Nico Spuntoni hat den Erzbischof von Prag, Kardinal Dominik J. Duka, für La Nuova Bussola Quotidiana zu seiner Kritik am Synodalen Weg der deutschen Bischöfe und seinem kürzlichen Besuch beim Papa emeritus in Mater Ecclesiae interviewt.
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"KARDINAL DUKA: RATZINGER IST EIN BEISPIEL FÜR DEN IN DER WAHRHEIT VEWURZELTEN GLAUBEN"
"In Deutschland repräsentieren Kardinal Marx und Bischof Bätzing eine Strömung, die Ratzinger angreifen will." "Sexueller Missbrauch ist kein Verbrechen der Kirche, es sind Verbrechen des Einzelnen. Diese Berichte, die 100 Jahre zurückreichen, sind kein Versuch der Säuberung, sondern ein Prozess gegen die Kirche." "Jemand will den Missbrauch benutzen, um die Lehre der Kirche zu ändern." Es spricht der Erzbischof von Prag.
"Deine Rede sei. Ja, ja, nein nein" Kardinal Dominik Jaroslav Duka, der in wenigen Tagen 79 Jahre alt wird, ist es gewohnt, diese Lehre des Evangeliums im täglichen Leben anzuwenden. Das hat er kürzlich demonstriert, als er öffentlich dagegen protestierte, wie die Erzdiözese München und Freising den Namen Joseph Ratzingers durch die im Missbrauchsbericht enthaltenen Vorwürfe beschmutzen ließ. Der Erzbischof von Prag sparte zudem nicht an Kritik am Präsidenten der deutschen Bischofskonferenz, Monsignore Georg Bätzing, laut dem sich der emeritierte Papst hätte entschuldigen müssen. Das sind Äußerungen, die der dominikanische Kardinal in diesem Interview mit La Nuova Bussola anlässlich des 95. Geburtstag von Joseph Ratzinger erneuern wollte.
Eminenz, wie wichtig war das Pontifikat von Benedikt XVI. – mit seiner immer wiederkehrenden Warnung vor der Diktatur des Relativismus – in einem stark säkularisierten Land wie der Tschechischen Republik?
"Benedikt XVI. ist ein großer Theologe mit einer demütigen Empathie für den Menschen und für die Gesellschaft. Er ist ein Beispiel für einen Mann des Glaubens. Von einem Glauben, der in der Wahrheit verwurzelt ist. Karol Wojtyla und Joseph Ratzinger sind zwei große Persönlichkeiten für die Kirche, so wie es Achille Ratti und Eugenio Pacelli im zwanzigsten Jahrhundert waren. So wie es während des Pontifikats der ersteren in einer schwierigen Zeit, die vom bevorstehenden Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geprägt war, eine volle Zusammenarbeit zwischen Ratti und Pacelli gab, war die Zusammenarbeit zwischen Johannes Paul II. und Joseph Ratzinger vor allem auf theologischer Ebene eng. Ratzinger und Wojtyla waren ein großes Geschenk Gottes für Mitteleuropa: zwei Päpste, die unserer Geschichte und Kultur so nahe stehen. Johannes Paul II. war ein Befreier Mitteleuropas von der kommunistischen Diktatur und Benedikt XVI. war ebenso ein Geschenk, weil er unsere Situation gut verstand hat, nachdem er die harte Erfahrung unter der Nazi-Diktatur gemacht hatte.
Während seiner Apostolischen Reise nach Prag hat Benedikt XVI. seinen Freund Vaclav Havel über den Zusammenhang zwischen Wahrheit und Freiheit zitiert. Hatten Sie den Eindruck, daß der Papst, der in seiner Jugend die Nazi-Diktatur erlebt hat, die Gefahr der selbst erlebten "falschen Ideologien der Unterdrückung und Ungerechtigkeit" verstand, die sowohl Sie als auch Havel, Ihr Mitgefangener, am eigenen Leib erlitten haben?
Bei den von mir 2011 geleiteten Beerdigungsfeierlichkeiten von Havel auf der Prager Burg gab es einige, die daran erinnerten, daß Freiheit nicht das ultimative Ziel ist, sondern ein Weg zum Gemeinwohl. Genau das ist die Vision von Freiheit, die auch Ratzinger teilt. Ich erinnere mich gut an seinen Besuch in der Tschechischen Republik im Jahr 2009, bei dem er große Sympathie für unsere Gesellschaft zeigte. Bei dieser Gelegenheit war er nicht nur ein Prediger des Glaubens, sondern auch ein Professor der Theologie und im Allgemeinen ein Mann der Wissenschaft. Aus diesem Grund hörte ihm während des Treffens im Vladislav-Saal der Prager Burg die ganze akademische Welt zu. Die Professoren hörten ihm zu, weil sie ihn nicht auf einem Thron sahen, sondern als Kollegen. Es war ein wunderbarer Moment des großen Kontakts zwischen Kirche und Gesellschaft und auch zwischen Glaube und Vernunft.
Kürzlich haben Sie nach der Veröffentlichung des Missbrauchsberichts der Erzdiözese München zur Verteidigung des emeritierten Papstes aufgerufen. Haben Sie sich ein bisschen einsam gefühlt?
Ja. Monsignore Georg Gänswein hat Recht: In Deutschland gibt es eine Strömung, die Joseph Ratzinger angreifen will. Die Angriffe von Kardinal Reinhard Marx und Monsignore Georg Bätzing gegen ihn sind nicht richtig, denn als Ratzinger Erzbischof von München war, war er nicht für den gegen ihn vorgebrachten Fall verantwortlich, weil der beschuldigte Priester dem Bistum Essen angehörte. Aber lassen Sie mich eine Überlegung machen.
Bitte
Missbrauch ist kein Verbrechen der Kirche, sondern ein Verbrechen des Einzelnen. Ich bin etwas skeptisch was die Möglichkeit angeht, solche Berichte zu erstellen, die 100 Jahre zurückreichen. Es ist keine wirkliche Suche nach Sauberkeit, es scheint mir eher ein Prozess zu sein. Aber ich sehe die Situation in der Tschechischen Republik, und in meiner Heimat herrscht bereits Gerechtigkeit. Mit Gerechtigkeit müssen diese Fragen behandelt werden, denn ein Bischof ist kein Richter, er ist kein Polizist, er hat keine Erfahrung. Unsere Gerichte sind kirchliche Gerichte, aber dies ist eine Frage des Verbrechens und muss daher der Strafjustiz anvertraut werden.
In Bezug auf Missbräuche in der Kirche schrieb der emeritierte Papst die ursprüngliche Ursache dem moralischen Zusammenbruch aufgrund der Abwesenheit Gottes zu, der seit '68 zu verzeichnen ist. Ausgehend vom gleichen Problem kommt der deutsche Synodale Weg zu völlig anderen Schlussfolgerungen und scheint sogar darauf bedacht zu sein, Teile der Lehre zu modifizieren. Warum wurde Ratzinger zu Hause immer so schlecht verstanden?
Es scheint, dass jemand das Problem des Missbrauchs nutzen will, um alles andere zu ändern. Dieser deutsche Synodalen Weg ist keine Bewegung der Weltkirche, es sind Gruppen. Die Aussagen, die ihre Protagonisten gegenüber deutschen Zeitungen machen, sind ein Beweis dafür, daß es die gibt, die die Kirche verändern wollen. Sie tun so, als wäre die Kirche nicht von Jesus Christus und seinen Aposteln gegründet worden und betrachten sie als Unternehmen oder politische Partei. Die Versammlungen dieses Weges setzen sich aus einer Kombination der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zusammen. Aber dieses Komitee sieht eher wie eine Fraktion aus der Bundesrepublik Deutschland aus. In jüngster Zeit scheint es eher eine liberale Partei als eine christliche Realität zu sein.
Vor kurzem hatten Sie die Gelegenheit, Benedikt XVI. zu treffen: War er mit dem Artikel, den Sie zu seiner Verteidigung verfaßt haben, zufrieden?
Das war ein Treffen zwischen hochrangigen Bischöfen (lacht). Dies ist der zweite Besuch, den ich Benedikt XVI. in jüngster Zeit gemacht habe. Der erste war vor der Pandemie, der zweite während der geistlichen Exerzitien, die wir in Rom mit zwei anderen tschechischen Bischöfen durchgeführt haben. Ich wollte meine Solidarität mit Benedikt XVI. zum Ausdruck bringen. Er war ein mutiger Mann, als Papst hat er viel gegen den Missbrauch in der Kirche getan. Er tat bereits viel als Präfekt des ehemaligen Heiligen Offiziums während des Pontifikats von Johannes Paul II. und hat die Dokumente vorbereitet, um diesem Phänomen entgegenzuwirken.
Es war Benedikt XVI, der Sie in Prag zur Nachfolgerin von Kardinal Miloslav Vlk wählte. Er war es, der sie 2012 zum Kardinal ernannte. Es fragte sich, warum?
Ich denke, es könnte die Zeit sein, die ich als Gefangener während der kommunistischen Diktatur verbracht habe, und die Arbeit, die unmittelbar danach geleistet wurde, die das beeinflusst haben. Mit dem Ende des Kommunismus war die erste Mission, die mir anvertraut wurde, die Erneuerung des religiösen Lebens in unserer Heimat. Ich hatte das Gefängnis mit Präsident Havel geteilt und wusste viel über die neue freie Regierung. Das war eine Phase großer Verhandlungen mit den zivilen Behörden. Damals hatte ich bereits Kontakte zu Johannes Paul II. und auch zu Kardinal Joseph Ratzinger. Ich war am Wiederaufbau der Infrastruktur der Kirche in der Tschechischen Republik beteiligt, zuerst als einfacher Ordensmann, dann als Provinzial der Dominikaner und schließlich als Bischof in meiner Heimatstadt."
Quelle: N. Spuntoni, Kard. D. J. Duka, LNBQ
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