Freitag, 11. August 2023

Synodalität - Tragödie oder Farce? Fortsetzung ...

Fortsetzung von hier  und hier

Der Modernismus in Blondels Tagen war eine Antwort auf die Geschichtsphilosophie der 19. Jahrhunderts  und das angenommene Aufkommen einer "Religion der Menschheit". Die Modernisten bestanden darauf, daß wir nach Kant und Hegel in einer neuen Ära leben und daß die Glaubenswahrheiten auf die durch die Herausforderungen der Moderne antworten müssen, mit ihrem Verbot der Transzendenz und ihrer Entdeckung der "Gesetze der Geschichte". Diese philosophischen Tendenzen sollten ironischerweise darin gipfeln, Philosophie durch Politik zu ersetzen, als Marx, Dewey und die amerikanischen Pragmatiker die "Philosophie des Verstehens" zugunsten wissenschaftlichen und politischer Aktionen verwarfen, Darwins Evolution diskreditierte existentialistische Philosophien der menschlichen Natur und die Transformation der Welt ersetzte das Verstehen der Welt als Ziel und Maß des Denkens. Das "ist das wahr?" wich dem "was ist seine Wirkung?" oder "wessen Interessen dient das?".

Obwohl der "Neo-Modernismus"  entlang der selben metaphysischen Linien verläuft wie sein Vorläufer, hat er andere Ursprünge und Inhalte. Er ist kein philosophisches sondern ein politisches Phänomen. Er entstand in der Katholischen Opposition gegen den Faschismus, im Versuch von Jacques Maritain und anderen den Katholizismus und den modernen Humanismus in einem nicht-reaktionären Thomismus mit der modernen Demokratie kompatibel zu machen. Dieser Ehrgeiz sollte zahlreiche spätere Versuche beschleunigen, den Katholizismus mit den "postiven" und "moralischen" Elementen des Marxistischen Denkens zu verbinden, offensichtlich ohne größere Sorgen, daß Marx´ spezielle Art des Atheismus unsichtbar ins Christentum übernommen werden könnte. Der Anti-Faschismus bleibt die Essenz des Neo-Modernismus und seine raison d´être. Faggioli hat kürzlich diese Tatsache unfreiwillig enthüllte- in seiner Lobrede auf die "Koalition zwischen Katholiken, Sozialisten-Kommunisten und säkularen Libersalen, die zur Befreiung Italiens beitrugen und nach 1945 ein halbes Jahrhundert regierten, und dem Land eine unantastbare Moral und politische DNA gegeben zu haben schienen.  An einer anderen Stelle des Textes, in der er das Verschwinden der Papst-Franziskus-Katholiken beklagt,  die Nachkommen derer, die Italien zu einer auf anti-faschistischen Werten gegründeten Republik machten, er scheint die Essenz von Papst Franziskus Katholizismus nicht mit einem theologischen Inhalt zu identifizieren sondern mit "antifaschistischen Werten". Klare Folge ist, daß irgendetwas anderes zu sein als ein "Papst Franziskus-Katholik) in diesem Sinne naja- .....ist. 

Historisch gesehen entwickelt sich der Neo-Modernismus im Triumph der Politik über Philosophie und Theologie und nimmt die Leugnung der Transzendenz einfach als gegeben hin. Deshalb erfüllt und perfektioniert er die Metaphysik der früheren Modernismen - präzise, weil er unphilosophisch ist, weil in ihm- um Del Noces Worte zu benutzen- die Philosophie sich selbst in die Politik überschreitet und dort ihre Bestätigung findet. 

Anders als frühere Modernismen biette der Neo-Modernismus keine spekulative oder tvonnheoretische Selbstrechtfertigung, die über einen gelegentlichen  Appell an die Autorität der Wissenschaft oder die historisch bedingte Natur der Wahrheit und die Anrufung des Hl.Geistes hinausgehen, der jetzt dazu benutzt wird, um  Widerspruch blasphemisch zu machen. Das ist -zweifellos-  einer der Gründe für den totalen Mangel an philosophischer Selbsterkenntnis bei solchen Personen wie Faggioli und in der Tat für das totale Fehlen des Denkens in neo-modernen Traktaten verglichen mit dem Werk früherer Persönlichkeiten wie Loisy und Tyrrell. Der Neo-Modernismus widmet sich fast ausschließlich der Geschichte, der Soziologie und anderen funktionalistischen Formen der Vernunft. Er anerkennt die Autorität der empirischen Wissenschaften und geht vom Primat der Geschichte als einem sich fortschreitend entfaltenden Feld immanenter Machtverhältnisse aus. „Soziologismus“, für Del Noce die bestimmende Figur des katholischen Progressivismus, ist die umfassende Unterordnung von Philosophie und Theologie unter diese Denkformen und ihre ontologischen Voraussetzungen, die Wahrheitsansprüche auf ihre historischen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen und damit auf Ausdrucksformen der Ideologie reduzieren. Faggiolis "Das Zweite Vaticanum: Der Kampf um die Bedeutung“, um ein Beispiel aus einem ganzen Genre zu nennen, folgt durch und durch diesem Ansatz, indem er die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils und seine Theologie dem Urteil progressiver Historiker unterordnet, die das Konzil als ein sich noch in der Entwicklung befindliches "Ereignis“ betrachten .“ Aber nirgendwo ist dieser Ansatz offensichtlicher – oder nützlicher, wenn man bedenkt, daß das Buch während des Pontifikats von Benedikt XVI. veröffentlicht wurde – als in seiner Reduzierung von "Lehre“ auf "Lehrpolitik“: von einem Wahrheitsanspruch über die Natur der Dinge, die ist in diesem Rahmen kaum vorstellbar, zu einem Ausdruck des Willens zur Macht im langen Spiel der Kirchenpolitik.

Hier bleibt Blondels Kritik des Historismus in Geschichte und Dogma aufschlussreich. Geschichte und Soziologie sind nicht autark: Die "Wissenschaft“ der Geschichte, sagt Blondel, "bleibt abhängig von weiterführenden Problemen, von ihr überlegenen Wissenschaften, die sie weder ersetzen will noch ersetzen kann, außer durch eine Usurpation und indem sie sich fälschlicherweise als eine Art “der totalen Metaphysik, einer universellen Vision, einer Weltanschauung“ verkündet. Die Geschichte kann die Metaphysik nur an sich reißen, indem sie selbst zu einer "totalen Metaphysik“ wird, indem sie die transzendente Realität des Seins, der Natur und sogar Gottes negiert und die "Gesetze der Geschichte“ berücksichtigt, die heute so selbstverständlich sind, daß sie als oberstes Gebot keiner Rechtfertigung bedürfen. Dennoch gibt es in diesem anonymen Atheismus nichts, was verhindern könnte, daß der Heilige Geist fromm herabgerufen wird, um eine gottlose Sicht auf die Welt zu taufen. Tatsächlich ist diese Art der Ersatztheologisierung in der zeitgenössischen Kirche allgegenwärtig – und wird allgegenwärtig praktiziert.

Wie Del Noce erkannte, manifestiert der Triumph der Soziologie, der Geschichte und anderer funktionalistischer Vernunftformen im Denken das Verschwinden Gottes aus dem modernen Horizont – "das eigentliche Problem in diesem Moment unserer Geschichte“, so Benedikt XVI. "Und mit der Schwächung des Lichts, das von Gott kommt“, schrieb er 2009, "verliert die Menschheit die Orientierung, mit immer offensichtlicheren zerstörerischen Auswirkungen.“ Wie wir bereits gesehen haben, treffen diese destruktiven Auswirkungen die Kategorie der Wahrheit selbst besonders stark. In Prinzipien der Katholischen Theologie (1982) schrieb Joseph Ratzinger, daß als Folge des Triumphs der Geschichte über das Sein der Begriff der Wahrheit …“ der Idee des Fortschritts weicht: "Wahrhaft“ ist das, was dem Fortschritt dient, das heißt, was der Logik der Geschichte dient.“ Die Verschmelzung von Wahrheit und Fortschritt ist das Wesen der Politisierung.

In Gaudium et Spes befasste sich das Zweite Vatikanische Konzil mit einem sogenannten "neuen Abschnitt der Geschichte“, einer Zeit, die von genau diesen historischen Sensibilitäten geprägt war. Diese Empfindlichkeiten wurden nicht abgetan. Im Gegenteil, der Rat erkannte "die Intelligenz und die schöpferischen Energien des Menschen“ an, die die Menschheit "über ihre eigenen Entdeckungen und ihre Macht staunen“ ließen und unseren Platz im Universum in Frage stellten. Der christologische, anthropologische und missionarische Schwerpunkt des Zweiten Vatikanischen Konzils, das für die Lehre von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. von so zentraler Bedeutung ist, zielte darauf ab, die historische Existenz des Menschen mit seiner transzendenten Natur in Einklang zu bringen – um sowohl die dynamische, "fortschrittliche“ historische Mission der Kirche als auch, in Ratzingers Worten die Einheit der Wahrheit in der Vielfalt ihrer historischen Erscheinungsformen“ zu bekräftigen. Derjenige, der in die Geschichte eintritt und sich in diesem Moment an den Menschen wendet, ihn sich selbst offenbart und seine höchste Berufung deutlich macht, bleibt der ewige Logos des Vaters. Ein halbes Jahrhundert oft erbittert umstrittener Interpretationen des Konzils – ein halbes Jahrhundert, in dem es tatsächlich nicht einmal gelungen ist, einen Konsens über den zentralen Gegenstand des Konzils zu erzielen – zeigt, daß es diesem Rahmen trotz seiner theologischen Solidität nicht gelungen ist, den Konflikt zwischen der "fortschrittlichen“ Mission und der "Einheit der Wahrheit“ zu lösen. Das ist die Tragödie des modernen Katholizismus.

Der Verlauf des Synodalen Prozesses stellt unterdessen eine Farce dar – was nicht heißen soll, daß es sich um ein triviales Ereignis handelt. Mit der Entfaltung des Synodalprozesses spitzt sich der Konflikt zwischen den "beiden Katholizismen“ zu, wenn auch in intellektuell entwürdigter Form. Dies gilt insbesondere jetzt, da sich die Synode zur Synodalität als Synode zur LGBTQ-Bestätigung und -Inklusion herausgestellt hat, wobei sich der Generalrelator auf Geschichte und Wissenschaft beruft, um die „soziologisch-wissenschaftliche Grundlage“ der kirchlichen Lehre zur Sexualität zu untergraben, eine Lehre, die -wie er ausdrücklich betont- ablehnt. Das Synodenbüro des Vatikans hat in den sozialen Medien eine feierliche Karikatur einer Priesterin veröffentlicht, die auf den Stufen einer Kirche steht und einem Aktivisten, der ein regenbogenfarbenes „Pride“-T-Shirt trägt, die Hände schüttelt und verkündet: "Wir sind die jungen Leute.“ Das alles sollte niemanden überraschen, der die Arbeitsdokumente für die Familiensynode 2014–15 oder zwischen den Zeilen liest, obwohl es immer noch schockierend ist – oder sein sollte – zu sehen, daß ein Amt der Kirche in Rom das Online-Äquivalent eines Gay-Pride-Plakats veröffentlicht.

Offensichtlich betrachten die Progressiven, die mit der Organisation der Synodalverfahren beauftragt sind, die Synode als eine Gelegenheit, endlich den Heiligen Gral zu erreichen und die Lehren über Gender, Geschlecht und menschliche Natur, die rund um Humanae Vitae entstanden sind, zu stürzen. Diese Lehren müssen in den Bereich der "Sexualmoral“ verbannt, von ihren theologischen, ontologischen und anthropologischen Grundlagen getrennt und künstlich vom berühmten sozialen Lehramt der Kirche und ihrer Sorge um das Leben in einer von Wirtschaft und Technologie dominierten Gesellschaft getrennt werden. Zumindest wird das bedeuten, die „pastoralen“ Problemumgehungen, die vielerorts bereits de facto die Norm sind, feierlich zu würdigen."
Fortsetzung folgt...

Quelle: M. Hanby, LNBQ
 

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