Sandro Magister empfiehlt bei Settimo Cielo die Lektüre des neuen Buche von Giorgio Jossa über den historischen Jesus und bietet als "Appetithäppchen" einen Auszug aus dem letzten Kapitel an.
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"DIE GESCHICHTE JESU- NEU GESCHRIEBEN VON EINEM GROSSEN HISTORIKER. NICHT GEGEN DEN GLAUBEN SONDERN ENTLANG DES GLAUBENS."
Es gibt Bücher, die machen Geschichte, besonders wenn sie einen substantiellen Durchbruch auf ihrem Studiengebiet darstellen. Der jüngste Essay von Giorgio Jossa, Professor für Alte Kirchengeschichte an der Friedrich II-Universität in Neapel und Spitzengelehrter bzgl. der Figur Jesu ist eines dieser Bücher.
G. Jossa "Ihr, was sagt Ihr, wer ich bin? Geschichte eines hebräischen Propheten namens Jesus." Paideia Turin 2018
In diesem Essay versucht Jossa eine historisch begründete Antwort auf die Frage zu geben, die Johannes der Täufer Jesus stellt: "Bist du, der kommen wird oder müssen wir auf einen anderen warten? " und die Jesus selber den Jüngern stellte: "Aber ihr, was sagt ihr wer ich bin?"
Die Antwort, die das Evangelium gibt, ist die des Glaubens. Aber Jossa will natürlich als Historiker antworten. Und hier trifft er auf das Problem, das Joseph Ratzinger im Vorwort seines Buches "Jesus von Nazareth" "dramatisch" nennt. Und es ist die Trennung des "historischen Jesus" vom "Jesus des Christlichen Glaubens", eine Trennung die durch ein Bündel von Studien der letzten paar Jahrzehnte immer tiefer geworden ist.
Das Profil Jesu das in diesen historischen Studien sichtbar wird, ist im Endeffekt sehr ",mager" und sogar "enttäuschend" stellt Jossa fest. Es z.B. verblüffend wie groß die Distanz zwischen der Weite in den bisher veröffentlichten 5 Bänden von John P. Meier "den historischen Jesus neu zu denken" und dem schwachen Porträt von Jesus "Ein unbedeutender Jude"- so der Titel des Gesamtwerkes, das daraus hervorging.
Das hat vor kurzem zu Versuchen einiger gläubiger Gelehrter geführt, dem Bericht des Eangeliums größere historische Substanz zu geben, Jossa zitiert u.a. den englischen Biblizisten James D.G. Dunn und Ratzinger selbst. Aber er er gibt zu, daß er ihre Sorgen nicht teilt.
In Jossas Urteil ist die Unähnlichkeit zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Evangeliums in sich selbst nicht "dramatisch" für den Glauben. "Was vom Glauben nicht akzeptiert werden kann, ist nur die Tatsache, daß der historische Jesus - also der legitime Versuch Jesus ohne die Hilfe des Glaubens zu erkennen- für sich das Kriterium für die Wahrheit des Christlichen Glaubens zu beanspruchen."
Der historische Jesus - behauptet Jossa- steht nicht im Gegensatz zum Christus der Evangelien. Stattdessen steht er vor und neben dem Christus des Glaubens - als eine anderer Interpretation - "das ist kein Beweis sondern ein Zeichen, und ein zweideutiges Zeichen seiner messianischen Identität: eine verstörende Frage, die eine Antwort verlangt, die eine des Glaubens oder eine des Unglaubens sein kann."
Es ist die selbe verstörende Frage, die Jesus seinen Jüngern stellt und die den Titel des Buches liefert, die aber Johannes der Täufer Jesus schon zuvor stellte. Auf die antwortete Jesus so: "Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht, die Blinden werden sehend, die Lahmen gehen, die Unreinen werden rein, die Toten auferweckt und den Armen wird die gute Botschaft verkündet"
Jossa kommentiert:
"Jesus behauptet nicht, der Messias zu sein. Auch leugnet er es nicht. Er bestätigt jedoch daß da alle Zeichen sind, die nach den Prophezeiungen Zeichen für das Kommen des Königreiches Gottes sind. Keine Beweise sondern Zeichen und Zeichen , die nicht offensichtlich sind, sondern interpretiert werden müssen. Er überläßt es Johannes, zu entscheiden, ob er der Messias ist und wir wissen nicht, ob Johannes das getan hat."
Aber die große Neuigkeit in Jossas Essay liegt nicht nur in dieser Neuzusammenstellung zwischen dem historischen Jesus, "Jüdisch" und dem Jesus des Glaubens "Christlich" -sondern auch in einer neuen historischen Rekonstruktion des öffentlichen Lebens Jesu.
Im Hinblick auf fast alle Gelehrten, die sich vor ihm auf dieses Unternehmen eingelassen haben, von denen jeder ein festes und einheitliches Profil des historischen Jesus skizziert hat- als einen anti-römischen Revolutionär oder einen sanftmütigen Moralisten oder noch jemand anderes- hat Jossa statt dessen im öffentlichen Leben Jesu eine dynamische Entwicklung, eine Geschichte mit substantiellen Drehungen und Wendungen gesammelt.
Und sein Buch ist originelles und gründlich dokumentiert und eine unwiderstehlich Entdeckung dieses evolutionären Themas Jesus- von einer Station zur anderen- mit Erfolgen und Fehlschlägen bis hin zum Epilog des Prozesses und der Verurteilung.
Ein Buch, das es sehr wert ist, gelesen zu werden. Und dessen letzte Seite eine Probe für die Hauptstadien des öffentlichen Lebens Jesu, die Jossa anhand der geschichtlichen Kriterien rekonstruiert und die hier wie in einem Inhaltsverzeichnis zusammengefaßt wird:.
(Aus dem Schlußkapitel : "Schlußfolgerung. Ein essentielles historisches Profil Jesu" Seiten 332-333)
"Jesus begann seine öffentliche Mission als Jünger und Kollege von Johannes dem Täufer in Judäa.
Deshalb teilte er anfänglich seine eschatologischen und apokalyptischen Positionen über das Gericht Gottes und der Notwendigkeit der Buße und Taufe und wahrscheinlich auch der Erwartung einer messianischen, mit dem Gericht beauftragten Figur.
Bei der Verhaftung von Johannes-aber vielleicht auch schon früher- hat er ein autonomes Amt angenommen, das sich sehr von dem des Täufers unterschied und sich auf die Verkündigung des unmittelbar bevorstehenden Kommens des (ordoschen) Königreichs Gottes konzentrierte- begleitet von intensiven wundertätigen Aktivitäten.
Der anfängliche Erfolg überzeugte ihn, daß das Königreich Gottes nahe war und daßseine Handlungen seinen geheimnisvollen Beginn darstellte.
Das brachte ihn dazu, sehr persönliche und radikale Positionen gegenüber dem Mosaischen Gesetz einzunehmen und sich selbst als den letzten und entscheidenden Gesandten Gottes vor dem Kommen seines Königreiches zu präsentieren.
Nach ungefähr einem Jahr des Predigens in Galiläa, das mit einem deftigen Fehlschlag endete, beschloss er nach Jerusalem zu gehen und die Jüdischen Autoritäten direkt zu konfrontieren.
In Jerusalem eskalierte die Situation jedoch, Zur religiösen Kritik an den Pharisäern kam die- jetzt auch politische-am Hohen Priester hinzu und Jesus begriff, daß das Königreich Gottes nicht so nah war, wie er gehofft hatte und daß Gott wollte, daß er zuerst durch den Tod gehen sollte.
Deshalb nahm er die Predigten des Täufers über Gericht und Umkehr in Beziehung zur apokalyptischen Figur des Menschensohnes wieder auf.
Beim letzten Abendmahl das er am Vorabend von Pessach mit seinen Jüngern abhielt, bestätigte er seinen Glauben an das Kommen der (himmlischen) Königreiches Gottes und wies im Neuen Bund zwischen Gott und Seinem Volk in seinem Blut auf den theologischen Wert seines bevorstehenden Todes hin.
Und beim Prozess vor dem Jüdischen Sanhedrin sprach er von seinem glorreichen Kommen als Menschensohn, dem endgültigen Zeugen im Gericht Gottes."
Quelle: Settimo Cielo, S. Magister, G.Jossa
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