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"FRANZISKUS ALAMIERT UNS AUSSERORDENTLICH UND NICHT NUR UNS. UND DENNOCH MÖGEN WIR IHN"
von Bernard Fellay
Diese überraschende Analyse des Rätsels Franziskus stammt vom General der Piusbruderschaft Bernard Fellay.
Der Ökumenismus von Papst Franziskus hat einen wirklich großen Radius. Er hat sich mit dem Orthodoxen Patriarchen von Moskau getroffen, wird nach Schweden reisen, um den 500sten Jahrestag des Anschlags der Luther-Thesen zu feiern, er ist mit vielen pfingstkirchlichen Führern befreundet, und hat sogar eine gewisse Affinität zu den hypertraditionalistischen Anhängern von Erzbischof Marcel Lefêbvre.
Und diese Tatsache ist am überraschendsten. Weil im Katholischen Lager die Feindseligkeiten und die Intoleranz gegen die Lefebvrianer unter denen am größten waren und sind, die sich am meisten mit ihrem Ökumenismus und ihrer Barmherzigkeit brüsten.
Gegen die Lefebvrianer -die sie sich selbst als "wahre Katholiken" bezeichnen, gibt es die gleiche Dynamik wie gegen die Katholiken des östlichen Ritus bei den Orthodoxen- die sie herabsetzend als Uniates bezeichnen und als abstoßend betrachten. Abstoßend weil sie ihnen zu ähnlich sind, wie ein Feind im eigenen Haus.
Benedikt XVI hatte diese Verzerrung schon in dem offenen Brief verurteilt, den er 2009 an alle Bischöfe der Welt schrieb, nachdem die Proteste gegen die Aufhebung der Exkommunikation gegen die 4 lefebvrianischen Bischöfe der Piusbruderschaft explodiert waren.
Die Aufhebung der Exkommunikation
Papst Franziskus hat auch eine große Offenheit gezeigt, als er im letzten September alle katholischen Gläubigen autorisierte, während des Jubiläumsjahres bei Priestern der Pius-Bruderschaft zu beichten und von ihnen die gültige und legitime Absolution zu empfangen.
Um das Neuartige dieser Handlung von Franziskus zu verstehen, sollte es genügen, an den Bann unter Strafandrohung der Exkommunikation zu denken, den der Bischof von Albano, Arcelle Semerano am 14. Oktober 2014 gegen seine Gläubigen aussprach, falls sie an den Messen und Sakramenten der Piusbruderschaft teilnähmen.
Semerano ist nicht irgendwer, er ist auch Sekretär des 9-Kardinäle-Rates der dem Papst beim Regieren der Kirche hilft,
Der Unterschied im Hinblick auf Papst Benedikt ist der, daß Franziskus wegen seiner Offenheit nicht sofort mit einem Sperrfeuer von Kritik und Beleidigungen seitens der Berufs-Ökumenisten eingedeckt wurde.
Und nicht nur das.
Zur Nachsicht der Ökumenisten für diese Entscheidung von Papst Franziskus kam die beispiellose Wertschätzungserklärung von niemand anderem als dem General der Piusbriuderschaft Bischof
Bernard Fellay.
Fellay drückte sein zustimmendes Urteil für Franziskus in einem ausführlichen Interview aus, das in der folrgenden Hl. Woche, am 4. März in seinem Hauptquartier in Menzingen in der Schweiz,in vielen Sprachen online gestellt wurde.
Mehr als ein Interview ist das eine Selbstdarstellung von Bernard Fellay, der zu den folgenden Fragen Stellung nimmt:
1. Beziehung zwischen der Priesterbruderschaft St. Pius X und Rom seit 2000.
2. Die neuen Vorschläge aus Rom
3. "Wir müssen akzeptiert werden, wie wir sind" ohne Zweifel und ohne Kompromiss.
4. Papst Franziskus und die Piusbruderschaft -ein paradoxes Wohlwollen
5. Die den Priestern der Bruderschaft zuerkannte Jurisdiktion - und ihre kanonischen Konsequenzen
6. Die Besuche der von Rom entsandten Prälaten: offene Doktrinfragen ?
7. der derzeitige Zustand der Kirche, Sorgen und Hoffnungen
8. Was sollten wir von der Hl.Jungfrau erbitten?
Der gesamte Text ist von signifikantem Interesse, weil er die zuverlässigste, vollständige und aktuellste Darstellung der Bruderschaft und ihrer Beziehung zu Rom ist.
Aber die überraschendsten Passagen sind genau die, in denen Fellay Franziskus´ Wohlwollen für die Bruderschaft erklärt, die er als Paradox definiert, weil sie nicht mit den bevorzugten Standpunkten übereinstimmen, die dem des Pontifikates entgegengesetzt sind.
Es ist die Erklärung, die Fellay in Punkt 4 des Textes anbietet- hier im Volltext.
Dem folgt ein anderer Ausschnitt aus Punkt 6, der dagegen die Entwicklung und das Ergebnis der kürzlichen Besuche, die die 4 Repräsentanten Roms in den Seminaren und im Priorat der Bruderschaft machten- ein Kardinal, ein Erzbischof und 2 Bischöfe.
Fellay nennt die Namen der 4 Prälaten nicht.
Es sind Kardinal Walter Brandmüller, Erzbischof Juan Ignacio Ochoa de Choinceta vom Opus Dei
und die Bischöfe Vitus Huonder und Athanasius Schneider."
Der Papst und die Priesterbruderschaft St. Pius X.: ein paradoxes Wohlwollen
"Das Wort „paradox“ ist hier angebracht, paradox im Sinne eines Willens, zu so etwas wie einem „3. Vatikanum“ voranzukommen, im schlimmsten Sinne, den man diesem Wort nur geben kann, und andererseits in dem Willen, der Priesterbruderschaft zu sagen: „Ihr seid willkommen“. Das ist nun wirklich ein Paradox, fast schon der Wille, die Gegensätze zu vereinigen. Ich meine nicht, dass das aus Gründen des Ökumenismus geschieht. Man könnte das denken. Warum ich denke, dass das nicht aus Gründen des Ökumenismus ist? Weil es genügt, die allgemeine Haltung der Bischöfe zum Thema Ökumenismus zu betrachten: sie haben für alle offene Arme, außer für uns! Man hat uns sehr oft erklärt, warum wir geächtet sind: „Euch behandeln wir nicht wie die anderen, weil ihr vorgebt, katholisch zu sein. So stiftet ihr bei uns Verwirrung, und deshalb wollen wir euch nicht.“ Diese Erklärung haben wir oft gehört, und sie schließt einen Ökumenismus aus. Nun, wenn diese Haltung, die darin besteht, zu sagen: „Wir akzeptieren alle hier in unserem Haus“, für uns nicht gilt, was bleibt dann? Ich glaube, dann bleibt der Papst.
Wenn zunächst Benedikt XVI. und nun Papst Franziskus nicht einen besonderen Blick auf die Priesterbruderschaft hätten, der sich von dieser ökumenischen Perspektive unterscheidet, die ich gerade beschrieben habe, dann – so meine ich – gäbe es jetzt nichts. Vielmehr wären wir jetzt bereits wieder das Ziel von Strafen, Zensur, Exkommunikation, der Erklärung eines Schismas und all dieses Willens, eine lästige Gruppierung auszuschalten. Warum also war Benedikt XVI. und ist nun Papst Franziskus so wohlwollend gegenüber der Priesterbruderschaft? Ich meine, dass beide nicht notwendigerweise dieselbe Sicht der Dinge haben. Bei Benedikt XVI. glaube ich, dass es seine konservative Seite war, seine Liebe zur alten Liturgie, sein Respekt für die vorherige Disziplin in der Kirche. Ich habe feststellen können, dass viele, ich wiederhole: viele Priester und selbst Gruppierungen, die Probleme mit den Modernisten in der Kirche hatten und sich an ihn wandten, als er noch Kardinal war, bei ihm – zunächst als Kardinal, dann als Papst – auf Wohlwollen stießen, auf einen Willen, zu beschützen, ihnen wenigstens so weit zu helfen, wie er konnte.
Bei Papst Franziskus sieht man weder diese Anhänglichkeit an die Liturgie noch an die frühere Disziplin, man könnte sogar sagen: eher im Gegenteil, mit vielen konträren Aussagen, was das Verstehen dieses Wohlwollens noch schwieriger, noch komplizierter macht. Und doch meine ich, dass es trotzdem mehrere mögliche Erklärungen gibt; ich gebe aber zu, dass ich da nicht das letzte Wort habe. Eine der Erklärungen ist die Aufmerksamkeit des Papstes Franziskus für alles, was marginalisiert ist, das, was er die „existenziellen Peripherien“ nennt. Es würde mich nicht weiter erstaunen, wenn er uns als eine jener Peripherien ansieht, denen er ganz offenbar den Vorzug gibt. Und in eben dieser Sichtweise gebraucht er den Ausdruck: „ein Stück Wegs zurücklegen“ mit den Menschen an der Peripherie, in der Hoffnung, so die Dinge verbessern zu können. Es handelt sich also nicht um einen festen Willen, unmittelbar zum Ziel zu kommen, einen Weg zu gehen, so oder so…, aber Hauptsache man ist recht friedlich, nett, ohne allzu genau zu wissen, wo das endet. Wahrscheinlich ist das einer der tieferen Gründe.
Ein weiterer Grund: Bei Papst Franziskus kann man eine beständige Anklage gegen die verfasste, die etablierte Kirche wahrnehmen, das englische Wort ist „establishment“ – manchmal sagt man das auch im Französischen –,das ist ein Vorwurf an die Kirche, selbstzufrieden zu sein, eine Kirche, die nicht mehr dem verirrten Schaf nachgeht, dem Schaf, das leidet, auf allen Ebenen, sei es die Armut, auch physisch. Man sieht aber bei Papst Franziskus, dass diese Sorge trotz allzu deutlichen Anscheins nicht nur eine materielle Sorge ist.
Man sieht bei ihm sehr wohl, dass er, wenn er „Armut“ sagt, auch die geistliche Armut darin einschließt, die Armut der Seelen, die in der Sünde sind, die man aus der Sünde herausholen muss, die man wieder zum lieben Gott führen muss. Selbst wenn das nicht immer klar genug ausgedrückt wird, so findet man doch genügend Ausdrücke, die das zeigen. Und unter diesem Blickwinkel sieht er in der Priesterbruderschaft eine sehr aktive Gemeinschaft – vor allem, wenn man sie mit der Lage im „establishment“ vergleicht –, sehr aktiv, das heißt, sie sucht, sie sucht die Seelen, sie sorgt sich um das geistliche Wohl der Seelen, und sie ist bereit, dafür auch die Ärmel aufzukrempeln.
Er kennt Erzbischof Lefebvre, er hat die von Bischof Tissier de Mallerais verfasste Biographie zweimal gelesen, was ohne Zweifel von Interesse zeugt; und ich meine, das hat ihm gefallen. Gleichermaßen die Kontakte, die er in Argentinien zu unseren Mitbrüdern hatte, bei denen er eine Spontaneität und auch eine Offenheit wahrgenommen hat – man hat ihm nämlich absolut nichts verheimlicht. Sicher, wir haben versucht, etwas für Argentinien zu erreichen, wo wir Schwierigkeiten mit dem Staat hatten, was die Aufenthaltserlaubnisse anbetraf, aber wir haben nichts verheimlicht, wir haben nicht versucht, etwas zu verfälschen, und ich glaube, das gefällt ihm. Das ist vielleicht eher die menschliche Seite der Priesterbruderschaft, und das kann ein gewisses Wohlwollen erklären, das könnte es erklären.
Nochmals: ich habe nicht das letzte Wort in dieser Frage, und ganz sicher spielt ja auch die göttliche Vorsehung eine Rolle. Die göttliche Vorsehung, die es schafft, einem Papst gute Gedanken einzugeben, der uns in vielen Punkten enorm erschreckt, und nicht nur uns, man kann sagen, alles, das in der Kirche mehr oder weniger konservativ ist, ist auch verstört, entsetzt über das, was geschieht, was gesagt wird, und dennoch schafft es die göttliche Vorsehung, uns durch diese Klippen zu steuern, auf sehr überraschende Weise. Sehr überraschend, denn es ist klar, dass Papst Franziskus uns leben und überleben lassen will. Jedem, der es hören will, sagt er, dass er der Priesterbruderschaft niemals etwas Böses antun wird. Er hat auch gesagt, dass wir katholisch sind. Er hat sich geweigert, uns als Schismatiker verurteilen zu lassen, er sagte: „Sie sind nicht schismatisch, sie sind katholisch“, auch wenn er danach ein etwas rätselhaftes Wort gebrauchte, als er sagte, wir seien auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft.
Für diesen Ausdruck „volle Gemeinschaft“ hätten wir gern eine klare Definition, denn man sieht ja, dass er nichts Präzisem entspricht. Das ist ein Gefühl… man weiß nicht genau, was es ist. Selbst vor kurzer Zeit, in einem Interview mit Mgr. Pozzo über uns, nimmt dieser ein Zitat wieder auf, das er dem Papst selbst zuschreibt – man kann das also als eine offizielle Stellungnahme einordnen – der Papst habe Ecclesia Dei bestätigt, dass wir Katholiken auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft seien[4]. Und Mgr. Pozzo stellt genauer klar, wie diese volle Gemeinschaft verwirklicht werden kann: durch die Annahme der kanonischen Form, was recht erstaunlich ist – eine kanonische Form würde alle Probleme der Gemeinschaft lösen!
Wenig später sagt er in demselben Interview, dass die volle Gemeinschaft darin besteht, alle großen katholischen Prinzipien zu akzeptieren[5], das heißt die drei Ebenen der Einheit in der Kirche, und das sind der Glaube, die Sakramente und die Leitung der Kirche. Und wenn er vom Glauben spricht, dann spricht er wohl eher vom Lehramt. Wir haben aber niemals eines dieser drei Elemente in Frage gestellt. Und so haben wir also auch niemals unsere volle Gemeinschaft in Frage gestellt, aber wir streichen hier das Wort „voll“ und sagen ganz einfach: „Wir sind in Gemeinschaft in dem klassischen Sinne, wie er in der Kirche gebraucht wird; wir sind katholisch; wenn wir katholisch sind, dann sind wir in Gemeinschaft, denn der Bruch der Gemeinschaft, genau das ist das Schisma.“
Zu den Besuchen der von Rom entsandten Prälaten:
(....) "Das Erste, was sie uns alle gesagt haben – war das nun eine Devise oder war es ihr eigenes Gefühl? ich weiß es nicht, aber es ist so –, alle sagten: „Diese Gespräche finden unter Katholiken statt, es hat nichts mit ökumenischen Gesprächen zu tun; wir sind unter Katholiken“. Gleich zu Anfang wurden alle Vorstellungen weggefegt wie: „Ihr seid nicht ganz in der Kirche, seid es nur halb, steht außerhalb – Gott weiß wo! –, schismatisch…“ Nein! Wir reden unter Katholiken. Das ist der erste Punkt, der interessant und wichtig ist. Trotz all dem, was bei bestimmten Instanzen in Rom heute noch gesagt wird.
(....) "Das Erste, was sie uns alle gesagt haben – war das nun eine Devise oder war es ihr eigenes Gefühl? ich weiß es nicht, aber es ist so –, alle sagten: „Diese Gespräche finden unter Katholiken statt, es hat nichts mit ökumenischen Gesprächen zu tun; wir sind unter Katholiken“. Gleich zu Anfang wurden alle Vorstellungen weggefegt wie: „Ihr seid nicht ganz in der Kirche, seid es nur halb, steht außerhalb – Gott weiß wo! –, schismatisch…“ Nein! Wir reden unter Katholiken. Das ist der erste Punkt, der interessant und wichtig ist. Trotz all dem, was bei bestimmten Instanzen in Rom heute noch gesagt wird.
Der zweite und, wie ich meine, noch wichtigere Punkt ist, dass die in diesen Gesprächen angesprochenen Fragen eben die klassischen Fragen sind, auf die man immer stößt. Ob es sich um die Religionsfreiheit handelt oder die Kollegialität, den Ökumenismus, die Neue Messe oder gar die neuen Riten der Sakramentenspendung… Nun ja! Alle haben sie uns gesagt, dass das Thema dieser Gespräche offene Fragen seien. Ich meine, das ist eine ganz wichtige Überlegung. Bis jetzt hatte man immer darauf bestanden, dass wir das Konzil annehmen müssen. Es ist schwierig, die wirkliche Reichweite dieses Ausdruckes „das Konzil annehmen“ zu ermessen. Was bedeutet das? Es ist doch eine Tatsache, dass die Konzilsdokumente von völlig unterschiedlicher Qualität sind und dass ihre Annahme nach abgestuften Kriterien, nach einem Maßstab von Verbindlichkeit geschieht. Wenn ein Text ein Text des Glaubens ist, dann besteht ganz einfach Verbindlichkeit. Auf völlig irrige Weise geben sie aber vor, dieses Konzil sei unfehlbar, sie wollen auf eine völlige Unterwerfung unter das gesamte Konzil verpflichten. Wenn also „das Konzil annehmen“ dieses meint, dann sagen wir, dass wir das Konzil nicht annehmen. Denn genau diesen unfehlbaren Charakter verneinen wir. Wenn es bestimmte Abschnitte des Konzils gibt, welche das wiedergeben, was die Kirche früher gesagt hat, und zwar auf unfehlbare Weise, dann ist ganz offensichtlich, dass diese Abschnitte unfehlbar sind und bleiben. Und das akzeptieren wir, da gibt es kein Problem. Wenn man sagt „das Konzil annehmen“, dann muss man deshalb gut unterscheiden, was man damit meint. Nichtsdestoweniger konnte man sogar mit dieser Unterscheidung bis hierher von Seiten Roms eine gewisse Hartnäckigkeit spüren: „Sie müssen diese Punkte akzeptieren; das ist Teil der Lehre der Kirche, und deshalb müssen Sie sie annehmen“. Und man sieht – nicht nur in Rom, sondern bei der großen Mehrheit der Bischöfe – diese Haltung noch bis heute, diesen großen Vorwurf, den man uns macht: „Sie nehmen das Konzil nicht an“. (.......)
Quelle: Sandro Magister www.chiesa
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