Montag, 14. November 2022

Über die konstante und doppelzüngige Hass-Rede der Medien gegen die Kirche, die den Umgang mit den Mißbrauchsfällen erschwert...

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican befaßt sich A. Gagliarducci mit der Bilanz im Umgang mit den Mißbrauchsfällen und dem fatalen Einfluss der veröffentlichten Meinung auf deren Handhabung. Hier geht´s zum Original:  klicken

 "PAPST FRANZISKUS, DIE PROBLEMATISCHE BILANZ  BEIM THEMA MISSBRAUCH"

Kardinal Ricards Geständnis, daß er als einfacher Priester ein 14-jähriges Mädchen mißbrauchte, ruft mehrere Fragen  hervor. Warum macht ein- Kardinal, der jetzt im Ruhestand ist, plötzlich ein so schwerwiegendes und öffentliches Schuldeingeständnis? Das ist eine Frage, über die man nachdenken muß, um zu verstehenm wie sehr das Mißbrauchsthema die Diskussion über die Kirche beherrscht.

Bevor wir weitermachen- es kann keinen Raum für irgendein Mißverständnis geben: sogar ein einziger Fall von Mißbrauch in der Kirche muß verfolgt werden. Wie Papst Franziskus sagte- es ist ein Verrat am Priestertum." Die Versetzung mißbrauchender Priester in andere Gemeinden war verständlich, weil es  das Problem weder anging noch löste. Die Opfer müssen angehört werden. 

Aus diesem Grund ist die Arbeit der Päpstlichen Kommission für den Schutz Minderjähriger bei der Beratung und Bereitstellung bewährter Verfahren zur Bewältigung der Tragödie des Missbrauchs durch den Klerus lobenswert. Die Kommission wurde von Kardinal Sean O’Malley gefördert (und wird jetzt von ihm geleitet), der als Nachfolger von Kardinal Francis Law in Boston während des "Spotlight“-Skandals als erster mit einem weltweiten Skandal konfrontiert war

Wir können das kritische Thema nicht beiseite lassen und es versäumen über die Konsequenzen einiger Entscheidungen nachzudenken. Ein kleineres Übel ist immer noch ein Übel, wenn auch ein kleineres und nicht alle lobenswerten Entscheidungen führen zu den erwünschten Ergebnissen.

Kardinal Ricards plötzliches Geständnis suggeriert, daß es demnächst Enthüllungen über ihn geben wird und daß er versucht, dem Medien-Hype zuvorzukommen.


Die Nachricht, daß ein Bischof im Ruhestand, Michel Santier 2021 vom Vatican wegen spirituellen Mißbrauchs sanktioniert wurde, hat Frankreich in der letzten Woche erreicht. Die Information besagte, daß es 11 amtierende und emeritierte Bischode wegen Mißbrauchs beschuldigt werden.

Kurz gesagt, es gab die Wahrnehmung daß sich das Netz zuzog und das veranlaßte Kardinal Ricard eine dramatische Beichte zu machen, die ihn davor schützte, von den Medien gelyncht zu werden.

Man könnte denken, daß das gut ist und Papst Franziskus persönlich dankte den Medien dafür, ihren Job zu machen, indem sie Mißbrauchsfälle aufdeckten. In Wirklichkeit jedoch liegt hier ein zusätzliches Risiko: unangemessener Druck der Medien, der das Narrativ nur auf Schuld liegt und niemandem gestattet, sich zu verteidigen, sobald die Beschuldigungen in den Medien sind.

Das Problem mit den Spotlight-Fällen und allen anderen Fällen, die einer dem anderen folgten, ist daß am Ende- aus Angst etwas falsch zu machen, jeder Fall eines Berichtes über möglichen Mißbrauch durch Suspension oder Ausschluss bestraft wurde. Aber wenn der Priester völlig freigesprochen wurde, konnte er nicht zu seiner Tätigkeit zurückkehren, weil er in der öffentlichen Meinung diskreditiert war.

Das ist der Fall des emeritierte Erzbischofs von Paris, Michel Aupetit, dessen Amtsverzicht Papst Franziskus "auf dem Altar der Heuchelei" akzeptierte. Und Aupetit hatte allenfalls eine unangemessene Beziehung mit einer Frau, dennoch wurde in diesem Fall von Mißbrauch gesprochen.

Aber da ist auch der Fall von Kardinal Rainer Maria Woelki, dem ein 6-monatiger Rückzug auferlegt wurde, wegen "fehlerhafter Kommunikation" bzgl. des Berichtes über Mißbrauchsfälle. Dann - nach seiner Rückkehr an die Spitze der Erzdiözese Köln, - stellte er fest, daß er irgendwie delegitimiert war, und bot seinen Rücktritt an, der dann von Papst Franziskus abgelehnt wurde.

Das sind zwei extreme Fälle, aber sie zeigen, daß die Konsequenzen, wenn man einmal den sogenannten "Altar der Heuchelei" aufmacht, schwerwiegend sein können. Schon beim Mißbrauchsgipfel im Februar 2019 schloß Papst Franziskus- nach Tagen, in denen die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen sich dem "schuldig-Modus" anzupassen schienen, mit einer Rede, in der er unterstrich, daß- in der Realität- die Fälle von Pädophilie proportional waren und daß die Fälle in den Medien nur als Medien-Fälle behandelt würden und in der Tat den unangemessenen Druck der Medien betonte.

Das war die Anerkennung eines Problems, das nicht länger mit seinen Worten definiert wurde. Einerseits ist da die Notwendigkeit den Opfern zuzuhören, was wirklich konkrete Aufmerksamkeit verdient. Aber andererseits muß ein Gleichgewicht gefunden werden, das es ermöglicht, nicht in jedem Fall anzugreifen. und das uns ermöglicht, zu erkennen, welche Fälle in den Medien sein sollen und welche nicht.

Das ist so, weil es, sobald ein Skandal ausbricht, eine Art "Angriff auf die Postkutsche" ausbricht: viele werden Ziele, wenige können sich selbst verteidigen und einige, die fürchten, auf dem Altar der Heuchelei geopfert zu werden, handeln vorgreifend, lassen aber, wenn sie das tun, die Kirche ohne Verteidigung.

Papst Franziskus´ Kirche lebt innerhalb dieser dünnen roten Linie. Sogar der Papst wollte, als er im Flugzeug aus Bahrain zurückkehrte, seinen Wunsch nach Transparenz unterstreichen und sagte, daß Fortschritte gemacht wurden und beschuldigte den Widerstand derer, die keinen Mute haben. Dennoch- erscheint es trivial, von Widerstand im Zusammenhang mit nicht-trivialen Themen zu sprechen, so wie eine Art das Problem zu leugnen oder die Schuld anderen zuzuschieben. Als ob man sagte: Ich, der Papst, tue was ich kann, aber die, mit denen ich es zu tun habe, helfen mir nicht, weil sie keinen Mut haben.

Dennoch können wir dieses Problem nur gemeinsam lösen. Man kann nicht herauskommen, ohne praktische Maßnahmen für Beziehungen, Verantwortung und Begleitung der Opfer einzuführen, aber auch passende Maßnahmen, um dem Druck der Öffentlichen Meinung zu begegnen.

Sogar den Männern der Kirche ist das nicht bewußt, aber die Kirche ist einer konstanten und doppelzüngigen "hate speech" - Hass-Rede ausgesetzt, die jetzt normal geworden ist und als gegeben hingenommen wird. Die Kirche ist z.B. "die Kirche von Pädophilen" ein verletzender Ausdruck für die vielen guten Priester, die alles andere sind. Aber angesichts dieser veröffentlichten (nicht der öffentlichen) Meinung gibt es keine Verteidigung. Und so haben die Bischöfe keine andere Wahl als das aktuelle Narrativ gegen die Kirche zu akzeptieren oder auf dem Altar der Heuchelei geopfert zu werden."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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