Dienstag, 7. November 2017

Magister: Die dubia sind lebendiger denn je.....

Im fortbestehenden Getümmel um AL,die dubia, correctio und Gegencorrectio geht der Kampf um die Deutungshoheit weiter. Sandro Magister kommentiert das bei Settimo Cielo
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"DIE DUBIA SIND LEBENDIGER DENN JE. UND KARDINAL MÜLLER FÜGT IHNEN EINEN WEITEREN HINZU. SEINEN EIGENEN."

Zwei Bücher sind kürzlich erschienen, beide von prominenten Autoren und beide antworten auf die vor einem Jahr von 4 Kardinälen dem Papst übermittelten dubia zur postsynodalen Exhortation "Amoris Laetitia"

Das erste von Ares/Italien herausgegebene  der beiden Bücher hat bereits viele Diskussionen ausgelöst. Es ist von Rocco Buttiglione, einem bekannten Gelehrten der Philosophie und einem kompetenten Interpreten des philosophischen Denkens Johannes Pauls II und heute ein entschiedener Verteidiger der Offenheit, die Papst Franziskus im Hinblick auf die Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen eingeführt hat, und auch ein resoluter Verfechter der perfekten Kontinuität zwischen dem Lehramt des aktuellen Papstes und der Enzyklika "Veritatis Splendor" von Papst Karol Wojtyla.

Mehr noch als durch das, was Buttiglione geschrieben hat, was schon zuvor bekannt war, ist die Diskussion durch das Vorwort für eben dieses Buch angefeuert wordern, die Kardinal Gerhard Müller geschrieben hat.

Tatsächlich ist dieses Vorwort vielen als widersprüchlich erschienen.

Auf der einen Seite, schreibt Müller, daß er vollkommen mit Buttigliones Ideen übereinstimmt und empfiehlt sie den Lesern warm.
Auf der anderen Seite sieht der Kardinal ausdrücklich nur einen Fall für den möglichen Zugang von Katholiken, die ein einer neuen Verbindung leben, während der erste Ehepartner noch lebt. Und das ist der Fall, in dem die erste Ehe -auch wenn sie in der Kirche geschlossen wurde- als ungültig zu betrachten ist- wegen Abwesenheit des Glaubens oder anderer erforderlicher Voraussetzungen im Moment der Eheschließung, diese Ungültigkeit aber "nicht kanonisch bewiesen werden kann".

In diesem Fall schreibt Müller:
"Es ist möglich, daß die Spannung die man hier sieht: zwischen dem objektiv-öffentlichen Status der zweiten Ehe und dem subjektiven Fehler, sich unter den beschriebenen Bedingungen löst und den Weg zum Sakrament der Beichte und der  Hl. Kommunion öffnen könnte, wenn man die pastorale Unterscheidung  im forum internum durchläuft."

Bis jetzt hat noch keiner darauf hingewiesen, daß der hypothetische Fall Müllers hier der selbe ist, den Joseph Ratzinger sich vorgestellt und diskutiert hat, sowohl als Theologe als auch als Papst, in dem er die Möglichkeit der Zulassung zu den Sakramenten zugibt, immer und in jedem Fall nach einer im forum internum mit einem Beichtvater gemachten Entscheidung und der Vorsicht, keinen öffentlichen Skandal auszulösen: 

Nach dem, was er im Vorwort schreibt, ist das die Schwelle- ganz traditionell, bei der Kardinal Müller die Linie zieht, bzgl. der Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion.
Buttiglione aber geht viel weiter, mit dem kaum verständlichen Siegel der Zustimmung des früheren Präfekten der Glaubenskongregation. Ein "Zweifel mehr" statt einer weniger.
Dann gibt es ein zweites Buch -als Antwort auf die Dubia der vier Kardinäle. Und seine Autoren sind zwei renommierte französische Theologen: der Jesuit Alain Thomasset und der Dominikaner Jean-Miguel Garrigues.

Auch dieses Buch verteidigt die Kontinuität und die "Komplementarität" zwischen der Exhortation "Amoris Laetitia" von Papst Franziskus und der Enzyklika "Veritatis Splendor"von Johannes Paul II.
Auch das löst wiederum eine Diskussion aus, wie man an dieser Kritik des Philosophen Thibaud Collin sehen kann, die ausdrücklich für "Settimo Ciel" geschreiben wurde.

Collin ist Professor für Moralphilosophie und Politik am Collège Stanislas in Paris und einer der sechs gelehrten Laien, die sich am vergangenen 22. April in Rom zu einem Studien-Seminar versammelten, mit dem signifikanten Titel "Klarheit bringen", an das Kardinal Caffarra in seinem letzten und unbeachteten Brief an Papst Franziskus erinnert hat.

 "KASUISTIK HATTE ES NIE SO GUT"
von Thibaud Collin
"In diesen Zeiten der Verwirrung ist alles, was sich in Richtung einer Klarstellung bewegt, willkommen. Deshalb öffnet man mit großer Hoffnung das kleine Buch "Eine flexible Moral, aber nicht ohne Kompass" von den Patres Alain Thomasset und Jean-Miguel Garrigues, ersterer Jesuit, letzterer Dominikaner. Unter dem Banner von Kardinal Schönborn, dessen Unterschrift sich unter dem Vorwort findet, wollen unsere beiden Theologen auf die fünf "dubia" antworten, die die Kardinäle zu bestimmten Passagen der Exhortation "Amoris Laetitia" präsentiert haben.

Wenn man das Buch wieder zuklappt, kommt man unausweichlich zu dem Schluß. daß die dubia nicht  weggegangen sind. Man könnte im Gegenteil sagen, daß sie unglücklicherweise gestärkt daraus hervorgehen, so sehr haben die Argumente, die sie zerstreuen sollen, die gegenteiliige Wirkung.
Das ist sicher kein Grund zur Freude, weil Zweifel eine schmerzliche Unsicherheit des Geistes ist. Und die Sache, die auf  dem Spiel steht, das moralische und sakramentale Leben der  Gläubigen, ist ernst genug, um zu behaupten, daß die Nächstenliebe einen dazu drängen sollte, sie mit größter Dringlichkeit zu zerstreuen.
Wie wohl bekannt ist, hat der Hl. Vater noch nicht daran gedacht, der Durchführung einer solchen Aktion zuzustimmen. 

Während darauf gewartet wird, daß der Papst eine Entscheidung trifft, geht die Debatte weiter und die Teilung wächst. Und je mehr Zeit vergeht, umso klarer wird es, daß die Rezeption von "Amoris Laetitia" sich mit dem 50. Jahrestag von Humanae Vitae und dm 25. Jahrestag von " Veritatis Splendor" überschneidet. 
Die Enzyklika Johannes Pauls II war eine Antwort auf die Einwände gegen die Enzyklika von Paul VI und legte deren tiefste Wurzeln frei.
Und wenn man heute die vielen Texte zu Amoris Laetitia liest, bekommt man den Eindruck, daß sich die Geschichte wiederholt. Die vier Kardinäle, mit dem Kardinal von Bologna aus offensichtlichen historischen Gründen an der Spitze, haben zu Recht das Kapitel 8 von "Amoris Laetitia" zum Ziel genommen, das geschrieben worden zu sein scheint, als ob es  "Veritatis Splendor" nie gegeben habe.

Die beiden Autoren sind sich über die zentrale These des Buches einig: es gibt einen Gegensatz  zwischen "Amoris Laetitia" und "Veritatis Splendor" und die Dubia haben deswegen keine Daseinsberechtigung. Nur die, die die Enzyklika Johannes Pauls II unnachgiebig interpretieren, behaupten, daß die Integration beider Texte ein Problem darstellt.
Als Erstes präsentiert Fr- Alain Thomasset in weiten Umrissen  "Veritatis Splendor"-und stellt es wieder in seinen historischen Kontext: die Herausforderung des Relativismus, der zur Frage "der unaufgebbaren Punkte der Beziehung zum Gewissen im Augenblick der Entscheidung (S.30); dann dem Gewinn, die Existenz in sich schlechter Handlungnen bestätigt zu haben."

Dazu zwei Beobachtungen:
1) ist diese Kontextualisierung selbst nicht zu sehr Anspielung? Pater Thomassetr präsentiert in der Tat keine der Doktrinen, die VS widerlegt und er hat einen Grund dafür, weil er Erbe derer ist, die diese Doktrinen entwickelt haben. 
2) Unterscheidet sich der heutige Kontext so stark vom gestrigen? Der Rest des Textes bestätigt weiterhin unsere Befürchtungen. Man kann das auf Grund dieser Passagen beurteilen: 

"Genügt es, um in moralischen Worten eine eheliche Aktion, wie den Rückgriff auf die Pille, zu definieren und zu bewerten, zu sagen, daß das der Versuch ist, die Procreation insgesamt zu vermeiden,  wenn in manchen Fällen im Gegenteil die Geburtenkontrolle im Sinne verantwortlicher Elternschaft ist? [...]

Auf gleiche Weise- wie soll man den Unterschied zwischen einem Ehebruch durch eine verheiratete Person und einer sexuellen Beziehung im Mittelpunkt eines stabilen wiederverheirateten Paares, wo die Umstände und die Ziele verschieden sind,betrachten? 
Die Definitionen in sich schlechter Handlungen sind nicht genug, für diese moralische Bewertung, weil sie zu abstrakt und allgemein bleiben.
Sie können die ganze Komplexität der erlebten Situationen und des gesamten Kontexts nicht in Betracht ziehen, der bei der Beurteilung der Anwendung der Normen wichtiger geworden ist als in der Vergangenheit.
Eine übereilte Interpretation würde die Vernunft und das Gewissen daran hindern, sich an der Definition des fraglichen Aktes und seiner moralischen Bewertung zu beteiligen, (Ss 77-78).

Hier kann man sehen, daß Fr. Thomasset- der an der Lehre von VS festhält, indem er die Existenz einer in sich schlechten Handlung bestätigt- diese dann leugnet. 
Er bemerkt den Widerspruch nicht, weil für ihn die Bedeutung des "in sich Schlechten" sich in eine so stratosphärische Höhe und eine solche Ebene des Allgemeinen entwickelt, daß sie für die Praxis nicht entscheidend sein kann. Deshalb bleibt es dem Gewissen überlassen, die Absicht der Handlung zu beurteilen, was heißt, ihr eine Bedeutung zu geben, indem man über den Kontext und die Grundlage der Handlung reflektiert. Alles endet mit einer Frage des Vokabulars.

Fortsetzung folgt....
Quelle: Settimo Cielo, Sandro Magister


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