Mittwoch, 22. September 2021

Magister: Religionskrieg in Afghanistan

Sandro Magister berichtet bei Settimo Cielo  über die Situation einer gefährdeten religiösen Minderheit im Afghanistan der Taliban- die Ismaeliten.
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"RELIGIONSKRIEG ZWISCHEN MUSLIMEN IN AFGHANISTAN. AM GEFÄHRDETSTEN SIND DIE ISMAELITEN"

Im von den Taliban übernommenen Afghanistan ist der letzte Jude gegangen, der einzige Vertreter der Katholischen Kirchen-Mission ´sui iuris´ nach Hause zurückgekehrt, haben sich die sehr wenigen Konvertiten zum Christentum in den Katakomben versteckt- sind jetzt die am meisten durch Verfolgung Gefährdeten die als Häretiker bekämpften Muslime, jene aus dem Zweig der Schiiten, die Hazaras, die Ismaeliten. 

Von diesen sind die am wenigsten bekannten, aber am meisten bedrohten die Ismaeliten. Weniger bekannt -teilweise weil sie sich absichtlich zurückhalten, sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen und nicht an militärischen Kämpfen teilnehmen.  Ihre Moscheen haben kein Minarett, weder hissen sie die Halbmondflagge, noch ertönen der Ruf des Muezzins. Tatsächlich werden sie nicht einmal Moscheen genannt sondern "jama´at khana" - Gemeinschaftshäuser und jedes Dorf, auch das abgelegenste, hat sein eigenes, von den anderen -nur durch die Sorgfalt, mit der es schön gestaltet wird, zu unterscheidendes Haus. Nicht-Ismaeiliten werden nicht zugelassen. Aber es ist bekannt, daß es im Inneren keine Kanzel oder Mihrab gibt, die nach Mekka ausgerichtet ist, Männer und Frauen beten dort gemeinsam. Das Fasten im Ramadan ist nicht protzig und wird im Allgemeinen kaum praktiziert. Es ist ein Reservat, das zur gesamten ismaeilitischen Geschichte und zu seiner Theologie gehört. Dabei überwiegt das "batin“, die innere Bedeutung des Korans, seine verborgene Wahrheit, gegenüber dem "zahir“, also seiner vorgeblichen Bedeutung. Aber der "batin“ ist ausschließlich Eingeweihten vorbehalten und hat seinen Hüter und höchsten Dolmetscher im Imam, einem direkten Nachfahren des Propheten Mohammed. 

Seit 1957 war der Imam der Ismaeliten Prinz Karim Aga Khan. Ja, der von der Costa Smeralda, aber nicht nur das- Er ist auf dem obigen  Foto, das vor 30 Jahren aufgenommen wurde, in der Mitte zu sehen- in den Bergen des weit entfernten Nordens Pakistans, wenige Meilen von Afghanistan - um genau zu sein, der afghanischen Provinz Badakhshan, an der chinesischen Grenze. 


Mit 15 Millionen Gläubigen in 25 Ländern sind die Ismaeliten nach der Iranischen die zweitgrößte Schiitisch-Islamische Gemeinschaft. Und die einzige Gegend in der Welt, wo die Ismaeliten die Mehrheit der Bevölkerung bilden, liegt zwischen Pakistan, Afghanistan und Tajikistan- in den zerklüfteten Bergen von Karakhoum, des Hindu Kush und des Pamirs. Die Ismaeliten werden durch die fanatischsten Anhänger Mohammeds mit Verfolgung bedroht, weil sie der andere Islam sind, so anders als der , der die Meldungen beherrscht. Ein toleranter, pluralistischer, friedlicher Islam. Ein Islam, der – wie von Benedikt XVI. 2006 nach seiner Rede in Regensburg und der Türkeireise erhofft – " der die wahren Errungenschaften der Aufklärung, der Menschenrechte und vor allem der Glaubensfreiheit und ihrer Ausübung begrüßen und anerkennen kann“  auch als wesentliche Elemente für die Authentizität einer Religion“.

Die frühen 90-er -nach dem Rückzug der Sowjets.- warfen für die Ismaeliten aus den Bergen Zentral-Asiens die Jahre des Aufbruchs. Bis dahin gehörte die Region zu den ärmsten Gebieten der Welt. Eine Million Einwohner verstreut auf tausend Dörfern, trockenen Bergen, Sand- und Steinwüsten, kargen Feldern. Doch dort, ausgehend vom oberen Hunza-Tal im Norden Pakistans, hat das Aga Khan Development Network einen landwirtschaftlichen Mikrokapitalismus in Gang gesetzt, der aus Bewässerungskanalanlagen, steinigen Hängen entrissenem neuen Ackerland, aus ausgewähltem Saatgut, aus geimpftem Vieh, aus Ersparnissen, die systematisch reinvestiert wurden, von kleinen ländlichen Banken, die alle von den Bauern selbst organisiert wurden, Männer und Frauen, die sich in Dorforganisationen versammelten, bestand. Gleichzeitig wurden Initiativen in den Bereichen Bildung und Gesundheit entwickelt. Schulen entstanden an den unzugänglichsten Orten, vor allem für Mädchen, die vorher praktisch von der Bildung ausgeschlossen waren.

L´Epresso hat am 7.11, 1993 8n einer ausführlichen Reportage - als Begleitung für das erste Interview, das Aga Khan über seine Rolle als spiritueller Führer je gegeben hat. 

 Aga Khan-Netzwerk:  Reportage aus dem Hunza-Hochtal 

 Aga Khan: “Die Fundamentalisten sind Muslime aus dem Mittelalter

In der zweiten Hälfte der 1990- hat die Eroberung Kabuls durch die Taliban und die daraus folgende Verfolgung der Ismaelitischen  Gemeinde die Weiterentwicklung dieser Programme in Afghanistan verlangsamt, aber sie nicht gestoppt. Ein Beweis dafür ist, das Aga Khan 2000 die futuristische Universität von Zentral-Asien (UCA) -mit Zustimmung der Präsidenten von Tajikistan und Kazachstan gründete, die ihren 2017 eingeweihten Haupt-Campus in der Stadt Khorong im Pamir-Gebirge- direkt an der Grenze zu Tadjikistan zu Afghanistan hatte- für Studenten aus beiden Ländern - von denen gut die Hälfte Mädchen waren. 

Die "Sonnenfinsternis" der Taliban in den beiden Jahrzehnten zwischen  2001 und 2021 - in denen Afghanistan unter der Kontrolle der USA und der Verbündeten stand, war für die Ismaeliten der Gegend eine Periode geschäftiger Ruhe. Das Aga-Khan-Entwicklungs-Netzwerk erreichte eine Beteiligung von 4 Millionen Menschen in 8 Provinzen- restaurierte hunderte von historischen Stätten einschließlich der Altstadt von Herat und führte zur Blüte von zwei Musikschulen für Fortgeschrittene in Herat und Kabul, die auf die Wiederentdeckung und Förderung der Traditionen der afghanischsten Vokal-und Instrumental-Musik ausgerichtet war.

Bis zum August 2021 gewannen die Taliban schnell die Kontrolle über das ganze von den Amerikanern und ihren Alliierten verlassene Land zurück. Mit der verständlichen Angst der Ismaeliten - die ihr Leben wieder in Gefahr sahen- wie diese Warnung auf der offiziellen Website der Ismaeiliten weltweit kla angedeutet hat..

"Die Jamal [Gemeinde] wurde angewiesen, ruhig zu bleiben und nicht Panik-Reaktionen nachzugeben. Es ist im besten Interesse der Familine, in ihren Häusern und Aufenthaltsorten zu bleiben, wo immer sie sein mögen. In Übereinstimmung mit der Anordnung von Imam Mawlana Hazar [von Agan Khan als spiritueller Führer anerkannt] arbeiten alle unsere Institutionen normal weiter. Wir beten für die Sicherheit und den Schutz unserer Brüder und Schwestern, die sich Schwierigkeiten gegenüber sehen." 

Am 13. September wurde bei einem von den Vereinten Nationen in Genf veranstalteten internationalen Treffen über die in diesem Land benötigte humanitäre Hilfe eine weitere Zusicherung ausgesprochen, daß das Aga Khan Development Network weiterhin als Schutzschild für die Ismailiten in Afghanistan fungieren wird.

Aber die Zukunft dieser Gemeinschaft ist durch schwere Unsicherheiten, verursacht durch die eigenen Glaubensbrüder, verdunkelt. Weil innerhalb des muslimischen Lagers die Religionskriege nie vorbei sind. "

Quelle:S. Magister, Settimo Cielo

 

But the future of this community is obscured by severe uncertainty, caused by its own brothers in faith. Because within the Muslim camp the wars of religion are never over.

  

 

 

 

With 15 million faithful in 25 countries, the Ismailis are the second largest Shiite Islamic community, second after the Iranian one. And the only region in the world where Ismailis make up the majority of the population is located right between Pakistan, Afghanistan, and Tajikistan, in the rugged mountains of the Karakoram, the Hindu Kush, and the Pamir.

The Ismailis are threatened with persecution by the most fanatical followers of Muhammad precisely because they are the other Islam, so different from the one that dominates the war dispatches. A tolerant, pluralist, peaceful Islam. An Islam that was able to welcome - as hoped for by Benedict XVI in 2006 after his speech in Regensburg and the trip to Turkey - “the true conquests of the Enlightenment, human rights and especially the freedom of faith and its practice, and recognize these also as being essential elements for the authenticity of religion”.

The early nineties, after the withdrawal of the Soviets, were for the Ismailis from the mountains of Central Asia the liftoff years. Until then that region was one of the world’s clusters of poverty. A million inhabitants scattered throughout a thousand villages, arid mountains, deserts of sand and stones, patches of scanty crops. But there, starting from the upper Hunza valley in northern Pakistan, the Aga Khan Development Network set in motion an agricultural microcapitalism made up of irrigation canal excavations, of new agricultural land torn from stony slopes, of well-selected seeds, of vaccinated livestock, of savings systematically reinvested, of small rural banks, all organized by the farmers themselves, men and women, gathered in village organizations. And at the same time, initiatives in the fields of education and health care were developed. Schools arose in the most inaccessible places, especially for girls, practically excluded from education before then.

“L’Espresso” reported on this on November 7 1993, in an extensive reportage on the ground, accompanied by the first interview ever granted by the Aga Khan on issues relating to his role as spiritual leader:

> Aga Khan Network. Reportage dall’alta valle dell’Hunza
> L’Aga Khan: “I fondamentalisti sono musulmani da Medioevo”

In the second half of the 1990s, the conquest of Kabul by the Taliban, with resulting acts of persecution of the Ismaili community, slowed the development of these programs in Afghanistan. But it did not stop it. Proof of this is the Aga Khan’s creation in 2000 of a futuristic University of Central Asia, UCA, with the agreement of the presidents of Tajikistan, Kyrgyzstan, and Kazakhstan, and with its main campus, inaugurated in 2017, in the town of Khorog in the Pamir mountains, right on the border between Tajikistan and Afghanistan, for students from both countries, a good half of them girls.

The eclipse of the Taliban in the two decades between 2001 and 2021, with Afghanistan under the control of the United States and its allies, was a period of industrious calm for the Ismailis in the region. The Aga Khan Development Network reached the point of involving 4 million people in eight provinces, as well as restoring a hundred historical sites, including the old city of Herat, and giving rise to two advanced music schools in Herat and Kabul, aimed at the recovery and promotion of Afghan vocal and instrumental traditions.

Until in August 2021 the Taliban swiftly regained control of the entire country, abandoned by Americans and allies. With the Ismailis’ understandable fear of seeing their own lives in danger again, as clearly suggested by the leaders of their community in this warning released on August 20 on the official website of the Ismailis around the world:

“The Jamat [the community] has been advised to remain calm, and not give in to panicked reactions. It is in each family's best interest to remain in charge of their homes and dwellings wherever they are located. In accordance with Mawlana Hazar Imam's guidance [the qualification of Karim Aga Khan as spiritual leader - ed], all our institutions continue to operate as normal. We pray for the safety and security of our brothers and sisters who are facing difficulties”.

On September 13, further assurance that the Aga Khan Development Network will continue to act as a shield for Ismailis in Afghanistan was expressed at an international meeting sponsored by the United Nations in Geneva on the humanitarian aid needed in that country.

But the future of this community is obscured by severe uncertainty, caused by its own brothers in faith. Because within the Muslim camp the wars of religion are never over.

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