Ob es eines Dieners der Diener Gottes angemessen ist, jede Kritik seiner Brüder im Bischofsamt an seiner Agenda als neurotisch und psychisch gestört abzutun und sich damit jeder Diskussion zu entziehen, bleibt eine offene Frage. Außerdem könnte diese Methode natürlich auch auf ihn selber angewandt werden.
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"PAPST FRANZISKUS LEGT SEINE FEINDE NICHT AUF DAS FOLTERBRETT SONDERN AUF DIE COUCH"
Mit der Kritik auf eine seiner Initiativen und Entscheidungen reagiert der Pontifex, indem er versucht, eine psychologische Diagnose zu stellen, die die Leute dazu bringt, solche negativen Meinungen auszudrücken. Das letzte Beispiel für diese Zugangsweise ist das Interview mit der Zeitung der Italienischen Katholiken "Avvenire" von diesem Freitag.
Nach der Natur der Dinge ist der Papst ein Führer und - was für ein Führer auch immer- irgendwer wird immer unglücklich sein, Päpste ziehen Kritik an wie Justin Bieber Mädchen und so überrascht es überhaupt nicht, daß Papst Franziskus seinen gerechten Anteil davon bekommt.
Um das bekannteste jüngste Beispiel zu nehmen, die vier Kardinäle -eingeschlossen der amerikanische Kardinal Raymond Burke -haben gebeten, daß Franziskus das klarstellen möge, was sie als eine durch sein Dokument zur Familie "Amoris Laetitia" ausgelöste Verwirrung beschreiben und seine Vorschläge, die suggerieren, daß den wiederverheirateten geschiedenen Katholiken erlaubt werden könne, unter bestimmten Umständen zur Kommunion zurück zu kehren.
Nachdem es ihnen nicht gelungen ist, die gewünschte päpstliche Antwort zu bekommen, ventiliert Burke jetzt den Gedanken eines formalen Aktes der Korrektur des Papstes.
Ein Weg mit einer solchen Kritik umzugehen, wäre für einen Papst natürlich auf der Ebene des Themas zu antworten.
Franziskus könnte noch einmal seine Entscheidung verteidigen und argumentieren, daß die Zulassung der wiederverheirateten geschiedenen Katholiken zur Kommunion nicht die Lehre der Kirche zur Ehe einengt, daß Katholizismus immer einen Unterschied zwischen Lehre und pastoraler Praxis unterschieden habe, und daß die Differenzierung der individuellen Fälle in der Tat eine Schlüsselkomponente der traditionellen Moraltheologie ist.
(In Wahrheit könnte er wissen, daß er eine Menge Leute hat, die so etwas für ihn tun und daß er das nicht selbst tun muß.)
Oder der Papst könnte auf die Kritik mit disziplinarischen Maßnahmen antworten: formelle Sanktionen, Leute entlassen, Schweigegebote, um sie am Sprechen über bestimmte Themen zu hindern usw. Das kanonische Recht besagt, daß ein Papst oberste, volle, unmittelbare und universale Jurisdiktion in der Kirche besitzt, so daß wenn ihm danach ist, einige Köpfe zu "knacken"- das sicher in seiner Macht steht.
Franziskus jedoch scheint eine andere Strategie gewählt zu haben: anstatt seine Feinde auf den Scheiterhaufen zu stellen, scheint er es vorzuziehen, sie auf die Couch zu legen.
Wie Inés San Martin heute berichtet, sagt Franziskus in einem Interview, daß manche Kritiken an Amoris einen "gewissen Legalismus" spiegeln und einen "Mangel an Verständnis dafür, daß es im Laufe des Lebens zu Unterscheidungen kommen muß."
Später, als er über den Vorwurf sprach, seine ökumenischen Initiativen drohten zu einem Ausverkauf der Katholischen Lehre zu führen, läßt Franziskus seinen inneren Sigmund Freud gründlich von der Leine.
"Was Meinungen angeht, muß man immer den Geist unterscheiden, in dem sie ausgesprochen werden" sage er. "Wo kein böser Geist dahinter ist, können sie dir auf dem Weg helfen. Bei anderen Gelegenheiten sieht man schnell, daß Kritik hier und da benutzt wird um vorbestehende Positionen zu "Man sieht auch schnell, daß bestimmte Rigorismen aus etwas, das fehlt geboren werden, aus dem Versuch, die eigene traurige Unzufriedenheit hinter einer Art Rüstung zu verstecken" sagte der Papst.
Noch später warnt Franziskus, daß der "Krebs in der Kirche" das Anstreben von Ruhm sei, verwurzelt in Logik von Ehrgeiz und Macht
Was Franziskus de facto tun will, ist zu suggerieren, daß zumindest manche Kritik, der er sich gegenüber sieht, eher auf einer psychologischen und spirituellen Funktionsstörung beruht als auf einer wirklichen, gottgefälligen theologischen oder pastoralen Überzeugungen.
Natürlich ist diese Art Rhetorik nicht neu für Franziskus, für den "Rigorismus", "Legalismus" und "Klerikalismus" immer seine persönlichen "bêtes noires" waren. Was das Ausdrücken dieser Ideen jedoch auffällig macht, ist, daß das zu einer Zeit geschieht, in der von einer kleinen Gruppe der dienstältesten Männer der Kirche Einwände gegen einige Aspekte der Papst-Agenda erhoben und ausgesprochen werden.
Abstrakt gesprochen könnte man sagen, daß man sich zu Recht fragen kann, ob der psychoanalytische Ansatz bei Kritik funktionieren wird, zumindest dabei, die Meinung dieser Kritiker zu verändern. Schließlich hört keiner gern, daß er emotionale Probleme habe und er setzt sich so dem Vorwurf aus, das Positive an der Debatte zu bemänteln.
Andererseits ist Franziskus ein gewiefter Politiker und vielleicht spannt er, indem er die Diskussion über Amoris Laetitia oder irgendetwas anderes in erster Instanz beschränkt, was die Detais seiner Politik angeht, den Wagen vor das Pferd. Zuerst muß man klarmachen, welchem geistlichen oder menschlichen Wert man zu dienen versucht und dann kann man überlegen. wie sich das in spezifische politische Entscheidungen übersetzen läßt.
Mit anderen Worten, vielleicht lädt Franziskus, indem er seinen Kritikern nicht mit Argumenten zu sondern mit einer Diagnose antwortet- sie nicht allzu subtil dazu ein,zu beten, bevor sie verschwinden.
Man wird sehen ob das die (Kompass) Nadel bewegt. Natürlich. Auf jeden Fall sagte Franziskus im selben Interview, daß ihm Kritik nicht den Schlaf raubt, so daß das vielleicht gar nicht so wichtig ist. Immerhin ist es zumindest ein interessantes Laborexperiment, ob und wie Psychologie und spirituelle Richtung Erfolg haben können,wo Logik und Argumente manchmal zu kurz greifen.
Quelle: A. John, Crux
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