Donnerstag, 21. März 2024

Markionismus damals und heute

George Weigel  veröffentlicht bei firstthings eine lesenswerte Überlegung über die seit cirka 1800 Jahren immer wiederkehrenden Versuch Jesus  zu "ent-juden" und/oder zum Palästinenser zu erklären, was -wie Weigel sagt- genau so sinnvoll ist, wie ihn zu einem Letten oder Luxemburger zu erklären. 
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                    DEM JÜDISCHEN JESUS FOLGEN

Diese Woche vor 24 Jahren war ich in Jerusalem, um für NBC über die historische  Pilgerreise von Papst Johannes Paul II ins Heilige Land zu berichten. Nachdem ich in die Grabeskirche ging, um die elfte und zwölfte Station des Kreuzweges zu beten, ging ich mit einem Klassenkameraden, Fr. Michael  McGarry, dem damaligen Direktor des Ökumenischen Tantur-Institutes zum Essen. Wir fuhren durch Ost-Jerusalem zum "Philadelphia", einem palästinensischen Restaurant, das Fr. McGarry empfohlen hatte, wo wir ein schönes Mahl aus lokalen Spezialitäten aßen, bereitet und serviert von freundlichen Leuten, die vielleicht dankbar waren (große Teile Ost-Jerusalems waren damals so tot wie ein Türnagel bei Nacht). Das einzige Detail, das mich störte war, als ich auf dem Weg aus dem Restaurant ein großes farbiges Poster sah, mit einem durch photo-shop manipulierten Bild von Johannes Paul II und PLO-Führer Yasser Arafat unter der Überschrift "Willkommen im Heiligen Land Palästina", eine Variation des "palästinensischen Jesus"-Themas, das Arafat immer wieder erzählte. 

Insofern als es kaum einen religiösen Inhalt in diesem kruden, nicht besonders subtilen Versuch gab, den einen, den die Christen als den Messias anerkennen, den Messias, der dem jüdischen Volk versprochen wurde  und von einer jüdischen Frau geboren wurde, zu "ent-juden"-  geht das auf die alte Häresie der Markioniten zurück: eine Sekte des 2. Jahrhunderts, die das Alte Testament in Gänze ablehnte. Marcion und seine Jünger behaupteten, daß der Schöpfergott der Genesis und der Gott des Exodus des jüdischen Volkes nicht der Gott-Vater war, zu dem Jesus betete; tatsächlich behauptete der Markionismus, daß es die Mission Jesu - so wie er sie verstand- war, diesen "Gott des Gesetzes" durch den "Gott der Liebe" zu ersetzen. Marcion  verwarf drei der vier Evangelien und akzeptierte nur eine editierte Version des Lukas-Evangeliums. Und darin lag der einzige positive Beitrag des Häretikers zum Christentum: er zwang die Kirche, ihren eigenen Schrift-Kanon zu klären, der natürlich auch die Evangelien umfaßte, die Marcion verwarf.

Über die vergangenen 1800 Jahre haben auch andere deviante Christliche Denker versucht, sozusagen "Jesus das Jüdische zu nehmen". Und damit wir nicht denken, daß solche Perversionen heute auf Politiker beschränkt sind, bedenken Sie, daß einige politisierte christliche Führer in den letzten Monaten die Falschmeldung wiederholt haben, daß Jesus ein "Palästinenser“ oder "palästinensischer Jude“ gewesen sei. Was meines Erachtens genauso viel Sinn macht, als würde man Jesus als lettischen oder luxemburgischen Juden bezeichnen, weil "Palästina“, wie wir es heute verstehen, zur Zeit Jesu ebenso wenig existierte wie Lettland oder Luxemburg.

Die Fastenzeit ist eine gute Zeit, über die unbestreitbare Tatsache nachzudenken, daß Jesus von Nazareth, von dem wir glauben, daß er der fleischgewordene Sohn Gottes ist, ein Sohn des jüdischen Volkes war. Er wurde am achten Tag beschnitten (Lukas 2:21) und dem Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs und Moses im Tempel präsentiert (Lukas 2:22). Er wuchs in den zeitlichen Rhythmen und Ritualen des Judentums auf und lernte dessen heilige Schriften (Lukas 2:41–52). Er lebte als treuer Jude und lehrte als treuer Jude („Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, um das Gesetz oder die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen“ [Matthäus 5,17]). Er wurde von den Römern verspottet, die ihn als „König der Juden“ kreuzigten (Mt 27,37 und Parallelen). Und er starb als treuer Jude und berief sich dabei auf Psalm 22 und dessen Bekenntnis zur endgültigen Herrschaft des Gottes Israels („Alle Enden der Erde werden gedenken und sich an den Herrn wenden; und alle Geschlechter der Nationen werden vor ihm anbeten.“ . Denn die Herrschaft gehört dem Herrn . . . “).

Der anglikanische Bibelwissenschaftler N. T. Wright, der als Historiker unter Verwendung der modernen kritischen Methode schreibt, beschreibt das jüdische Selbstverständnis von Jesus mit folgenden Worten: "Jesus von Nazareth war sich einer Berufung bewusst: einer Berufung, die ihm von dem gegeben wurde, den er als ´Vater‘ kannte. ' um in sich selbst umzusetzen, was Gott in den heiligen Schriften Israels zu erreichen versprochen hatte. . . . Er würde die Wolken- und Feuersäule für die Menschen des neuen Exodus sein. Er würde in sich selbst das zurückkehrende und erlösende Wirken des Bundesgottes verkörpern.“ Oder anders ausgedrückt (wieder von Wright): "Jesus glaubte, daß es seine Berufung sei, die Verkörperung dessen zu sein, wovon in den jüdischen Symbolen Tempel, Tora, Wort, Geist und Weisheit gesprochen wurde, nämlich [Gottes] rettende Gegenwart.“ in der Welt, oder genauer gesagt, in Israel und für die Welt.“ So würden in seinem Leiden, seinem Tod und seiner Auferstehung "der Name und Charakter“ des Gottes Israels "vollständig und endgültig enthüllt und bekannt gemacht“ werden.

Antisemitismus gibt es heutzutage in vielen Formen. Wenn diejenigen, die sich auf den "palästinensischen Jesus“ berufen, das nicht begreifen, denken sie vielleicht noch einmal darüber nach."

Quelle: G. Weigel, firstthings

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