnisses zub organisieren, vom der Verkündung des Todes-  durch das Presse-Büro des Hl. Stuhls- bis zur Einladung der diplomatischen Delegationen. 

Es war deshalb das Begräbnis eines Papstes, das jedoch in einer Sede plena und nicht in einer Sedisvakanz stattfand. Einige Beschlüsse waren die logische Konsequenz davon. Benedikt XVI trug z.B. nicht die roten Schuhe des Papstes, sondern schwarze. Die Glocken des Vaticans wurden nicht geläutet, um seinen Tod zu verkünden, weil es nicht der Tod eines amtierenden Papstes war. Die Bitten der Diözese Rom und der Ostkirchen wurden nicht erhört, weil sie einen amtierenden Papst betrafen und nicht einen emeritierten Papst.  


Andere Beschlüsse jedoch erschienen sofort schwer zu interpretieren. Papst Franziskus fuhr mit seinem Zeitplan fort, als ob nichts geschehen sei. Die Feier des Te Deum und die Neujahrsmesse sind Verpflichtungen, die nicht verschoben werden können. Aber die Generalaudienz vom 4. Januar hätte verschoben werden können, ebenso wie der Papstes den Besuch beim  Weihnachtsbaum und der Krippe auf dem Petersplatz hätte verschieben können. 

Das tat er nicht. Er beschloss, daß es im Vatican keine Trauer geben solle, sogar nicht am Tag des Begräbnisfeier für den emeritierten Papst, auch wenn es den Angestellten, die beschlossen, zum Begräbnis zu gehen, sich nicht mit ihrer Karte ausstempeln mußten. Wegen des Gedankens, das Benedikt XVI ein einfaches Begräbnis wünschte, wurden die Diplomaten gebeten, nicht den Frack zu tragen, sondern den "tenue de ville" - den Geschäftsanzug (den dunklen Anzug). Es waren keine offiziellen Delegationen vorgesehen; deshalb taten teilnehmenden Könige und Staatsoberhäupter das aus eigenem Entschluss, außer derjenigen aus Italien und Deutschland. 

Es scheint fast so, als wollten sie von der Teilnahme der Staaten abraten. Dennoch kamen Delegationen aus 21 Ländern, die auch gegen ihre Behandlung protestierten und unterstrichen, daß-wie wie einfach die Beerdigung auch geplant war- es bei dieser Beerdigung nicht um eine Person ging. Es ging um einen Papst und ein Pontifikat. 

Es waren alles Handlungen, die den Hl. Stuhl schwächten. Weil das Zeremoniell zeigt, wie wir uns selbst ausdrücken und eine Zeremonie, für die um einen informelleren Dress-code gebeten wird, während der formelle Anzug für jede Feier, der der Papst vorsteht, erforderlich ist, zeugt  von mangelnder Rücksichtnahme für den Zelebranten. Ebenso verliert ein Land mit diplomatischen Beziehungen, das die diplomatischen Beziehungen auf persönliche Beziehungen reduziert, an Glaubwürdigkeit. 

Dann bleibt die Frage: fürchtete Franziskus Benedikt? In der Öffentlichkeit hat Franziskus immer nette Worte für Benedikt XVI und preist sein Werk und betont einige seiner wesentlichen Engagements, so wie den Kampf gegen Mißbrauch in der Kirche. Es ist dann zulässig, zu denken, daß die Gegenwart eines so beliebten emeritierten Papstes für Papst Franziskus lästig war und daß er mit seinen Entscheidungen zeigen wollte, daß er der einzige Papst war? 

Es wurde gesagt, daß Papst Franziskus bei seiner Homage für Benedikt XVI, den Hirten, eine mehr pastorale Note geben wollte, weil er hauptsächlich Benedikt XVI zitierte. Diese Erklärung scheint aber nicht zu Persönlichkeit von Papst Franziskus zu passen. Papst Franziskus ist ein Papst der Gesten und er kennt ihre Bedeutungen.  Er weiß, daß der Papst in der Öffentlichkeit lebt, nicht im Privaten. Er weiß, daß alles, was getan oder nicht getan wird einen Grund hat. 

Ein weiteres Argument: Konservative greifen Papst Franziskus an, weil er das Papsttum entmystifiziert hat. Er macht es in seinem pastoralen Zugang weniger mächtig. Auch dieses Argument ist falsch: es betrachtet die Kirche als eine politische Körperschaft säkularen Typs und wertschätzt einen Papst, der das selbe Kirchenkonzept hat. Das Papsttum ist nicht mystifiziert: es hat seine eigene Sprache und Art. Wenn diese Sprache nicht angewandt wird, hört sie auf zu existieren. Auf diese Weise erzeugt sogar eine pastorale Wahl -falls nicht ausgedacht- eine Verwundbarkeit, die den Feinden der Kirche in die Hände spielt.   

Das sind alles Dinge, die der Papst weiß, und die er nicht nicht verstehen kann.

Dennoch. Franziskus beschloss, eine besonders kalte Predigt zu halten, mit nur einer Erwähnung des emeritierten Papstes. Zur gleichen Zeit schien der Papst am Ende des Requiems den Sarg nicht in die Basilika begleiten zu wollen. Und es war in dieser kurzen, unendlichen Pause, während alle auf ein Zeichen der Bewegung warteten, in der der Schrei aus der Menge "Santo Subito" ausbrach. Es gab ein Banner, das versteckt gehalten wurde, in der Bemühung so diskret wie gefordert zu sein. Diese Pause jedoch gab den Weg für einen Beifall frei, der auch zum Beifall des Gottesvolkes werden könnte.Jeder mögliche Versuch, die Wirkung Benedikts XVI zu verkleinern, ist an der Mauer der Gläubigen gescheitert, die von überall her gekommen sind, um ihrem Papst die Ehre zu erweisen.

Es bleibt ein bittersüßer Geschmack zurück, weil der Tod Benedikts XVI eine Ära beendet und diese
Ära endet mit einem gewissen Mangel an Rücksichtnahme auf Sprache und Rollen. Weil die päpstliche Sprache nicht mit der säkularen Sprache verglichen werden kann, können wir in diesen Fällen nicht von einem Staatsbegräbnis sprechen, weil es ein säkulares Konzept ist, das nicht in Gänze auf das Zeremoniell der Hl. Stuhls angewandt werden kann.

Was sicher ist, ist daß ein Papst wie Benedikt XVI eine bessere Behandlung verdient und eine bessere Berücksichtigung  der Person und des Pontifikates.  Was Angst vor Benedikt XVI erzeugt, ist ein Geheimnis, das noch  gelüftet werden muss.  Aber es gibt wahrscheinlich gemischte Gefühle, selbst Vorurteile gegen Benedikt XVI und eine heilige Ehrfurcht, die jeden daran hinderte, Initiativen zu ergreifen, um in Harmonie mit jedem in Dialog zu treten. Mit seinem Verzicht öffnete er den Weg. Er litt jedoch auch stark an seinem Rücktritt und setzte sich für die Kirche ein. 

Er wird geliebt und deshalb gefürchtet. Und dennoch ist diese Unhöflichkeit angesichts eines Protokolls entstanden, das noch definiert werden muß, weil es das erste mal ist, daß ein Papst für einen emeritierten Papst zelebriert (aber nicht das erste mal, daß ein Papst für einen toten Vorgänger zelebriert, das geschah 1802) Wahr ist, Papst Franziskus war der Erste, der in das Kloster gegangen ist. Er war dort jedoch bei allen anderen Gelegenheiten nicht dort, besonders beim Begräbnis. Diese Entscheidung könnte sich auf eine Weise für Papst Fraznziskus als kontraproduktiv erweisen. Und so könnte ein von den Medien viel gefeiertes Pontifikat stattdessen als eines der am wenigsten geliebten Pontifikate enden, ganz gleich, wie sehr die Medien-Kampagnen planen, die Wirkungen der sogenannten Widersacher zu bekämpfen oder zu annullieren. "

Quelle: A.Gagliarducci, Monday at the Vatican


   

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