Mittwoch, 22. Juli 2020

George Weigel zur Zukunft der päpstlichen Diplomatie

George Weigel erklärt in einem Beitrag in FirstThings sehr klar seine Vorstellungen von einer zukünftigen päpstlichen Diplomatie, ihrer Verpflichtung zur Wahrheit und eine Absage an ein Appeasement. Hier geht´s zum Original: klicken

"DER NÄCHSTE PAPST UND DIE DIPLOMATIE DES VATICANS" 
"Während des kurzen päpstlichen Fluges von Boston nach New York am 2. Oktober 1979 entdeckte Fr. Jan Schotte (später Kardinal, aber in einer unbedeutenden Position in der Kurie), daß Kardinal Agostino Casaroli, der Kardinalstaatssekretär, einige wichtige Veränderungen an der Rede, die Papst Johannes Paul II später am Tag vor der UNO halten sollte, vorgenommen hatte. Schotte, der bei der Formulierung des Textes geholfen hatte, fand zu seiner Bestürzung heraus, daß Kardinal Casaroli fast alles entfernt hatte, was die Sowjet-Union und den Block ihrer kommunistischer Satelliten hätten verletzend finden können- so wie z.B. die robuste päpstliche Verteidigung der Religionsfreiheit und anderer Menschenrechte. Schotte brachte den revidierten und gesäuberten Text in Johannes Pauls II Privatkabine der Shepherd One und erklärte, warum er dachte, daß Casaroli, der Architekt des vaticanischen Annäherungsversuchs an die kommunistischen Regimes in den späten 60-er und in den 70-er Jahren mit dieser Abschwächung der Rede Unrecht hatte.

Johannes Paul las die markierten Textstellen, dachte ein bißchen nach und akzeptierte dann Schotts Rat. Wenn er von der größten Tribüne der Welt- so wurde sie betrachtet- sprechen würde, sollte das eine starke, prinzipielle Verteidigung der Menschenrechte sein. Und wenn Diktaturen dadurch  verärgert würden- Pech.

Sie waren in der Tat verärgert und ihr Unbehagen war an diesem Tag für uns alle in der Vollversammlung spürbar. Aber die bedrängten Katholiken jenseits des Eisernen Vorhangs wurden daran erinnert, daß sie in Rom einen Kämpfer hatten, der in der Weltpolitik nicht nach den Regeln der Welt spielen würde. Der Papst würde nach den Regeln des Evangeliums spielen.

Die Erinnerung Kardinal Schottes an diesen Vorfall, von dem er mir 1997 erzählte, hat neue Bedeutung erlangt, weil die vaticanische Diplomatie zum Casaroli-Stils der Anpassung an Gewalt-Regimes zurückzukehren scheint. Anfang dieses Monats wurde z.B.eine Rede des Papstes beim Angelus, in der er -auf die mildest mögliche Weise - Bedenken über das neue Sicherheitsgesetz in Hong Kong und seine abschreckende Wirkung auf die Menschenrechte ausdrücken wollte, eine Stunde vorher an die Journalisten verteilt. Kurz bevor der Papst erschien, sagte man den Reportern dann, daß die Bemerkungen zu China und Hong Kong wegfallen würden.

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was passiert ist. Ein Schüler des verstorbenen Kardinals Casaroli.hat den Papst wahrscheinlich überredet, zu vermeiden, irgendetwas zu sagen, was als Kritik an der Kommunistischen Regierung Chinas verstanden werden könnte.





In "Der nächste Papst: das Petrus-Amt und eine missionarische Kirche" (kürzlich von Ignatius-Press veröffentlicht) stelle ich fest, daß die institutionell falschen Positionen der Vatican-Diplomatie nicht die Lektionen wiederspiegeln, die uns das späte 20. Jahrhundert gelehrt hat: die einzige Autorität die das Hl. Stuhl heute in der Weltpolitik hat, diese moralische Autorität des Hl. Stuhls versagt dabei, gegenüber der Macht die Wahrheit auszusprechen, besonders gegenüber totalitären und autoritären Mächten. Die Wahrheit kann vorsichtig und mit Nächstenliebe ausgesprochen werden, aber sie muß ausgesprochen werden, Wenn die Wahrheit nicht ausgesprochen wird, gibt der Vatican stillschweigend seine Schwäche zu und spielt immer auf dem Feld der Defensive, das von den Feinden Christi und der Kirche festgelegt wird.

Die päpstliche Diplomatie der jüngsten Zeit hat immer die Wichtigkeit des Dialogs betont. Und ja,
"Jaw, jaw is better than war, war" (grob übersetzt: Reden ist besser als Krieg) so die berühmte Äußerung Winston Churchills. Aber die Anstrengungen des Vaticans zum Dialog, der nicht aus dem Verständnis dessen erwächst, was autoritäre und totalitäre Regimes als "Dialog" betrachten - als eine Taktik, ihre Macht zu behalten - führen nicht sehr weit. Das aktuelle chinesische Regime z.B. ist an keinem Dialog über oder in HongKong interessiert; es ist daran interessiert die Freiheiten zu zerstören, die zu ehren es versprochen hatte, nachdem die Stadt 1997 der chinesischen Souveränität unterstellt wurde, Etwas anderes zu behaupten, macht die Lage nur schlimmer. Die selbe Warnung gilt auch für Kuba, Nicaragua, Venezuela, Rußland und andere systematische Verletzer der Menschenrechte.

In "Der nächste Papst" unterstreiche ich, daß das Sprechen der Wahrheit auch aus evangelischen Gründen für die vaticanische Diplomatie essentiell ist, In Ländern, in denen die Menschen systematisch mißbraucht werden, wird die Mission der Kirche, das Evangelium zu verkünden beschädigt, wenn die Katholische Kirche nicht als ihr Verteidiger wahrgenommen wird. Deshalb sollte der nächste Papst- das schlage ich vor- die gesamte vaticanische Diplomatie der Periode nach dem II. Weltkrieg neu bewerten und dazu qualifizierte Laien in die Diskussion einbeziehen,. Diese Untersuchung muß eine gründliche, klare Bewertung von Casarolis Erbe einschließen. das im
päpstlichen diplomatischen Dienst und der Bürokratie der Kurie weiter wirkt- trotz der unwiderlegbaren Tatsache, daß Casarolis Zugehen auf die kommunistischen Staaten versagt und die Dinge de facto schlimmer gemacht hat.

Die moralische Autorität des Hl. Stuhls und die evangelische Mission der Kirche stehen auf dem Spiel."

Quelle: G. Weigel, FirstThings

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