In seiner heutigen Kolumne bei Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci Papst Franziskus´ Erbe der Synode. Hier geht´s zum Original: klicken
"PAPST FRANZISKUS, DAS ERBE DER SYNODE"
Wenn wir auf das Arbeitsdokument in seiner Gänze schauen- obwohl die Organisatoren "Synode zum Leben der Kirche" vorziehen würden- das Papst Franziskus wollte ist ausbalanciert.
Es ist ein Dokument, das zwei Seelen anspricht, zwei verschiedene Zugänge- : den des Hörens auf das Volk Gottes -immer und in allen Umständen und den des Erinnerns daran, daß die Kirche eine ist und ebenso die Lehre, daß der Papst der Garant der Einheit ist und daß das Instrumentum Laboris deshalb weder ein lehramtliches Dokument ist, noch eines, das präzise festlegt, was bei der kommenden Bischofs-Synode diskutiert wird.
Eingebettet in diese beiden Seelen, wird das Instrumentum Laboris zu einem Text, der von allen Seiten widerspruchslos gesehen werden kann. Der Text spricht tatsächlich alle der kontroversesten, meist-diskutierten Themen der vergangenen Jahre an: verheiratete Priester, Frauen-Diakonat, Rolle der Frauen; Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene. Dennoch enthält es diese Themen in dem Teil, in dem die Umfragen gesammelt sind als Fragen und nicht in dem Textabschnitt, der- mehr als jeder andere- dazu gedacht ist, den Hintergrund für die Diskussionen zu liefern.
Gleichzeitig werden mögliche Vorstöße zur Demokratisierung der Kirche durch die Synode teilweise mit verbalen Balanceakten zurückgewiesen. Darin wird betont, dass die Ortskirchen am wichtigsten sind, aber dass sie die Beziehung zu Rom nicht außer Acht lassen können, und es wird behauptet, dass es bereits ein etabliertes Lehramt für Geschiedene und Wiederverheiratete gibt und dass dies daher nicht zur Diskussion steht, sondern daß es, weil das Thema bereits diskutiert wird, nicht beiseite geschoben werden kann. Zumindest müssen wir uns fragen, was nicht verstanden worden ist. .Bei der Frage der Synode geht es vor allem nicht so sehr um die Diskussion, sondern darum, wie viel von der Debatte der Papst in seinen Schlussworten aufgreifen wir
Was wir im Moment haben, ist die Vorstellung einer sehr breiten und zugleich ergebnislosen Debatte. Es ist auch von Evangelisierung und der zentralen Rolle des Gebets bei der Unterscheidung die Rede, aber das Dokument scheint auch gerade von lokalen Diskussionen beeinflusst zu sein, die oft soziologischer Natur sind. Sie verlieren das Hauptziel der Kirche aus den Augen, nämlich die Eucharistie. Die Versuchung, sich der Gesellschaft und der Realität zu sehr zuzuwenden, ist die größte Versuchung des synodalen Weges.
Natürlich wird diese Versuchung auf lokaler Ebene vielfältig erlebt. Die Synode der Kirche Deutschlands besteht seit 2019 und arbeitet auf einer pragmatisch-soziologischen Grundlage. Wenn man sagt, daß der aus der Missbrauchskrise resultierende Mangel an Vertrauen in die Kirche durch eine Umstrukturierung von Macht und Doktrin angegangen werden muss, bedeutet das, daß diese soziale Dimension in den Vordergrund rückt. Es ist kein Zufall, daß in den Foren der Deutschen Synode nie die Eucharistie im Mittelpunkt stand.
Das ist nicht das einzige Beispiel, wenn auch das auffälligste . Schon die Abschlussdokumente der kontinentalen Synodalphasen haben gezeigt, daß sich die Debatte häufig auf soziologische Themen konzentriert. Es heißt, es müssten neue synodale Strukturen in der Kirche geschaffen werden, und damit soll ein substanzieller Paradigmenwechsel angestrebt werden, der jedoch das Wesen der Kirche selbst verändern würde.
Das sind die Debatten, und sie waren zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils so. Benedikt XVI. teilte den Schweizer Bischöfen im Jahr 2006 mit, daß ihm bei seiner Rückkehr vom Konzil immer die gleichen Fragen gestellt worden seien und daß die im Konzil diskutierten Fragen im Wesentlichen nicht angesprochen worden seien. Vor seinem Verzicht auf das Pontifikat hielt Benedikt XVI. eine spektakuläre Rede über das Konzil der Medien und das eigentliche Konzil, die viel über die heutige Situation der Kirche aussagt.
Werden wir diese Sackgasse überwinden können? Paradoxerweise enthält ein solcher offener Text alle Antikörper, um ein stärker auf Christus ausgerichtetes Modell der Kirche zu definieren, das über Machtfragen und Kontingentfragen hinausgeht. Der Text enthält einen Appell an die ständige Weiterbildung, der auch in anderen Synodaltexten sehr präsent ist (etwa in den Lineamenta der Synode 2014, um ehrlich zu sein etwas vernachlässigt) und der ein neues (eigentlich immer Gleiches) Modell der Kirche zeigt, basierend auf der Katechese und der Wahrheit des Glaubens. Wenn es um das neue Vokabular geht, leugnet der Text nicht, daß dieses traditionell sein kann, und lässt Raum für die große Traditionalismusbewegung, die vor allem junge Menschen anzieht, wie die letzte Pilgerfahrt nach Chartres konkret zeigt.
Um diese Sackgasse zu überwinden, bedarf es jedoch auch einer bewussten Absicht des Heiligen Vaters. Der Papst wird aufgerufen sein, Anweisungen zu geben, und er wird aufgefordert, dies klar und präzise zu tun, es sei denn, das Ziel besteht tatsächlich darin, Verwirrung in der Kirche zu stiften.
Seit Beginn seines Pontifikats wollte Papst Franziskus, daß sich die Kirche in einem „dauerhaften Synodenzustand“ befindet, weshalb die Diskussionen offen blieben und nie definiert wurden. Amoris Laetitia, das von vielen als das Herzstück doktrinärer Strömungen angesehen wird, ist ein offenes Dokument, das keine Schlussfolgerungen zieht und alles der persönlichen Initiative der Gläubigen, Priester und Bischöfe überlässt. Querida Amazonia öffnete den Viri Probate oder Männern bewährten Glaubens, vielleicht verheirateten, die Möglichkeit dort zu zelebrieren, wo die Priester nicht hinkommen. Es heißt lediglich, daß mehr Überlegungen erforderlich seien.
Auffallend ist, daß der Papst zu diesen Fragen nicht Stellung beziehen will, dennoch hat er klare Regierungsentscheidungen getroffen, etwa solche über weitere Einschränkungen bei der Zelebrierung von Messen im alten Ritus oder solche, die in der Praxis dazu geführt haben, dass den Bischöfen die Pflicht auferlegt, Richter erster Instanz in Ehenichtigkeitsverfahren zu sein.
In den Diskussionen scheint Papst Franziskus jedoch den Eindruck erwecken zu wollen, daß aktives Zuhören stattfindet und keine endgültigen Entscheidungen getroffen werden. Dies birgt jedoch die Gefahr, Verwirrung zu stiften oder die persönlichen Initiativen zu begünstigen, die mutiger, klüger sind oder einfach nur böse Absichten haben. Initiativen, die zu einer neuen Dynamik der Lehrmeinung führen, sind schwer abzulehnen. Langfristig besteht die Gefahr, daß durch viele Diskussionen eine oder mehrere Spaltungen entstehen.
Und doch muss man praktisch sein, denn dieser synodale Prozess endet im Oktober 2024 und eine Exhortation des Papstes kann nicht vor Anfang 2025 folgen, es sei denn, der Papst beschließt, nicht auf das vollständige Abschlussdokument der Versammlung zu warten. Ein langer Prozess mit einem bereits betagten und kranken Papst bedeutet, so daß der Nachfolger des Papstes regeln muss, was nach der Synode passieren wird. Dennoch besteht die Gefahr, daß die Synode das große Erbe von Papst Franziskus ist – ein offenes Erbe, das wir definieren müssen. Zumindest um der Kirche eine ruhige Zukunft zu garantieren und die Polarisierung zu vermeiden, die heute zwangsläufig stattfinden wird."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican
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