Montag, 9. Mai 2022

Papst Franziskus und die Medien, Religion als Kultur...

In seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die Medienpräsenz des amtierenden Papstes und die Gefahren die 

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"PAPST FRANZISKUS, DIE HERAUSFORDERUNG RELIGION NICHT AUF KULTUR ZU REDUZIEREN"

Papst Franziskus ist während der Osterzeit in zwei Sendungen des Italienischen Staatsfernsehen RAI erschienen. Die erste "A Sua Immagine" ist eine historische Sendung, die gemeinsaam mit der Italienischen Bischofskonferenz gemacht wird und zu dem auch Papst Franziskus´ sonntäglicher Angelus gehört. Die zweite "I volti dei Vangeli" (Die Gesichter der Evangelien) war stattdessen eine Produktion von RAI Cultura gemeinsam mit der Kommunikationsabteilung der RAI, zu der der Papst mit verschiedenen Kommentaren zu den Protagonisten der Evangelien beitrug. Es war ein Programm, das für Weihachten mit anderen Themen für einen katholischen Rundfunksender gestaltet und dann ams Nebenprodukt an die RAI zurück verkauft wurde.

Die allgegenwärtige Präsenz des Papstes in den Medien ist nicht überraschend. Mehr als jeder andere Papst gewährt Franziskus Interviews, zeigt sich im Fernsehen, bezieht politische Positionen (wie die zur NATO im letzten Interview mit Corriere della Sera) und verschafft sich Gehör.

Dennoch riskiert die Dauerpräsenz des Papstes birgt die  Gefahr die gegenteilige Wirkung zu haben, besonders die, daß die Gegenwart des Papstes in den Medien eine Art Routine wird, daß sein Bild vorherrschend wird und auch die Kirche selbst überschattet. In der Praxis wird die Person des Papstes eine kulturelle Tatsache, eine Stimme wie die vieler anderer Intellektueller und nicht im Informationsbereich

Die Frage muss gestellt werden, weil die Reduzierung der Auftritte des Papstes auf gewöhnliche Ereignisse Gefahr läuft, auf die gesamte Kirche und allgemein auf die Wahrnehmung der Religionen in der Gesellschaft nachzuwirken.

Die Zeichen dafür sind alle vorhanden. Die RAI, das italienische Staatsfernsehen, hat seit 2002 eine mit dem Titel "RAI Vaticano", die sich mit religiösen Informationen befaßt. Aber über die Jahre hat sie langsam ihre Charakteristik verloren und wurde auf ein einziges halbstündiges Programm reduziert, das einmal im Monat spät nachts gesendet wird. 

Seit 2021, nach der Neuorganisation des Sendernetzes wurden jedoch religiöse Nachrichten Teil des Verantwortungsbereichs der Kultur-und Bildungsabteilung. Deshalb wird Information über Religion praktisch ein rein kulturelles Phänomen, das nicht wert ist in seinen Äußerungen und in ihrer fundamentalen Rolle in der Gesellschaft tiefergehend untersucht zu werden.

Das scheint eine nebensächliche Frage zu sein, aber das ist es nicht. Weil es die Religion genau auf ein kutlurelles Phänomen reduziert, das, was in den vergangenen Jahren in Quebcc/ Kanada eine stille Revolution genannt wurde, die stattgefunden hat. Eine Revolution, die eine Welle der Säkularisierung in der Gesellschaft ausgelöst und die Religionen beiseite geschoben hat, um ihre  unbestreitbare spirituelle Bedeutung zu verleugnen. 


In Europa fand die letzte Revolution dieser Art in Belgien statt. In einer Zeitspanne von 4 Jahren wurde der sog. "Kursus des Nichts" eingeführt, ein Kurs säkularer Erziehung der erst zum Religionsunterricht hinzukam und ihn dann ersetzte, Zunächst betraten diese Kurse das Schul-Curriculum nur "auf Zehenspitzen" , ein Stunde pro Woche. Jetzt wurden mit einem Schlag durch eine Parlamentsabstimmung, an der die belgischen  Bischöfe nicht einmal beteiligt waren, die Stunden verdoppelt, während der Religionsunterricht optional wurde. Auf diese Weise wurde der Übergang zu neutralem Unterricht, der von einem als neutral beurteilten Lehrer entwickelt wurde, d.h. ohne religiöse Inhalte, vollendet. 

Wie schon erwähnt, wurde das Modell insbesondere in der französischsprachigen Region Quebec, Kanada, entwickelt, wo Anfang der 2000er Jahre ein obligatorischer Kurs in Ethik und Kultur der Religionen eingeführt wurde, mit Lehrern, denen es verboten war, sich als Gläubige zu präsentieren und als einer Glaubensgemeinschaft anzugehören. Der Unterricht informierte über die wichtigsten Weltreligionen und diskutierte kontroverse Themen wie Abtreibung und Euthanasie, mit der Verpflichtung, auf weder die eine noch die andere keine Position zu beziehen. 

Die Philosophie hinter diesem Ansatz wurde vom Erfinder dieser Kurse, dem Philosophen George Leroux geliefert, der betonte, daß "es jetzt Zeit sei über die Weitergabe der Religionskultur nicht länge als Glaube sondern als Geschichte , als universales Erbe der Menschheit nachzudenken. 

Es verblüfft, daß der Einführung dieser Kurse von einer konservaticen Regierung, zu der auch Katholiken gehörten, zugestimmt wurde. Das Ausmaß der Herausforderung dieses Zeichen wird selbst in der Katholischen Welt nicht verstanden.

Eine Herausforderung die bereits extrem geworden ist. Am 3. Mai wurde im Europa-Parlament über eine Resolution über die Verfolgung von religiösen Minderheiten abgestimmt. In Nr. 22 wird festgestellt, daß das Parlament "wegen des Mißbrauchs und der Instrumentalisierung von Glaube oder Religion zur Durchsetzung einer diskriminierenden Politik zutiefst besorgt ist, wegen Gesetzen- einschließlich Strafgesetzen oder Einschränkungen die die Rechte der LGBTIQ, den Zugang von Frauen und Mädchen zur Grundrechten- wie Beziehung und Gesundheit- einschließlich sexueller und reproduktiver Rechte, einschränken, Abtreibung insgesamt kriminalisieren ebenso Ehebruch oder religiöse Praktiken erleichtern, die die Menschenrechte verletzen."

Wir haben bereits einen Punkt erreicht, in dem Gläubige nicht sprechen, keine Meinung habe und nicht am Bau der Welt teilhaben können. Jedes Bedürfnis das aus Spiritualität entsteht, wird nicht  beürcksichtigt.  

Das ist ein Trend, der bereits während der COVID-Notlage offenbar wurde, als die Restriktionen die spirituellen Bedürfnisse der Menschen bei der Durchsetzung aller religiösen Aktivitäten nicht berücksichtige wurden, während für materielle Bedürfisse Ausnahmen in Betracht gezogen wurden. 

Das sind alles Konsequenzen, denen wir uns ´gegenüber sehen. Es verblüfft, daß das staatseigene Italienische Fernsehen, das immer eine privilegierte Beziehung zum Hl. Stuhl hatte, sich diesem Rennen um die Marginalisierung der Religion anschließt und praktisch festzustellen, daß ein Papst, der im Kolosseum die Via Crucis feiert oder ein Interviewn über Kultur gibt, eher im Kulturellen engagiert ist, als eine Gaubensbotschaft zu senden. 

Das Schweigen der oberen Etagen des Vaticans zu diesem Thema ist ebenfalls überraschend. Dennoch, als nach 9/11 über internationale Schulen unter der Ägide von internationalen Körperschaften gesprochen wurde, um die Kultur der Religionen zu lehren und Extremismus zu vermeiden, hat dder Hl. Stuhl hinter den Kulissen Großes vollbracht, um präzise zu betonen. daß Religion eben nicht nur eine kulturelle Tatsache ist und deshalb nicht als solche behandelt werden sollte. 

Das ist ein Problem der Säkularisierung der Religion. Mit seiner Idee einer nach draußen gehenden Kirche besitzt Papst Franziskus eine starke Medienpräsenz. So lange er die wichtigen Themen nicht anspricht, -bis er die Wichtigkeit der Religion als Tatsache anspricht- wird er ein populärer Papst bleiben, aber irrelevant für die substantiellen und wirklichen Herausforderungen der Zeit. Und jeder wir aus diese Situation seine Vorteile ziehen können.

Immerhin kann man mit den Worten des Papstes viel Geld machen und es genügt, die Namen derer zu lesen, die die Interviews produzieren, um zu verstehen, daß jetzt die Gefahr besteht und bereits gegenwärtig ist, daß der Papst ein Geschäft wird wie jedes andere."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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