FirstThings veröffentlicht anläßlich des Todes der englischen Königin Elizabeth II einen Text des früheren Erzbischofs von Canterbury Rowan Williams über die Bedeutung der Salbung der Könige.
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"KÖNIGIN ELIZABETH, DIENERIN GOTTES"
von Rowan Williams
In einer der unvermeidlichen Runden von Medien-Interviews in den Tagen nach dem Tod von Königin Elizabeth vorige Woche, stellte ein Journalist eine Schlüsselfrage: "Die Königin wurde bei der Krönung gesalbt, nicht wahr? Bedeutete das einen Unterschied darin, wie sie ihre Rolle sah?"
Das Bild des gesalbten Monarchen ist eines, das die Schrift durchzieht und uns den Titel "Christus" schenkt, durch den wir unseren Erlöser anerkennen. Für die literarisch und historisch Interessierten, ist es ein Bild, das auch Shakespeares Dramen nicht losläßt und die schärfsten Diskussionen und Konflikte der britischen Geschichte durchzieht. Es wurde benutzt um die Monarchie zu mystifizieren und auf eine Weise zu erheben, die die meisten von uns jetzt bestenfalls unbequem finden würden.
Aber wenn wir ein bißchen von der Geschichte zurücktreten und einen Moment länger über die Theologie der Salbung nachdenken, könnten wir besser verstehen, worauf die Frage des Journalisten abzielte. Salbung- bei der Taufe oder der Weihe- bedeutet, daß jemandem ein neuer Platz in der Gemeinschaft des Gottesvolkes zugewiesen wird. Das ist weder eine Job-Beschreibung, noch ist es ein Blanko-Scheck für Macht und Privileg. Der Krönungs-Gottesdienst hat viel mit einer Weihe gemeinsam: da wird jemand ausgewählt für eine Stellung, die etwas über das Leben der ganzen Gemeinschaft aussagen soll- und das zuerst indem er einfach da ist und die Ideale und Ziele der Gemeinschaft trägt (und auch ihre Projektionen). Es ist die Rationale der Theologischen Tradition, die uns sagt, daß es beim Priestertum nicht um erfolgreiche oder verdienstvolle Leistungen geht, sondern um die Treue zu einer Position zugunsten des Friedens und Wohlergehens der Gemeinde. Das nimmt den Priester weder, wo es nötig ist, von Zensur und Beurteilung aus, noch gesteht es ihm das unanfechtbare Recht zu, jeden Streit zu gewinnen. Das ist nicht der Punkt. Sie sind dazu da, daß wir uns um etwas anderes sammeln als unsere Vorlieben und Ängste und Vorurteile; um die Gabe der "Verwandtschaft" - in der wir zusammen vor Gott stehen können.
Und das ist es, was die königliche Salbung auf ihrer wichtigsten Ebene bedeutet- eine Gabe des Heiligen Geistes, eine zerbrechliche menschliche Person in der Treue an diesem Platz zu bewahren, um die sich die Gemeinde zur Erbauung und Erneuerung versammeln kann. Es gibt keinen Zweifel, daß es das war, wie die Königin ihre Rolle sah. Es war eine Berufung, durch die sie gesegnet und begnadet war und die Salbung war das Herzstück. Manchmal zeigte sie Besuchern ihr kleines tägliches Gebetsbuch seit den Wochen vor ihrer Krönung - Gebete und Meditationen, die für sie vom damaligen Erzbischof von Canterbury geschrieben worden waren. Es war offensichtlich, daß diese Meditationen tief eingesunken waren und immer noch ihrem Leben Form gaben, gemäß dem, was darin dargelegt wurde,
Die Menschen haben sich gefragt, warum sie nicht zurückgetreten ist, als sie ein bißchen gebrechlicher wurde (obwohl ihre physische Gesundheit bis in die letzten Monate außerordentlich robust blieb). Aber sie hat ihre Rolle nie als etwas betrachtet, das man niederlegen konnte. Darin folgte sie Papst Johannes Paul II - indem sie den Druck des fortschreitenden Alters und die Verletzbarkeit gering schätzte, weil in ihrer Stellung nicht Erfolg, Gelingen, öffentlicher Glanz zählte. Aber was sie tat, war den Übergang zu ihrem Nachfolger sorgfältig zu planen, Verantwortung zu teilen, Erwartungen zu verschieben, die Nation sanft, so gut sie konnte, auf ihren Abgang vorzubereiten.
Das war typisch für ihren verblüffenden Mangel an Egoismus. Als ich die Rolle des Erzbischofs von Canterbury innehatte, mußte ich eine große Zahl politische Führer aus aller Welt treffen; Ich kann wahrheitsgemäß sagen, daß mich nicht einer so beeindruckt hat wie die Königin. Nicht einer hatte den selben Grad von Aufmerksamkeit, unaufdringlicher Klarheit in Meinungen und Antworten, Mangel an gereizten oder defensiven Reaktionen. Sie konnte schroff sein, scharf,; sie hatte einen ausgeprägten Sinn für das Absurde und war wirklich ungeduldig mit Klischees und Geschwafel. Dennoch war ihre große Freundlichkeit immer offensichtlich und ihr trockener Humor war eine große Gabe, um die Dinge in ihrer Perspektive zu belassen.
Ich habe mit Bewunderung verfolgt, wie sie - Jahr um Jahr- immer etwas ausdrücklicher in ihren öffentlichen Reden geworden ist (besonders Weihnachten) in ihrem Christlichen Glauben; nie aufdringlich oder aggressiv, aber auf eine Weise, die absolut klar machte, daß sie wußte, woher ihre Vision und Stärke kam. Zur selben Zeit war ihr Interesse für andere Religionen überraschend stark und positiv und ich konnte Imame, Rabbis und hinduistische Swamis sie gleichermaßen für ihre Empathie und Gewitztheit preisen hören. Wie ihr Ehemann hörte sie aufmerksam den Predigten zu und war bereit, hinterher darüber zu diskutieren und zu streiten. Es war ein besonderes Privileg, ihr bei den Gelegenheiten-wenn sie die Generalsynode der Church of England besuchte- die Hl. Kommunion zu spenden.
Ohne Zweifel eine Dienerin Gottes; eine großzügige, mutige, geduldige und betende Person. Und nicht zuletzt jemand, der seine Rolle auslebte, die Frage am Leben hielt,wie eine zunehmend säkularierte Gesellschaft irgendeine dauerhafte Einheit in Abwesenheit des großen gemeinsamen Symbols der Gnade finden kann, diesen Baldachin, der uns eine Identität anbietet, die größer ist als unser eigener Stamm und unsere Interessengruppe und uns in einer Verwandtschaftsbeziehung erhält, die wir nicht selbst erfinden mußten."
Quelle: R. Williams, früherer Erzbischof von Canterbury, FirstThings
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