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"DIEJENIGEN, DIE BENEDIKT XVI NICHT KENNEN (ODER DIE IHN ZU GUT KENNEN)"
Der Wirbel, der um den Nachruf veranstaltet wurde, den Benedikt XVI zur Totenmesse für den emeritierten Erzbbischof von Köln und alten Freund, Kardinal Joachim Meisner, geschickt hat, offenbart viel von dem, was aus der Kirche geworden ist und besonders wie entzweiend die innere Debatte in der Kirche geworden ist.
In seiner bewegenden und persönlichen Erinnerung an Kardinal Meisner hat Benedikt unterstrichen, wie hart es für Kardinal Meisner "das Amt zu verlassen - in dem Augenblick - in dem die Kirche Hirten braucht, die fähig sind, der Diktatur des Zeitgeistes zu begegnen und völlig entschlossen sind vom Standpunkt der Glaubens zu handeln und zu denken."
Aber - fügte der Papa emeritus hinzu - "umso mehr hat es mich bewegt, dass er in dieser letzten Periode seines Lebens loszulassen gelernt hat und immer mehr aus der tiefen Gewissheit lebte, dass der Herr seine Kirche nicht verlässt, auch wenn manchmal das Boot schon fast zum Kentern angefüllt ist."
Diese Worte wurden sofort als Angriff auf das aktuelle Pontifikat interpretiert. Es wurde auch der Verdacht verbreitet, daß der Brief nicht vom Papa Emeritus selbst geschrieben wurde sondern von seinen Mitarbeitern. Verletzende Anspielungen.
Erzbischof Georg Gänswein, Präfekt des Päpstlichen Haushalts, aber vor allem Privatsekretär des Papa emeritus, hat alles zurückgewiesen: Benedikt hat sich weder auf irgendwelche besonderen Umstände noch auf das aktuelle Pontifikat bezogen.
Wenn man auf die Fakten schaut, muß man dieser Version glauben. Papst Benedikt hat die Metapher des Schiffes viele male benutzt, um das Leben der Kirche zu beschreiben.
Z.B. benutzte er sie am 27. Februar 2013 während seiner letzten Generalaudienz, als er betonte:
"Der Herr hat uns viele Sonnentage mit leichter Brise geschenkt, Tage, an denen der Fischfang reichlich war, und es gab Momente, in denen das Wasser aufgewühlt war und wir Gegenwind hatten, wie in der ganzen Geschichte der Kirche, und der Herr zu schlafen schien. Aber ich habe immer gewußt, daß in diesem Boot der Herr ist, und ich habe immer gewußt, daß das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns gehört, sondern ihm. Und der Herr läßt sie nicht untergehen "
Benedikt sprach 2006 bei der von den Wellen hin und hergeworfenen Barke in seiner Predigt zum Fest der Hl. Petrus und Paulus, als er daran erinnerte:
"Immer wieder wird das kleine Boot der Kirche vom Wind der Ideologien hin- und hergeworfen, die mit ihren Wassern eindringen und es scheinbar zum Untergang verurteilen. Und dennoch ist Christus gerade in der leidenden Kirche siegreich. [....]
Er bleibt in seinem Boot, im Schifflein der Kirche. So offenbart sich auch im Dienst des Petrus einerseits die Schwachheit dessen, was zum Menschen gehört, aber gleichzeitig auch die Kraft Gottes: Gerade in der Schwachheit der Menschen zeigt der Herr seine Kraft, beweist er, daß er selbst es ist, der mittels schwacher Menschen seine Kirche aufbaut."
Wie ist es dann möglich, Kardinal Joseph Ratzingers Schmerzensschrei in der Kreuzweg-Meditation 2005 zu vergessen?
Die 9. Station liest sich so:
"Herr, unsere Kirche erscheint oft wie eine sinkendes Boot, ein Boot, in das das Wasser von allen Seiten eindringt. In Deinem Acker sehen wir mehr Unkraut als Weizen. Das beschmutzte Kleid und Gesicht Deiner Kirche werfen uns ins Verwirrung. Dennoch sind wir selbst es, die sie beschmutzt haben."
Wir könnten weitermachen und Schritt für Schritt dokumentieren, wie und wann Papst Benedikt die Kirche mit diesem kleinen Schiff auf dem See von Galiläa verglich, dieser Urzelle der Kirche -bestehend aus den Aposteln, die jetzt das schlagende Herz der Kirche ist.
Um jeden nachklingenden Verdacht zu klären, sollte es genügen auf den Gehorsam, die Verehrung und sogar Zuneigung zu schauen, die Benedikt XVI seinem Nachfolger gegenüber gezeigt hat.
Die beiden hatten eine beinahe enge Beziehung und Benedikt scheint beinahe Papst Franziskus´ geheimer Berater zu sein, immer bereit auf dessen Anfragen zu reagieren.
Am Ende scheinen alle diesen Diskussionen von Leuten zu kommen, die Benedikt XVI nur wenig kennen, die seine Weigerung, persönliche Kritik zu üben, besonders gegenüber seinem Nachfolger, nicht bedenken, Leute, die nicht verstehen, daß Benedikt immer an den Kern der Dinge geht - unter welchen Umständen auch immer.
Dennoch ist das Problem vielleicht ein anderes. Diese Polemiken könnten auch aus der Tatsache stammen, daß alle das Denken Benedikts XVI sehr gut kennen.
Während der 8 Jahre seines Pontifikates und sogar schon davor hat Joseph Ratzinger sowohl als Präfekt der Glaubenskongregation als auch als Theologe immer für eine Synthese gearbeitet.
Er hat immer leichte Gegenargumente vermieden, die die Debatten, die dem II.Vaticanischen Konzil folgten, färbten.
In seiner Art zu denken, gibt es keinen "politischen Weg" sondern nur die Suche nach dem Willen Gottes. Seine Rede von der Hermeneutik der Kontinuität, die er Weihnachten 2005 vor der Römischen Kurie hielt, ging in diese Richtung. Am Ende lud er jeden dazu ein, politische Kategorien zu vermeiden und ins Herz des Mysteriums der Kirche einzutreten.
Um es zusammenzufassen: Papst Benedikt hat seine Hörer immer aufgefordert, die erneuernde Brille des Glaubens zu nutzen, um auf die Wirklichkeit zu schauen.
Diese Zugehensweise wurde von denen abgelehnt, die ideologische Gegenpositionen zum Hauptthema ihrer Arbeit machten. Aus diesem Grund wurden sie während des Pontifkates Benedikts
marginalisiert. Unter Papst Franziskus ergriffen sie die Gelegenheit die Zügel der kulturellen Diskussion wieder in die Hände zu nehmen.
Unter und wahrscheinlich trotz Papst Franziskus ähnelt die Debatte wirklich der der 70-er Jahre:
Nuancen werden zur Seite geschoben, zur Diskussion stehende Themen werden in politischer Sprache geführt, das Thema Glaube wird im Hintergrund gehalten.
Aus diesem Grund wird jedesmal, wenn der Eindruck entsteht, daß Benedikt noch etwas zu sagen hat, sein Denken heftig beiseite geschoben.
Das ist viele Male passiert.
Z.B. als Erzbischof Gänswein über einen "erweiterten Petrinischen Dienst - mit einem aktiven und einem kontemplativen Mitglied" sprach, wurden seine Wort sofort als "schädlich für den päpstlichen Primat" etikettiert.
Es passierte auch, als Benedikts Vorwort zu Kardinal Robert Sarahs letztem Buch - ein Vorwort, das den Kardinal preist, bei einigen die Forderung nach einer Regulierung, die den "institutionellen Tod" des Titels und der Rolle des "Papa emeritus" bewirken würde, provozierte.
Grund dafür war, daß Kardinal Sarah als Prototyp jener Papst Benedikt XVI nahestehenden Welt angesehen wird, derer sich die "neue Welt" entledigen will. Es ist kein Zufall, daß Kardinal Sarahs Name auf der Liste derer steht, die Papst Franziskus´ Vision der Welt" ablehnen.
Die Liste wurde in einem Artikel veröffentlicht, der den Essay von Pater A. Spadaro und Marcelo Figueroa in "La Civlità Cattolica" über den "erstaunlichen Ökumenismus" zwischen evangelikalem Fundamentalismus und Katholischem Integralismus in den USA kommentiert - ein Ökumenismus den die beiden Autoren als "Ökumenismus des Hasses" beschreiben.
Offensichtlich paßt Kardinal Sarah nicht in diesen La Civiltà Cattolica Essay, der statt dessen reihenweise Behauptungen in politischer Sprache anbietet, versucht mit säkularisierten Linsen einen Schnappschuss der Wirklichkeit aufzunehmen und nicht versteht, wie die Verteidigung traditioneller Werte geformt ist und warum Christliche Konfessionen in diesen Werten eine gemeinsame Sache finden.
Fortsetzung folgt.....
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