Montag, 26. März 2018

Sandro Magister : Was der Papst, ohne rot zu werden, in seiner Palmsonntagspredigt zu fake-news sagte.

Sandro Magister analysiert und kommentiert bei Settimo Cielo die letzte Entwicklung von Lettergate und die Worte, die der amtierende Pontifex gestern bei der Palmsonntagsmesse zum Thema fake-news gesprochen hat.
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"WEIT ENTFERNT VON KONTINUITÄT, HIER IST EIN ABGRUND. DIE WAHRE GESCHICHTE DER 11 BÜCHLEIN."

Wie die Tage vorübergehen, wird es immer offensichtlicher, daß Franziskus Msgr. Dario E. Viganò wegen der Art wie er den  Brief, den Benedikt XVI ihm geschrieben hatte, benutzte, keineswegs entlassen oder bestraft hat.
Im Gegenteil, er hat ihn bestätigt und seine Macht vergrößert - ausdrücklich sein Mandat bestätigt,  bald die Einverleibung aller vaticanischen Medien einschließlich des Osservatore Romanos in ein "einziges Kommunikationssystem" , das ganz seiner Kontrolle unterliegt - mit direktem Draht zum Papst - zu Ende zu bringen, das dazu dienen soll, sein Image als vorbildlicher Hirte und jetzt auch als  raffinierter Theologe aufrecht zu erhalten.
Die Operation, die sich um Benedikst Brief drehte, ist Teil eines Gesamtplans.

Der Ursprung der Operation geht auf den vergangenen Herbst zurück, als Viganò Giulio Cesareo, 39, einen Franziskaner, der in Freiburg Theologie studierte und Professor für Moraltheologie ist, als Chef der Libreria Editrice Vaticana einstellte.

Am 12. Oktober 2017, dem Tag seiner Ernennung, waren die beiden bei der Frankfurter Buchmesse.
Viganò stelte fest, daß die Auswechslung des Direktors der LEV "einen wichtigen Baustein im vom Hl. Vater geforderten Reformprozess darstellt."
Und beide kündigten an, daß der neue Kurs des Verlagshauses durch eine Reihe von 11 Büchlein mit ebenso vielen Autoren eingeleitet würde, die darauf abzielen, "die Tiefe der theologischen Wurzeln des Denkens, Handelns und Dienstes von Papst Franziskus zu zeigen."



Während der Weihnachtszeit erschien die Sammlung in den römischen Buchläden. Und die Autoren, von denen einige prominente Namen des progressiven theologischen Lagers tragen - oder zumindest von Unterstützern des von Franziskus in Gang gesetzten "Paradigmenwechsels", wie der Argentinier Carlos Galli und Juan Carlos Scannone, der Deutschen Peter Hünermann und Jürgen Werbick, des Slowenischen Jesuiten Marko Ivan Rupnik- letzterer ein geschätzter Künstler, der, außer daß er Theologe ist, auch gleichzeitig spiritueller Führer Viganós ist.

Besonders wichtig in dieser Auswahl von Autoren ist Hünermann. Er ist zwei Jahre jünger als Joseph Ratzinger und hat sein Leben als sein unversöhnlicher Gegner zugebracht und u.a. eine These über das II.Vaticanische Konzil vertreten, die zu zitieren und zurückzuweisen Ratzinger selbst, nachdem er unter dem Namen Benedikt XVI Papst geworden war, sich in seiner erinerungswürdigen Rede vom 22. Dezember des selben Jahres zur korrekten Interpretation dieses Konzils genötigt fühlte.

Benedikt sagt mit einem direkten Hinweis auf Hünermann, der denen, die wissen, nicht entging:

"Das Konzil wird so als eine Art verfassunggebende Versammlung betrachtet, die eine alte Verfassung außer Kraft setzt und eine neue schafft. Eine verfassunggebende Versammlung braucht jedoch einen Auftraggeber und muß dann von diesem Auftraggeber, also vom Volk, dem die Verfassung dienen soll, ratifiziert werden. Die Konzilsväter besaßen keinen derartigen Auftrag, und niemand hatte ihnen jemals einen solchen Auftrag gegeben; es konnte ihn auch niemand geben, weil die eigentliche Kirchenverfassung vom Herrn kommt, und sie uns gegeben wurde, damit wir das ewige Leben erlangen und aus dieser Perspektive heraus auch das Leben in der Zeit und die Zeit selbst erleuchten können."

Was Jorge Mario Bergoglio angeht, kennt Hünermann ihn seit 1968, als er in Buenos Aires eine zeitlang am dortigen Jesuitenkolleg studierte. Und nachdem er Papst geworden war, hatten sie im Mai 2015 zwischen den beiden Synoden zu Ehe und Scheidung ein langes Gespräch in Santa Marta.

Hünermann hat in einem ausführlichen Interview mit Commonweal, das am 22. September 2016 veröffentlicht wurde, darüber berichtet.

Von südamerikanischen Freunden Bergoglios dazu gedrängt, sandte Hünermann dem Papst einen geschriebenen Bericht, in dem er argumentiert, daß in der Katholischen Theologie vor dem Konzil von Trient - besonders bei Thomas und Bonaventura die Unauflöslichkeit der Ehe nicht absolut war, sondern eine Auflösung zugelassen war. Und das habe auch für die sakramentale Absolution gegolten, die auch erteilt worden sei, wenn die Beziehung fortbestand.


Bei der folgenden Unterhaltung mit Papst Franziskus haben die beiden darüber eine Stunde lang in Spanisch gesprochen. Und dann kam - im Jahr danach - die Exhortation "Amoris Laetitia", die sich - 

nach Hünermann - diesen seinen Beitrag zu Herzen genommen hatte.

So schickte Viganò dann am 12. Januar dieses Jahres nach den Weihnachtsfeierlichkeiten Benedikt die 11 in einer Kassette zusammengefügten Büchlein - zusammen mit einem Brief, in dem er ihn bat, sie durch ein Schreiben vorzustellen, ihren Inhalt zu preisen und sie dadurch zu empfehlen, daß er sie gelesen habe.

Was genau Viganò in diesem Brief geschrieben hat, ist nicht bekannt. Aber seine  Substanz kann aus dem am 7. Februar datierten Antwortbrief Benedikts XVI entnommen werden, der wegen seiner Teile bekannt wurde.


Es ist offensichtlich, was Viganòs Absicht dieser an den Papa emeritus geschickten Bitte war. Dem großen Theologen Benedikt XVI die öffentliche Zustimmung seines Nachfolgers zu entringen. Öffentliche Zustimmung für das "neue Paradigma" wie es in den Broschüren von einer Kohorte von Theologen dargestellt wird - die aus den Reihen der Apologeten des neuen Kurses rekrutiert wurden.


Sieht man den Inhalt und die Autoren der Broschüren, läßt einen die Unverschämtheit der Bitte, die Viganò an Benedikt XVI richtete verblüfft zurück.

Ganz und gar negativ ist Benedikts Antwort  in dem "persönlichen und vertraulichen" Teil des Briefes, den er am 7. Februar an Viganò geschickt hat.

Der Papa emeritus weigert sich, die "kurze und dichte theologische Seite" über die Büchlein zu schreiben, wie es von ihm erbeten wurde. Er sagte, daß er sie nicht gelesen hat und sie auch in Zukunft nicht lesen wird.
Er drückt seine "Überraschung" darüber aus, unter den Autoren "Professor Hünermann zu sehen, der sich während meines Pontifikates an die Spitze antipäpstlicher Initiativen setzte."

Außerdem fühlte Benedikt in seiner Antwort an Viganò die Notwendigkeit, das "dumme Vorurteil" zurückzuweisen, nach dem er "nur ein Theoretiker der Theologie gewesen sei, der wenig vom konkreten Leben eines Christen heute verstand."

Genau so ungerecht ist es - schreibt er - zu denken, daß "Papst Franziskus nur ein Mann der Praxis sei, ohne jede besondere theologische oder philosophische Bildung". Weil er natürlich - wie er betont - "ein Mann von tiefer philosophischer und theologischer Bildung ist."

Wenn es den Wunsch gibt, eine "Kontinuität" zwischen seinem Pontifikat und dem von Franziskus zu erkennen, dann - so gibt Benedikt XVI an - muß eine solche Kontinuität eine "innere" sein.

Was dann passierte, ist bekannt. Am Abend des 12. März - dem Abend vor dem 5. Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus und anläßlich einer opulenten Präsentation der 11 Büchlein im Vatican - mit Kardinal Kasper als angekündigtem Sprecher - hat Viganò eine Pressemitteilung verteilt, in der er nur einige  Zeilen des Benedikt-Briefes, die sich auf Bergoglios "profunde theologische Bildung " und die Kontinuität zwischen den beiden Pontifikaten bezog, zitierte.

Zuerst bekam Viganò das, was er wollte, also einen soliden Hosianna-Chor in den Medien, speziell den italienischen - wegen der angeblichen Zustimmung Benedikts XVI zum neuen Kurs von Papst Franziskus. 

Außer der Tatsache, daß am nächsten Tag, 13. März, Settimo Cielo den  anderen Abschnitt von Benedikts Brief veröffentlichte, den Teil mit seiner Weigerung zu lesen und überhaupt irgendetwas über all diese Büchlein zu schreiben, den Abschnitt, der von Viganò am Abend auch hastig öffentlich vorgelesen, aber von den zwei Dutzend anwesenden Journalisten komplett ignoriert wurde.

Und der Sturm kam.
Weil die Medien der ganzen Welt Viganò den Vorwurf machten, ein Stück präzedenzlos schwerwiegender  fake-news -  konstruiert und verbreitet zu haben - nicht nur durch die Pressemitteilung sondern auch mit dem offiziellen Foto des Briefes von Benedikt XVI - auf dem die beunruhigendsten Zeilen unlesbar gemacht wurden.

Seine höchste Intensität erreichte der Sturm am Morgen des 17. März, als noch einmal Settimo Cielo den letzten Abschnitt des Briefes enthüllte, den mit der Bezugnahme auf Hünermann.

Am späten Nachmittag des selben Tages, war Viganò deshalb gezwungen, den Gesamttext Benedikts XVI publik zu machen.

Zwei Tage später, am 19. März, bat er Papst Franziskus in einem Schreiben, seinen Rücktritt als Präfekt des Sekretariates für Kommunikation anzunehmen.
Und am 21. März hat Franziskus den akzeptiert - und "nicht ohne einigen Kampf" geschrieben.

Ihre beiden Briefe - in Wirklichkeit haben beide sie am Mittag des 21. März veröffentlicht - weisen nicht das geringste Zeichen von Bedenken wegen der nie gehörten Machenschaft auf Kosten Benedikts XVI auf, der noch nicht einmal namentlich erwähnt wird.

Viganò beklagt in seinem Brief an den Papst nur die "vielen Kontroversen rund um mein Handeln, abgesehen von den Zielen, die den Komplex der großen Reformarbeit, das Sie mir anvertraut haben, zu destabilisieren."

Und Franziskus tut in seinem Antwortbrief - dem einige persönliche Gespräche und Treffen der beiden vorangingen - nichts, als Viganò mit Lob für die Reformarbeit, die er bis dahin erledigt hatte, zu überschütten, und bekräftigt seinen Auftrag, es in der neuen, für ihn geschaffenen Rolle im Kommunikationssekretariat als Assessor zu vollenden.

Aber um zu Benedikts Brief vom 7. Februar zurückzukehren, ist es hilfreich, seine Bezugnahme auf Hünermann genauer zu untersuchen.

Er erinnert daran, daß er "in signifikantem Ausmaß an der Promulgierung der "Kölner Erklärung" beteiligt war, die in Bezug auf die Enzyklika "Veritatis Splendor" heftig die lehramtliche Autorität des Papstes - besonders in Fragen der Moraltheologie angegriffen hatte."

Im Endeffekt war die "Kölner Erklärung" ein Frontalangriff, der 1989 von zahlreichen Theologen - meistens deutschen - gegen die Lehre Johannes Paul II und seines Glaubenspräfekten Joseph Ratzinger - besonders beim Thema Moraltheologie - gestartet wurde.

Der Protest war durch die Ernennung von Kardinal Joachim Meisner zum Erzbischof von Köln explodiert, dem selben, der 2016 zu den Unterzeichnern der "Dubia" gehörte, die Papst Franziskus wegen "Amoris Laetitia" überreicht wurden und über den Papst Benedikt 2017, am Tag seines Begräbnisses tiefe und bewegende Worte  geschrieben hat. 


Zu den Unterzeichnern der "Kölner Erklärung" gehörte das Who is Who  des theologischen Progressismus, von Hans Küng bis zu Bernhard Häring, von Edward Schillebeeckx zu Johann Baptist Metz. Und da waren auch zwei der Autoren der aktuellen Büchlein zur Theologie von Papst Franziskus: Hünermann und Werbick.

Auf die Ideen der "Kölner Erklärung" reagierte Papst Johannes Paul II 1983 mit der Enzyklika "Veritatis Splendor".

Die wird von Franziskus in "Amoris Laetitia " nie zitiert, während andererseits "Amoris Laetitia" in den Paragraphen 303 - 305 einige der  Ideen der "Kölner Erklärung" aufnimmt und sich zu eigen macht, besonders wo sie in ihren dritten und letzten Punkten das Urteil über moralische Entscheidungen dem Gewissen und so der Verantwortung des Individuums  zusprechen.

In eben diesem dritten Punkt macht die "Kölner Erklärung" einen Frontalangriff auf die Enzyklika "Humanae Vitae" von Paul VI, und versichert die Zulässigkeit von Kontrazeptiva. Und auch bei diesem Punkt bewegt sich Bergoglios Pontifikat in die gleiche Richtung.

Im Gegenteil - in dem, was der ausführlichste und durchdachteste Text ist, der nach seinem Rücktritt bisher von Papst Benedikt vom Papstamt in dem 2014 veröffentlichten Mehr-Autoren-Buch über Johannes Paul II veröffentlicht wurde, zögert der Papa emeritus nicht, gerade "Veritatis Splendor" als wichtigste der Gegenwart zu identifizieren.  "Diese Enzkylika zu studieren und anzunehmen"  schließt er, "bleibt eine große und wichtige Pflicht."

Es ist kein Zufall, daß drei der fünf Dubia die Franziskus 2016 von mehreren Kardinälen übergeben wurden, sich genau um das Risiko sorgen, die Grundlagen der Morallehre zu verlassen, an die "Veritatis Splendor" erinnert.

Ebenso wenig ist es ein Zufall, daß Ratzinger in seinem Brief an nichts anderes erinnert, als an  den  Widerstand gegen die Prinzipien von "Veritatis Splendor" seitens der Theologen der "Kölner Erklärung", die jetzt bei Franziskus wieder in den Vordergund gerückt wurden.

Ein Papst, dessen "Kontinuität" mit seinem Vorgänger an diesem Punkt wirklich nur einzig und allein eine "innere" sein kann.

P.S.: 

Am 25. März hat Papst Franziskus in seiner Predigt zum Palmsonntag auf dem Petersplatz denen seine Lektion erteilt, die "fake-news" verbreiten, indem sie sich von den Tatsachen zu einer Zusammenfassung von Fakten bewegen."

"Es ist die Stimme derer, die die Wirklichkeit verdrehen und zu ihrem eigenen Vorteil Geschichten erfinden, ohne Rücksicht auf den guten Namen der anderen. Es ist der Schrei derer, die kein Problem damit haben, Wege zur Macht zu suchen und abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen. Der Schrei der aus dem Verdrehen von Tatsachen entsteht."

Das sagte der Papst, ohne rot zu werden, als ob er vergessen habe, was vor wenigen Tagen in seinem eigenen Haus mit dem Brief Benedikts XVI getan wurde."

Quelle: Settimo Cielo, Sandro Magister

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