Donnerstag, 20. Juni 2024

Kardinal Newmans "Biglietto"-Rede - oder früher war alles besser.

George Weigel vergleicht bei firstthings anhand der Biglietto-Rede von John Henry Newman anlässlich seiner Kardinals-Kreierung im Jahre 1879 mit den veränderten -sprich vereinfachten- Ritualen rund um die Verleihung des Roten Hutes und warnt vor dem Weg in den Relativismus.
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                                         "TICKET INS VERGESSEN ?"

In den Tagen bevor Papst Paul VI hat die Rituale rund um die Kreierung  neuer Kardinäle vereinfacht hat, wurden die Männer, die zuvor informiert waren, dass sie ausgewählt sind, in Rom versammelt; dort - ein Tag vor dem Konsistorium, bei dem sie proklamiert wurden und den roten Hut bekommen sollten - erhielten sie das, was als biglietto bekannt geworden ist. Ein vom päpstlichen Kämmerer an jeden Kardinal - wo auch immer in Rom- überreichtes biglietto - war ganz wörtlich die Eintrittskarte die formal die Berufung des Kirchenmannes ins Kardinalskollegium und liess ihn- wie Eintrittskarten das so tun- zum bevorstehenden Konsistorium zu. Das war eine charmante Zeremonie und üblicherweise die Gelegenheit zu einer ersten von etlichen Partys zur Feier der neuen Kardinäle. Aber bevor die Feiern begannen, wurde erwartet, daß der Mann der das biglietto bekam, einige Worte sprach.

Die berühmteste "Biglietto-Rede" der Geschichte fand vor 145 Jahren statt. Ihre erinnerungswürdigste Passage spricht die Kirche noch heute an. 

John Henry Newman war einer der berühmtesten Konvertiten und umstrittensten Persönlichkeiten des Katholizismus Mitte des 19. Jahrhunderts. Sein persönlicher Glaubensweg hatte ihn von jugendlichem Skeptizismus zu einem robusten evangelikalen Anglikanismus geführt und dann von einem Fellowship am Oriel College und der Pfarrstelle der Universitätskirche St. Mary the Virgin zur Führung der anglikanischen Reformbewegung in Oxford. Ein eingehendes und intensives Studium der Kirchenväter des ersten Jahrtausends hatte ihn schließlich davon überzeugt, daß die Church of England – in historischer Hinsicht, in theologischer Überzeugung und in ihrer Beziehung zur Staatsmacht – eine weitere protestantische Konfession war. Also ging Newman die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche ein, was ihn seine Positionen in Oxford kostete und ihm nicht wenig Ärger einbrachte – mit Anglikanern, die ihn als Verräter betrachteten, und Katholiken, die den Feinheiten seiner Theologie misstrauten.

Newman, eine sensible Seele und ein brillanter Geist, litt jahrzehntelang unter dem, was Dorothy Day einmal als die "lange Einsamkeit“ des Konvertiten beschrieb. Dieses Leid wurde erheblich gemildert, als Papst Leo XIII. in einer der ersten Amtshandlungen seines großen Reformpontifikats seine Absicht verkündete, Newman zum Kardinal zu ernennen und dem inzwischen betagten Mann zu gestatten, weiterhin im Oratorium von Birmingham zu leben und nicht in Rom (was damals die Regel für Kardinäle war, die keine Diözesanbischöfe waren).

Also reiste Newman nach Rom und hielt am 12. Mai 1879 seine Biglietto-Rede, in der er sich selbst folgendermaßen beschrieb:

- Im Laufe der Jahre habe ich viele Fehler gemacht ... aber ich bin überzeugt, dass ich in allem, was ich geschrieben habe, Folgendes behaupten kann: eine ehrliche Absicht, das Fehlen privater Ziele, eine gehorsame Einstellung, die Bereitschaft, korrigiert zu werden, die Furcht vor Fehlern, den Wunsch, der Heiligen Kirche zu dienen, und, durch Gottes Gnade, ein angemessenes Maß an Erfolg.

Und ich freue mich sagen zu können, dass ich mich von Anfang an einem großen Unheil widersetzt habe. Dreißig, vierzig, fünfzig Jahre lang habe ich dem Geist des Liberalismus in der Religion nach besten Kräften widerstanden. Nie brauchte die Heilige Kirche mehr Verfechter dagegen als jetzt ...

Liberalismus in der Religion ist die Lehre, dass es in der Religion keine positive Wahrheit gibt, sondern dass ein Glaubensbekenntnis so gut ist wie das andere. ... Er ist unvereinbar mit der Anerkennung einer Religion als wahr. Er lehrt, dass alles toleriert werden muss, denn alles ist eine Frage der Meinung. Die offenbarte Religion ist keine Wahrheit, sondern ein Gefühl und ein Geschmack; keine objektive Tatsache, kein Wunder; und es ist das Recht jedes Einzelnen, es so auszudrücken, wie es ihm gerade in den Sinn kommt.

Während die Kirche auf das Instrumentum Laboris, das "Arbeitsdokument“, für die Synode 2024 im Oktober wartet, bleibt zu hoffen, daß diejenigen, die diesen Text verfassen, erkennen, daß das, was Newman als "großes Unheil“ bezeichnete, auch heute noch unter uns lebendig ist. Die Reduzierung des religiösen Glaubens auf eine Frage des Gefühls statt einer rational vertretbaren Überzeugung (deren Anfänge bis zum deutschen Theologen Friedrich Schleiermacher im frühen 19. Jahrhundert zurückreichen) ist vielleicht der wichtigste Faktor für den Verfall liberaler protestantischer Konfessionen zu kleinen Gruppierungen religiöser Geistlicher mit nur noch sehr geringer Bindung an das Christentum der großen Tradition. Und dennoch gibt es Katholiken, die vorschlagen, denselben ausgetretenen Pfad in … wohin zu beschreiten? In völlige Bedeutungslosigkeit? In kirchliche Vergessenheit?

Wenn Kardinäle in der obersten Leitung der Synode 2024 von ihrem Verlangen nach einer "Regenbogenkirche“ sprechen oder geklärte moralische Fragen für offen erklären, gibt es Grund zur Sorge: in der Tat zu großer Sorge, denn die Weisheit und Voraussicht von Newmans "Biglietto-Rede“ wird ignoriert. Und diejenigen, die Augen zum Sehen haben, haben gesehen, wohin das führt."

Quelle: G. Weigel, Firstthings

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